Wer die Johanna-Eck-Schule in Berlin-Tempelhof besucht, wird feststellen, dass diese Bildungseinrichtung tatsächlich so ist, wie man sich Berliner Schulen gemeinhin vorstellt: eine Schülerschaft, die sich aus Einheimischen und Migranten aus aller Herren Länder zusammensetzt und darüber hinaus für ihre gute Integrationsarbeit bekannt ist. Der Unterricht der Jahrgänge 7 bis 10 findet zum Teil noch in wilhelminischen Gebäuden statt, was zur Folge hat, dass die Klassen- und Pausenräume zu klein oder schlicht unzureichend ausgestattet sind.
Was lange währt
Fast fünf Jahre warteten Schüler und Lehrer der Johanna-Eck-Schule auf ihren neuen Multifunktionspavillon, entworfen und geplant vom Berliner Architekturbüro Kersten Kopp Architekten. Fünf Jahre Bauzeit sind für ein eingeschossiges Schulgebäude eine lange Zeit; tatsächlich hatte man mit Handwerkern zu kämpfen, die der gestellten Aufgabe nicht gewachsen waren, schlichtweg keine Zeit hatten oder denen aufgrund der seit Jahren anhaltenden vielfältigen Krisen das Baumaterial ausging.
Gute Architektur zu liefern, ist schon in „normalen“ Zeiten eine anspruchsvolle Aufgabe, aber in Krisenzeiten kann auch das Handwerk nicht mehr im gewohnten Zeitrahmen Materialqualität liefern. Trotz der genannten Probleme und der wider Erwarten langen Bauzeit haben Kersten Kopp Architekten ein Gebäude fertiggestellt, das von Schülern und Lehrern als gelandetes Raumschiff verklärt wird.
Die Innenarchitektur ergibt sich aus den geplanten Erweiterungen auf dem Schulgelände, deren neues Zentrum eben dieser Pavillon sein wird. Geschickt gesetzte Ein- und Ausbuchtungen, wie die Architekten sie nennen, gliedern den Neubau.
Leitmotiv Farbe
Die Architekten machten die Farben Grau und Gelb zu selbstbewussten, miteinander kontrastierenden Hauptdarstellern in diesem Neubau. Die Cafeteria fungiert als zentraler Treffpunkt und Kommunikationsraum. Zwei leuchtend gelbe Servicebereiche mit ihren passgenauen Einbaumöbeln gliedern den fließenden Innenraum.
Pivottüren unterteilen diesen. Sie sind frei beweglich und ermöglichen einen ungehinderten Blick durch das Gebäude, und können bei Bedarf als Drehwände den Innenraum in einzelne Räume unterteilen. Dieser stützenfreie, großzügige Raum war nur möglich, weil das Flachdach des Pavillons als Stahlbetonhohldecke ausgeführt wurde. Diese Deckenkonstruktion weist eine hohe Tragfähigkeit auf und ermöglicht somit große Spannweiten ohne eine störende Stützenkonstruktionen.
Die Architekten, so erklärte Andreas Kopp, wollten den Schülern als bewussten Kontrast zur wilhelminischen Enge der Bestandsgebäude große, fließende Räume bieten. Es ist davon auszugehen, dass die neue Architektur positive Erlebnisse für die sich (fast) erwachsen fühlende Schülerschaft ermöglicht, die das Haus pfleglich behandeln dürfte.
Robuste Oberflächen
Von Seiten des Schulträgers wurde natürlich ein Höchstmaß an Robustheit der Innenarchitektur gefordert, schließlich wollen sich pubertierende Schüler in der Regel nicht nur mit der Lehrerschaft messen, sondern testen eben auch sehr gerne die Materialeigenschaften bis weit über die Belastungsgrenzen hinaus.
Sichtbeton ist eine sehr robuste Oberfläche, die aber kreativen Kritzeleien mit Bleistift oder Filzstift wenig entgegenzusetzen hat. Und auch das leuchtende Gelb verdeckt nicht die unerwünschten Aufkleber oder Kratzer der Schüler, sondern bringt sie „gut“ zur Geltung. Vom Bauherren wurde das Gestaltungskonzept positiv begleitet und unterstützt.
Und wenn man sich die Fotos zu diesem Projekt genauer anschaut, stellt man fest, dass die Schüler barfuß beziehungsweise in Socken durch das Haus laufen und sorgsam mit ihrem neuen „Raumschiff“ umgehen.
Kunst am Bau
Die Sichtbetonwände ergänzen die graue Akustikdecke und den vergüteten Fließestrich des Bodens, der mit einem Acryllack versiegelt wurde, damit er keine Flecken aufnimmt und leicht zu reinigen ist. Kersten Kopp Architekten wollten nach eigenen Angaben einen maximalen Kontrast zum signalgelben Servicebereich erzeugen.
Zwei Künstlerinnen entwickelten gemeinsam mit Schülern und Lehrern die obligatorische „Kunst am Bau“. An den Wänden der Innenräume hängen abstrahierte „Landkarten“ in ebenso abstrakten Farbmustern, inspiriert von den Nationalflaggen der Herkunftsländer der Schüler und Lehrer.
Die aus dem Grundkubus auskragenden Einzelräume bieten großzügige Ausblicke in den Außenraum beziehungsweise zu den bereits geplanten, zukünftigen Ergänzungsbauten der Johanna-Eck-Schule. Liegend angeordnete Fensterelemente mit Hebeschiebetüren schaffen Durchgänge zum Außenraum. Die Fensterelemente schließen bündig mit der Vorhangfassade aus Edelstahlrauten ab.
Auch bei der Fassade wurde auf eine langlebige und robuste Materialwahl geachtet. Der Edelstahl der Fassade erwies sich als Baustoff, der nicht teurer war als alternativ diskutierte Materialvorschläge. Zudem harmoniert die matte Oberfläche des Edelstahls gut mit dem Sichtbeton im Gebäudeinneren.
Die Erwartungen an den neuen multifunktionalen Pavillon von Kersten Kopp Architekten sind hoch. Er wird als Geschenk an die Schüler verstanden, die sich zuvor mit unzureichenden und beengten Räumlichkeiten begnügen mussten. Eine Schule, die für gute Integrationsarbeit steht, kann es sich auch leisten, neue Ideen auszuprobieren.
So steht der Neubau auch der Nachbarschaft offen, die sich eingeladen fühlen soll, das Haus zur Begegnung mit den Jugendlichen zu nutzen. Ob das funktioniert und angenommen wird, das muss die Zukunft zeigen.
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Minka Kersten und Andreas Kopp
zeichnen sich durch kreatives und teamorientiertes Arbeiten in den Bereichen Bildungs- und Wissenschaftsbauten, öffentliche Bauten sowie Holz- und Systembau aus. Sie verfolgen intelligente konstruktive Lösungen und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen.
Fakten
Projekt: Johanna-Eck-Schule
Standort: Ringstraße 103–106, 12105 Berlin
Bauherr: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin, Schul- und Sportamt
Bauaufgabe: Pavillon
Architektur: Kersten Kopp Architekten GmbH
Fertigstellung: 2023
Geschosse: 1
Bruttogeschossfläche: 757 m²
Materialien (Decke, Wand Boden): Aluminiumfassade und Hebe-Schiebe-Elemente von Schüco, Sonnenschutzverglasung von Semco Glas, Isolierglas von Okasolar, Holzwolleakustikplatte ‚Heradesign Superfine‘ von Knauf, Fliesen ‚Pro Architektura‘ von Villeroy & Boch
Ausstattung: Pivot-Drehtüren als Tischleranfertigungen, Stuhl ‚Twin‘ und Tisch ‚4 last‘ von Brunner, Sonnenschutzvorhang ‚Shelter‘ von Création Baumann