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Küche als Glanzpunkt des Altbaus

Umbau von Raúl Sánchez Architects in Barcelona
Glanzpunkt des Altbaus

Der Architekt Raúl Sánchez hat ein nur 3,5 Meter breites, dafür hohes Wohnhaus im Altstadtviertel El Born kernsaniert. Betritt man das Gebäude, steht man gleich in der Küche. Die Materialwahl unterstreicht, dass sie der wichtigste Raum ist.

Autor Thomas Geuder

Dichte Bebauung und enge Gassen prägen das Altstadtviertel El Born in Barcelona. Dort hat ein privater Bauherr jüngst sein nur rund 3,5 m breites und 6 m tiefes Gebäude sanieren lassen, um auf vier Stockwerken plus Dachterrasse einen Ort zum Arbeiten und Wohnen zu schaffen. Pro Stockwerk standen nur 20 m² zur Verfügung, auf denen außerdem das Treppenhaus unterzubringen war.

Gestapelte Wohnung

Wegen der strengen räumlichen Konfiguration unterteilte Architekt Raúl Sánchez das Wohnen selbst in vier Bereiche. Die Stapelung übereinander verlangte danach, eine Hierarchisierung, also eine Nutzungsreihenfolge, vorzunehmen. Sánchez hat deshalb im Erdgeschoss, gewissermaßen dem Foyer, die Küche angeordnet, die damit auch der größte Raum im Haus ist. Der Boden weist ein grafisches, regional typisches Mosaik auf. Der Architekt wiederholt so das Muster der sich über die gesamte Hausbreite erstreckenden Eingangstür aus Edelstahl.

Für die Kücheneinbauten hatten der Planer und der Bauherr Materialien gewählt, die sich stark von der Ursprünglichkeit und Rohheit der Wände abheben: Den ersten Eindruck prägen matt spiegelnde Messingoberflächen und eine Arbeitsplatte aus weißem Marmor. Die Armatur und der gesamte Arbeitsbereich sind ebenfalls schlicht weiß.

So wie in in vielen südlichen Ländern ist auch diese Küche das soziale Zentrum einer Wohnung. Sie fungiert zudem als eine Art halböffentlicher, zum Straßenraum hin erweiterbarer Treffpunkt – als soziale Schnittstelle zwischen außen und privatem Bereich. Über der Küchenzeile lugen sieben Vertikalrohre aus Edelstahl hervor, die durch das gesamte Gebäude bis hin zum Dach stoßen. Sie nehmen sämtliche Installationsleitungen für Strom, Lüftung, Sanitär, Klima und Telekommunikation auf, wobei eines der Rohre für künftige Bedarfe frei bleibt. Auch alle anderen Leitungen sind sichtbar installiert, wodurch die Rauheit und Ursprünglichkeit des Mauerwerks zusätzlich hervortritt.

Eine weiße Wendeltreppe erschließt alle Geschosse. Sie windet sich freistehend und skulptural durch das gesamte Gebäude, ohne jemals die Wände zu berühren. Dafür bietet sie immer wieder neue Einblicke. Steigt man sie von der Küche aus kommend hinauf, gelangt man in das ebenfalls mit einem grafisch gemusterten Mosaikboden ausgelegte Wohnzimmer.

Im nächsten Stockwerk, dem zweiten Obergeschoss, befinden sich das Bad und der Ankleideraum. Die Etage ist dreischiffig gegliedert: Es gibt einen zentralen Flur mit Waschbecken. Steht man vor dem Becken, befindet sich die Toilette links hinter den Einbauschränken, die Dusche rechts davon. Gegenüber des Waschbeckens stehen weitere Einbauschränke. Eine Besonderheit: In die Dusche gelangt man nur, wenn man sich über die gläserne Fuge vor der Außenwand wagt. Darüber folgt das Schlafzimmer, das gleich groß wie das Wohnzimmer, jedoch mit einem Eichenparkettboden ausgestattet ist. Auch die Dachterrasse weist Holzdielen auf.

Maroder Bestand

Nur wenige Materialien bestimmen das Innere. Der steinerne Bestandsbau ist roh belassen, Details treten bewusst hervor. Vorwiegend weiße Elemente stehen dazu im Kontrast. Die golden schimmernde Küche strahlt beim Betreten des Innenraums Wärme aus.

Insgesamt acht Jahre lang hatte Architekt Raúl Sánchez an diesem Projekt gearbeitet und dabei viele schwierige Phasen erlebt. Er zählt die Gründe dafür auf: „Städtebauliche Probleme, Hausbesetzer, behördliche Unstimmigkeiten, Nutzungsänderungen und einige beharrliche Wünsche des Bauherrn machten die Baumaßnahme zu einer Herausforderung.“

Besonders ins Gewicht fiel aber der Zustand des viele Jahre leer stehenden Gebäudes. Das stark beschädigte Bauwerk mit engen und einsturzgefährdeten Treppen sowie maroder Substanz war eine Ruine. Hinzu kam, dass die Sanierung nur unter Einhaltung der geltenden Bauvorschriften erfolgen konnte. All das, sagt Sánchez, „machte eine Wiederverwendung der Innenräume praktisch von vorneherein unmöglich“. Also entschied man sich, das Gebäude komplett zu entkernen und nur die historische Fassade, die Seitenwände samt Rückwand sowie einen Teil des Dachs zu erhalten.

Altes sichtbar machen

Der langsame und komplexe Prozess ermöglichte es jedoch ebenso, während der Abbrucharbeiten das Wesen des Gebäudes kennenzulernen und dabei wichtige Entwurfsentscheidungen zu treffen. Raúl Sánchez erlebte seinen außergewöhnlichsten Augenblick, „als alle Stockwerke entfernt waren und das Gebäude wie ein schlankes, hohes Prisma aussah“.

Es zeigte sich in diesem Moment auch, wie heterogen die Wände aus Ziegeln und Steinen aller Art zusammengesetzt waren. Daraus erwuchs die Idee, sie gänzlich freizulegen und zu einem gravierenden Teil der Innenraumatmosphäre zu machen. Schließlich erzählen die mehr als 15 m hohen Mauern die lange Geschichte des Bauwerks. Sie offenbaren all die Spuren der Konstruktion mit ihren Bögen und Stützen, den Löchern in Balken und Stufen, der Nutzung mit Resten von Mörtel, Möbeln oder Verkleidungen und Einbauten. Die ganze Rohheit blieb sichtbar und bestimmt den Charakter des Gebäudes.

Neue Schichten

Gleichzeitig ging es darum, die baulichen Ergänzungen deutlich erkennbar zu zeigen: So sind die drei Geschossdecken ausschließlich zwischen den beiden Seitenwänden aufgelagert. Zur Hauptfassade halten die Decken einen deutlichen Abstand. Diesen überbrückt jeweils eine Glasscheibe pro Etage, was den Blick entlang der gesamten Innenseite freigibt.

Die Wendeltreppe im hinteren Bereich verbindet sich mit den Wohnplattformen, ohne Kontakt zu den Wänden. Dadurch entsteht ein Hohlraum, der die Stockwerke miteinander verknüpft und gleichzeitig die Dimension des schlanken, hohen Bauwerks hautnah erlebbar macht. Die Wendeltreppe endet auf einer großzügigen, geschützten Dachterrasse.

Der Denkmalschutz hatte die Wiederherstellung einer alten, zum Standort passenden Fassadenansicht verlangt. Davon weicht nur die Eingangstür aus Aluminiumplatten ab. Raúl Sánchez war es gelungen, die schwierigen Rahmenbedingungen durch den Denkmalschutz, den Bauherrn und durch das Bauwerk selbst in Einklang zu bringen. Er verlieh dem beengten Innenraum eine erstaunliche Großzügigkeit. Die Wohnung – von der Küche bis zum Schlafzimmer – ordnete er in sinnvoller Weise an und brachte die wesentlichen Funktionen unter. Sánchez erweckte die ehemalige Ruine zu neuem Leben.


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Raúl Sánchez

gründete sein Büro 2012 in Barcelona und beschäftigt heute fünf Angestellte. Seine Arbeitsgebiete erstrecken sich auf Architektur,  Innenarchitektur und Design.


Fakten

Projekt: BSP20 House
Standort: Basses de Sant Pere 3, Barcelona, Spanien

Bauaufgabe: Sanierung eines Wohngebäudes
Bauherr: Tilman Reinshagen
Architekt: Raúl Sánchez Architects, Barcelona, Spanien, Webseite des Büros
Fertigstellung: Dezember 2021
Gesamtfläche: 83 m²
Geschossfläche: 20 m²
Anzahl Geschosse: 4
Ausstattung: Wände aus freiliegenden Ziegelsteinen, lackierte Holzdecken, hydraulische Fliesen, Mikrozement- und Eichenholzböden, Sanitärelemente von Duravit, Iconico und Roca, Beleuchtung von Gibas

Zum Artikel „Umbau einer Bauruine von Büro Voigt in Tellerhäuser“

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