Das tschechische Unternehmen J&T Finance Group generiert seinen Umsatz mit finanziellen Dienstleistungen im Bankwesen. Über die Investment-Holding J&T Private Equity agiert es zusätzlich im Energiesektor, im Gesundheitswesen, in der Immobilienbranche, in Medien und im Sport. Kurzum, die 1993 gegründete Gruppe gilt als ein großer Player im osteuropäischen Finanz- und Bankensektor. Ihrer unternehmerischen Omnipotenz wollte sie mit einem neuen Hauptsitz in Prag Ausdruck verleihen. Der entstand nach Entwürfen von CMC Architects.
Mitarbeiterumfrage
Für die architektonische Umsetzung entschieden sich die Verantwortlichen bei J&T für das Architekturbüro CMC Architects unter der Leitung von David Chisholm und Vit Maslo. Das Gebäude entstand auf dem Gelände des vormaligen Maschinenherstellers Ruston, im Volksmund „Rustonka“.
Als kontrastreich und einprägsam erweisen sich die innenarchitektonischen Qualitäten des Neubaus. Die beiden Prager Architekten führten den deutlich ausgearbeiteten rechten Winkel der Fassade im Inneren fort. Das drückt sich beispielsweise im klaren, grafischen Design des Wegeleitsystems und an der Geradlinigkeit der Leuchten aus.
Bei der Innenraumplanung stand der Komfort der Nutzer, Kunden und Klienten im Vordergrund. Dem Entwurf ging eine Umfrage voraus, bei der die Mitarbeiter sich äußerten, welche Einrichtungen sie für wichtig erachten und was sie sich von ihrem zukünftigen Arbeitsplatz erwarten.
Raum für formelle und informelle Treffen
Zu den zuvorderst genannten Wünschen zählte ein großzügiger und geeigneter Raum für formelle und informelle Treffen. Denn die Beschäftigten verbringen viel Zeit an ihrem Arbeitsplatz und müssen sich dort wohlfühlen. Deshalb sollten große Teile wohnlich aussehen und nicht wie herkömmliche, klassische Bürobereiche gestaltet sein. CMC Architects berücksichtigten diese Anforderungen.
Das gestalterische Herzstück ist das ‚Work Café‘ im fünften Stock. Es ist aber nicht der einzige Bereich, in dem sich die Mitarbeiter treffen, diskutieren oder einfach nur entspannen können.
Von CMC Architects als offene und freundliche Zone konfiguriert, hält das ‚Work Café‘ diverse Funktionsbereiche bereit: voll ausgestattete Küchen, Rückzugszonen für konzentriertes Arbeiten, einen abgeschlossenen Vortragssaal und eine zentrale Präsentationsfläche, die sich je nach Personenzahl und Veranstaltung variieren lässt. Die Mitarbeiter können an Kaffeetischchen und großen Tischen Platz nehmen, sich aber genauso gut auf Sofas in abgeschiedene Ecken zurückziehen. Eine davon prägt eine amorphe Holzkonstruktion, deren Lamellenstruktur als Säulen aus dem Boden zu wachsen scheint und sich bis zur Decke fortsetzt. Die Holzdecke ist akustisch wirksam.
Akustikdecken in vielen Zonen
Das ‚Work Café‘ ergänzt die Arbeits-, Kollaborations- und Relaxingzonen auf den übrigen Geschossen des achtstöckigen Gebäudes von CMC Architects. Vor allem hier, aber auch in der Eingangslobby und der ‚Collaboration Zone‘ mit ihrem inspirierenden, die Interaktion fördernden Umfeld, finden sich ebenfalls akustisch wirksame Elemente.
Somit weisen alle Etagen Akustikdecken auf, teils mit Holz-, teils mit Metalloberfläche. Das gilt etwa für die Korridore auf den einzelnen Etagen. Es gibt aber auch Bereiche, die einen freien Blick auf die Technikinstallationen an der Decke zulassen.
Tageslicht im Gebäudekern
Im schmalen, langen Bau erhalten alle Arbeitsräume natürliches Licht. Ein Großteil der Innenwände ist verglast, um Tageslicht in den Gebäudekern zu lassen. Wer die dadurch entstehende Transparenz vorübergehend einschränken will, kann schlichte, weiße Vorhänge zuziehen.
Jedes Geschoss bietet Flächen für die eigentlichen Arbeitsplätze sowie für Ruhe- und Entspannungszonen. Dort können die Mitarbeiter Kaffee trinken, eine kurze, informelle Besprechung abhalten oder einfach nur lockere Gespräche unter Kollegen führen. Sie können sich aber auch von den Kunstwerken inspirieren lassen. So ist etwa im ‚Work Café‘ ein Wandgemälde des für seine grafischen Arbeiten bekannten Künstlers Michal Škapa zu finden.
Damit und mit der Präsentation weiterer Werke dokumentiert der Bauherr sein Engagement für die Kunst. Das lässt sich bereits in der Eingangshalle feststellen. Eine 20 m lange Deckenleuchte aus Kristallen dominiert das Foyer und weicht damit den teilweise strengen Charakter des Bürogebäudes auf. Das Kunstwerk mit dem Titel ‚Stellar Dust‘ scheint wie zwei Wolken über dem Besucher zu schweben.
Modernes Design
Der Eindruck entsteht, weil die von CMC Architects entworfenen und von der tschechischen Glashütte Bomma gefertigten 726 Kristalltropfen von den Deckenlamellen herabhängen. Sowohl die Glas- als auch die Holzelemente der Installation wurden mithilfe besonderer parametrischer Definitionen entworfen. David Chisholm und Vit Maslo, den Gründern von CMC Architects, zufolge ist es eine der größten zeitgenössischen Lichtinstallationen in ganz Tschechien.
Während sich die Gestaltung dieses Kunstwerks aus den räumlichen Beziehungen in der Lobby ergibt, ist die geschwungene Decke im öffentlich zugänglichen Café-Restaurant Rustonka im Erdgeschoss die algorithmische Umsetzung der Geometrie eines unbekleideten Frauenkörpers. Jedoch weist die geschwungene Form eine solche Dimension auf, dass dem unbedarften Besucher der Ursprung der Decke nicht sofort ins Auge fällt. Das Restaurant verfügt gleichfalls über eine Schalldämpfung.
Akustikkonzept von CMC Architects
Sie ist Teil des gesamten Akustikkonzepts innerhalb des Baus, das Chisholm und Maslo so beschreiben: „Die Decke soll einen weicheren, komfortableren und angenehmeren Raum für alle Besucher und Mitarbeiter schaffen und gleichzeitig dem Headquarter die Anmutung eines modernen Designs verleihen.“
Das Zusammenspiel der Maßnahmen dient dazu, die hohen Anforderungen an die Arbeitsatmosphäre zu erfüllen. Warum dieser Faktor so bedeutsam ist, führen die beiden Architekten von CMC Architects weiter aus: „Der spürbaren Behaglichkeit aller Räume maßen wir eine hohe Priorität bei. Daher ziehen sich akustisch wirksamen Bauteile durch die gesamte Innenarchitektur.“
Eine ruhige Umgebung erwartet man auch in der ebenfalls im Gebäude untergebrachten und für die Öffentlichkeit zugänglichen Galerie „Magnus Art“. Sie dient der Präsentation von Kunstwerken tschechischer und slowakischer Privatsammler. Des Weitern verteilen sich die Exponate von zeitgenössischen tschechischen Künstlern und talentierten Kunststudenten auf sämtlichen Etagen des achtstöckigen Gebäudes. Daran zeigt sich, dass der Finanzgruppe nicht allein am Wohlbefinden der Mitarbeiter und Kunden gelegen ist, sondern auch an dem der kunstsinnigen Besucher.
Fakten
Projekt: Hauptsitz der J&T Finance Group
Standort: Sokolovská 700/113a, Prag 8, Tschechien
Bauherr: J&T Real Estate, Prag
Architektur/Innenarchitektur: CMC Architects, Prag, Webseite des Büros
Fertigstellung: 2020
Geschossfläche: ca. 18 000 m²
Ausstattung (Auswahl): Deckensysteme von Hunter Douglas, frei stehende Möbel von Vitra, Beleuchtung von Delta Light, Lichtinstallation von Bomma
David Chisholm (links) und Vit Maslo
gründeten 1997 CMC Architects in Prag. Die 25 Mitarbeiter des international tätigen Büros beschäftigen sich mit Architektur, Stadtplanung und Umweltgestaltung.