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Vom Licht geführt

Hotel von AW² in Crans-Montana/CH
Vom Licht geführt

Lokale Materialien und Bezüge zum örtlichen Kontext machen das Hotel von AW² Architecture & Interiors zu einem Refugium der Geborgenheit. Es changiert zwischen Hüttengemütlichkeit und urbanem Chic. 

Autor Achim Geissinger

Der Ort an einem Südhang hoch über dem Rhône-Tal, mit Blick auf die Walliser Alpen, dient vielen Prominenten und Magnaten als Wohnsitz. Ebenso kennt man ihn als Austragungsstätte von Sportwettkämpfen oder als Urlaubsdestination.

Weil in Crans-Montana kaum mehr attraktiver Baugrund frei ist, hieß es, das Hotel auf einer Freifläche neben einer Seilbahnstation zu bauen – kompakt, in die Höhe und in die Tiefe. Deshalb tief hinab, weil das Grundstück nur über einen den Skihang unterquerenden Tunnel zu erreichen ist.

Den Umstand, die Baumasse sprichwörtlich aus dem Felsen in die Höhe wachsen lassen zu müssen, haben die Planer von AW² Architecture & Interiors als Inspirationsquelle für ihre Gestaltungsideen genutzt.

Chalets auf einem Sockel

Zusammen mit JP Emery Architects, die das Projekt bis zum Einstieg von Six Senses mit 90 Zimmern geplant hatten, entwickelte AW² Architecture & Interiors das Konzept im Sinne der Hotelmarke weiter. Das Gebäude sollte die Bezüge zu den örtlichen Gegebenheiten und den direkten Kontakt mit der umgebenden Gebirgswelt verstärken.

Die ersten sechs Geschosse stecken zum Teil im Hang. Wo nicht, rufen sie das Bild einer soliden Plinthe aus massivem Stein hervor. Raumbreite Loggien mit Blick auf die umgebenden Hänge sind eingeschnitten. Darüber erheben sich zwei einzelne Volumen, bei deren Kubatur die Planer um den überall in der Region vorherrschenden Chalet-Stil nicht herumkamen. Allerdings verstanden sie es, mit klaren Formen und zurückhaltender Geradlinigkeit die Anmutung raubeiniger Blockhäuser zu umgehen. Insgesamt gibt es 79 Zimmer und Suiten, davon 17 Apartments mit 210–330 m².

Ankunftspunkt

Das Erlebnis beginnt mit der Anfahrt durch den Tunnel auf dem untersten Niveau und dem Erreichen der geräumigen Vorfahrt innerhalb des Gebäudes. Mit Linienleuchten hoben AW² Architecture & Interiors die raue Oberfläche der Wandbekleidungen aus Valser Stein plastisch hervor.

Zusammen mit der kunstvoll gebrochenen, an Astwerk erinnernden Holzstruktur an der Decke nimmt die Außenseite die Materialthemen des Hauses vorweg.

Sie etabliert den Gedanken, aus der dunklen Gebirgshöhle hinauf ins Lebendige und zum Licht zu streben.

Moment des Eintreffens

Zum starken visuellen Eindruck trägt die Zentrierung des Raums bei, die den Moment des Eintreffens inszeniert. Spätestens in der Rezeption stellt sich ein Gefühl des Angekommen-Seins ein. Hervorgerufen wird es unter anderem durch bequeme Sitzmöbel in Naturtönen und helle Holzoberflächen. Die dezente Beleuchtung in weichen Linien, sei es indirekt oder mit weich geschwungenen Objektleuchten, rückt den Wunsch nach Tageslicht in den Hintergrund.

Blockhütten-Hygge

Gemütlichkeit, hygge, cosiness – wie auch immer man es nennen mag – zieht sich durch das gesamte Haus. Alles soll sich – so das Ziel von AW² Architecture & Interiors – ein wenig so anfühlen, als käme man geradewegs aus der Kälte ins Sichere und Warme.

Stark gemaserte Holztäfelungen, raue Oberflächenstrukturen, warme Farben und gewölkte Anstriche leisten einer gewissen Hüttenanmutung Vorschub. Reichlich Licht, ungewöhnliche Formen und Materialkombinationen führen dazu, dass das Interieur anregend bleibt. Dazu tragen vor allem die Oberflächen in grauer Natursteinoptik bei, die einen starken Kontrast bewirken und das Bewusstsein darüber wachhalten, dass man sich in einer steinernen Hochgebirgswelt in und auf hartem Felsen befindet.

Thema „Stein“

Im gesamten Gebäude wurden ungefähr 14 000 m² Feinsteinboden- und Wandfliesen verlegt, deren Oberflächen den eleganten Valser Quarzit mit geradezu übertriebener Perfektion nachahmen. Die Steinplattenschichtung des Empfangs- und des Bartresens lässt an Peter Zumthors Felsentherme denken.

In den beiden Restaurants brechen rote Vorhänge, purpurfarbene und rote Polsterbezüge sowie Pflanzkübel die erdige Farbpalette ins Freudvoll-Lebendige auf. Mit geschwungenen, dennoch klare Linien und einzelne Details wie eine Regalbekleidung aus Riffelglas setzten die Planer von AW² Architecture & Interiors urbanen Chic gegen die oftmals schweren Holzoberflächen.

Private Höhle

Die Suiten vermitteln ebenfalls Geborgenheit. Auch hier stand das Bild einer gleichermaßen naturnahen wie schützenden Berghütte Pate, auf das die stark gemaserten Massivholztäfelungen und Schiebetüren zurückgehen. Allerdings kommt mit dem steinfarbenen Wandputz und der grauen Steinauskleidung der Badezimmer etwas Höhlenhaftes, zugleich Bergendes hinzu. Denn die Räume wirken wie in den Fels eingeschnitten, was wiederum den Bezug zum Gebirge ringsum spüren lässt.

Indirekte Grundbeleuchtung streicht weich über die naturtonigen Oberflächen und beruhigt die Sinne. Diese haben genug mit dem Landschaftspanorama zu tun. Es dringt durch raumbreite und nahezu raumhohe Verglasungen von der Loggia her ins Zimmer hinein.

Durchgängige Haltung

Dass sie solche Effekte hervorrufen, erfreut die  Verantwortlichen von AW² Architecture & Interiors noch heute. Für sie sind diese ein gelungenes Beispiel dafür, dass sie ihre Vorstellungen einer Verbindung zwischen Gast, Kontext und der umgebenden Natur so durchgängig umsetzen konnten. Das betrifft nicht nur die eigenständige Gestaltung der Räume, sondern auch die der Möbel, der Beleuchtung und selbst einiger Accessoires.

Loslassen als Ziel

Völlige Ruhe findet man im Spa-Bereich, mitten im Herzen des Gebäudes. Sanft gewundene Flure mit leicht schräg gestellten Wänden erinnern an Bergwerksstollen.

In den Behandlungsräumen postulieren fein gemaserte Holzoberflächen, die gewohnt weiche, indirekte Lichtführung und eine kontrastarme Farbgebung in Naturtönen auf sanfte Weise das Loslassen als Ziel.

Die Fenster gehen auf einen tief eingesenkten Innenhof hinaus, der, mit einheimischen Pflanzen und Gehölzen bestückt, als Alpengarten definiert ist.

Wenige Meter entfernt lockt die Schwimmhalle als „Destination innerhalb der Destination“, wie  die Planer von AW² Architecture & Interiors betonen. Unter Verwendung desselben Materialkanons erzählt sie nochmals ihre eigene Geschichte von der Höhle. In der Halle verwandeln einzelne Downlights und das von den Birken auf der Terrasse her hereinblinkende Sonnenlicht 15 000 Holzlatten über dem steinernen Becken in eine flirrende Stalaktitenwolke.

Verbindung von innen und außen

Der durchgehende Steinfliesenbelag verbindet die Innen- und Außenbereiche zu einer Einheit. Das Spiel mit Stufen und in den Boden eingesenkten Partien zoniert die obere Ostterrasse. Von einzelnen Sitzgruppen mit weichen Polstern und Kissen um Feuerstellen herum nimmt man die nahen Wälder in den Blick. Ebenso ist die nach Südwesten gerichtete Sonnenterrasse gestaltet. Sie prunkt mit dem gesamten Gebirgspanorama und dem Angebot, dieses im Sonnenuntergang zu erleben.

Gutes Gewissen

Die nachhaltigen Gedanken, die im Projekt stecken, verkörpern die regional gewonnenen Naturmaterialien Quarzit, Schiefer, Lärche und Eiche. Sie finden sich in den traditionellen, lokalen Bauten. Wandverkleidungen aus gebürsteter, ornamental strukturierter Bronze verweisen auf Muster althergebrachter Walliser Stickerei. Somit bringen sie den Gast auf subtile Weise in Kontakt mit den örtlichen Eigenheiten und Gebräuchen.

Abgesehen davon fordert die Marke „Six Senses Hotels Resorts Spas” für jedes ihrer Häuser einen Anteil erneuerbarer Energien von 50 %. Der Strom kommt aus dem lokalen Netz, das vorwiegend auf Wasserkraft setzt. Holzpellets erzeugen Wärme.

Materialien aus der Region

In das Heizsystem zurückgespeist wird die Abwärme der Kühlsysteme, Pools und Küchen. Die Beleuchtung erfolgt ausschließlich über LEDs.

Alle Materialien mussten nach Möglichkeit aus der Gegend stammen und auf Gefahrstoffe hin überprüft sein. Kunststoff wurde weitgehend vermieden, Leder mit natürlichen Stoffen gegerbt. Textilien bestehen zu 100 % aus Baumwolle, Teppiche aus Wolle.

So durchdringt die Verbindung mit dem örtlichen Kontext und seinen spezifischen Bedingungen das gesamte Projekt – von der großen gestalterischen Leitfigur bis hin zum technischen Detail. Das war der Anspruch des Bauherrn und von AW² Architecture & Interiors.


Porträt: Mikael Bénard

AW² Architecture & Interiors

ist ein Architektur- und Innenarchitekturbüro in Paris unter Leitung von Reda Amalou und Stéphanie Ledoux. Möbelentwürfe und Stadtplanung zählen auch zum Portfolio.


Fakten

Projekt: Resort Six Senses
Standort: Route des Télépheriques 60, 3963 Crans-Montana, Schweiz

Bauherr: CM Resort SA (Auftraggeber), 1875 Finance SA (Beauftragter des Auftraggebers), Edifea (Generalplaner)
Architektur und Innenarchitektur: AW² Architecture & Interiors, Paris
Fertigstellung: Februar 2023
Grundstücksgröße: 28 000 m²
Lichtplanung: Cooks&Ass.
Akustikplanung und -ausführung: CSD Ingenieurs
Materialien: Stein- und Holzwände, Deckenskulpturen des Indoor-Swimmingpools aus Holz, Quarzit, Lärche, Eiche, Schieferdach, Bartheke aus Valser Stein, Dielenboden von Fendt Holzgestaltung
Ausstattung (Auswahl): Möbeldesign von AW² & Reda Amalou Design, dekorative Leuchten von Maison Gau, Teppich von Toutlemonde Bochart nach einem Entwurf von Reda Amalou Design, Flurteppichböden von Stepevi nach einem Entwurf von Design AW², Teppiche von Jab Anstoetz, Vorhänge von Lenglart, Barhocker von Alki, Esszimmerstühle von Muuto, Sessel von &Tradition, Textilien für Vorhänge und Sitznische im Einbaumöbel von Kvadrat und für Kindersitznische von Rohi, Einbauspots von LTS, Pendelleuchten von Vibia und Foscarini, Arbeitsleuchten von Wästberg, Wandfarben und Lackoberflächen von RAL und Sikkens, Spülarmaturen von Quooker, Spülbecken von Blanco, Einbaugeräte von Miele, Schalterprogramm von Jung, Möbelbeschläge von Blum und Häfele


Hier geht’s zu einem Hotel in Japan

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