Der achtgeschossige Bestandsbau des Landratsamts aus dem Jahr 1966 stellte in seinem gestalterischen, technischen und energetischen Standard kein zeitgemäßes Bürogebäude mehr dar. Anstelle eines Abbruchs entschied man sich für eine umfassende Sanierung, also eine nachhaltige und ressourcenschonende Lösung. Die Anforderung an die Gebäudeplanung der Kister Scheithauer Gross Architekten und Stadtplaner GmbH sowie Gaus Architekten: Der Verwaltungsbetrieb muss weiterlaufen können. Die Abwicklung erfolgte innerhalb des vorgegebenen Kosten- und Zeitrahmens.
Sanierung im laufenden Verwaltungsbetrieb
Eine besondere Herausforderung für die Baustelle stellte der laufende Betrieb dar, denn die Verwaltung nutzte das Gebäude auch während der Sanierungsarbeiten weiterhin. Gaus Architekten teilten daher die Arbeiten auf insgesamt 7930 m² Bruttogeschossfläche in zwei Bauabschnitte auf: Der erste Bauabschnitt fasste die oberen fünf Geschosse zusammen, im zweiten Schritt folgten das Erdgeschoss bis zum dritten Obergeschoss.
Während der zwei Jahre andauernden Bauarbeiten erhielt das Bürogebäude eine ganzheitliche Transformation – stets mit den Nutzern im Fokus. Unter Beteiligung des Landrats und seiner Verwaltung entstand innerhalb von Kosten- und Zeitrahmen eine offene Bürolandschaft. Ein Fazit: die Räume weisen bessere Qualitäten auf und bieten neue Möglichkeiten für Arbeit und Gemeinschaft.
Gestaltung von Arbeit und Leben im Landratsamt
Bei der Entwicklung einer zeitgemäßen Arbeitsumgebung stellten die Architekten den Menschen in den Mittelpunkt. Ausgehend vom Arbeitsalltag der angestellten Beamten und Beamtinnen kreierten sie Flächen, in denen Arbeit Raum findet. Auch Begegnung und Zwischenmenschlichkeit unterstützen Gaus Architekten mit der neuen Flächenaufteilung. Neben Einzel-, Doppel- und Gruppenbüros sowie unterschiedlichen und flexiblen Besprechungsräumen erhält jedes Stockwerk ein eigenes Herz. Die neu geschaffenen Gemeinschaftszonen um den offenen Aufenthalts- und Küchenbereich sind Treffpunkt, Ruhebereich und Wegekreuzung in einem.
Architektur schafft Identität
Die Innenarchitektur will konsequent den Charakter des Landkreises und seine Identität widerspiegeln. Beispielsweise greift das Teppichmuster mit den wiederkehrenden Themen Kachelung und Farbe Grün das Corporate Design auf. Das gesamte Farbkonzept richtet sich in Materialität, Signalethik und Möblierung nach diesen Themen aus. Drucksachen, Online-Auftritte und Raumgestaltung sollen zu einem ganzheitlichen, identitätsschaffenden Bild verschmelzen.
Begegnung zwischen Kunden und Mitarbeitern
Die Räume des Landratsamts sind nicht nur Umgebung für die Angestellten. Im Arbeitsalltag herrscht ein reger Kundenverkehr. Kunden besuchen täglich die einzelnen Ämter in den Obergeschossen und bewegen sich innerhalb der Büroräume fort. Die neue Innenraumgestaltung fasst diese Begegnung zwischen der Kundschaft und den Beamten ein.
Gaus Architekten setzten ein neues visuelles Orientierungs- und Leitsystem um, das mit einer barrierefreien Beschilderung und großformatigen Inschriften an den Wänden den Weg weist. In jedem Stockwerk erhalten Kunden niederschwellige Angebote für ihre Wartezeit und ihren Aufenthalt. Wandaufbauten fassen Zeitschriftenregale, Sitzgelegenheiten sowie bedarfsweise Tische.
Bauen im Bestand: nachhaltige Neuschaffung
Die Neugestaltung des Landratsamts ist eine vollständige Transformation, die im Vergleich zum vorherigen Bestand gänzlich neue Bedingungen schafft. Aus einem pragmatisch reduzierten und eindimensional gestalteten Amtsgebäude wurde ein neuer, offener Ort der Begegnung und Gemeinschaft. Das Projekt zeigt einen nachhaltigen Umgang mit vorhandener Bausubstanz. Die Planer schonten wertvolle Ressourcen und verwendeten bestehende weiter. Dabei gelang eine Symbiose aus Nachhaltigkeit, Funktion und Gestaltung.
Erneuerte Technik und Bauphysik
Gaus Architekten ließen das Gebäude bis auf den Rohbau zurückbauen, um die Innenräume grundlegend zu erneuern. Nach der Beseitigung von Schadstoffen und einer Bestandsaufnahme der vorhandenen Bausubstanz erfolgten Maßnahmen zur energetischen Sanierung der Fassade, zur Verbesserung des Schallschutzes sowie der Haustechnik. Die Architekten ließen eine ganzheitliche Brandmeldeanlage umsetzen. In Abstimmung mit der Brandschutzbehörde geschah die Ermittlung von Brandschutzmaßnahmen, die einen maximal geringen Eingriff in den Bestand möglich machten.
Fakten
Projekt: Sanierung Landratsamt Göppingen
Standort: Lorcher Str. 6, 73033 Göppingen
Fertigstellung: 2022
Bauherr: Landkreis Göppingen
Gebäudeplanung: Kister Scheithauer Gross KSG Architekten und Stadtplaner GmbH, Webseite der Architekten; Gaus Architekten, Webseite der Architekten
Projektsteuerung: Drees und Sommer Stuttgart GmbH, www.dreso.com
Fotos: Oliver Rieger