Bis Mitte der Neunzigerjahre war das Münchner Werksviertel Sitz von großen Industriebetrieben. Nachdem die Wirtschaft das 39 ha große Gelände praktisch aufgegeben hatte, wurde es ab 2016 neu entwickelt. Die Stadt München nutzte die Gelegenheit, gute Architektur zu etablieren.
Werk 12: Ein Haus mit Wow
So errichteten Steidle Architekten die Medienbrücke, Hild und K das sogenannte Werk 17 und das niederländische Architekturbüro MVRDV sowie Nuyken von Oefele mit dem Werk 12 ein sehr auffälliges Haus, mit dem wir uns hier inhaltlich auseinandersetzen.
MVRDV bauen spektakulär und natürlich ist auch Werk 12 nicht irgendein Gebäude mit Lochfassade. „WOW“, „AAHHH“ und „HMPF“ schreit uns das Haus in Großbuchstaben entgegen. Die hoch transparente Fassade lädt – nicht nur bei Dunkelheit – dazu ein, das Haus von außen bis in die intimsten Eingeweide zu erkunden.
Keine kulissenhafte Wohnlichkeit
Welche Exhibitionisten haben sich mit „John’s Penthouse“ eine Wohnung in diesen Glaskasten einbauen lassen? Das von allen Seiten einsehbare, zweigeschossige Loft der Münchner Architekten Allmann Wappner befindet sich im fünften und sechsten Obergeschoss des „Werk 12“, direkt über einer Eventfläche, die von der AAHHH GmbH betrieben wird. Will man so wirklich wohnen?
Offensichtlich, denn der Betreiber der „Kneipe“ ist der Loft-Bauherr. Hier weiß folglich jemand genau was er tut. Eine solche Wohnung frei zu halten von bürgerlichem Nippes und auf all die kulissenhafte Wohnlichkeit zu verzichten, die unsere Gesellschaft mehrheitlich definiert, ist eine Kulturleistung.
Allmann Wappner gehen neue Wege
Für die Architekten bestand die Herausforderung nach eigener Aussage darin, ein 5,50 Meter hohes Geschoss in einem architektonisch einzigartigen Gebäude angemessen weiter zu gestalten. Sie fanden zu dem Ansatz, den Rohbau mit „ehrlichen“ und zum industriellen Charakter des Werksviertel passenden Materialien zu veredeln. Die Möbel und Objekte für das Penthouse wurden dann einerseits darauf abgestimmt, aber auch der eine oder andere Kontrast gesucht.
Entstanden ist in einem außergewöhnlichen Gebäude eine mindestens genauso außergewöhnliche Wohnung. Sowohl das Haus wie auch das Loft setzen die industrielle Vorgeschichte des Werksviertels fort.
Gut nutzbare Raumeinheiten
Die Haustechnik wird nicht kaschiert, sondern ist Ausdruck eines Architekturgedankens, der ein flexibel bespielbares Penthouse für wechselnde Events und Aktivitäten entwickeln will. Boden, Wand und Decke nehmen sich in Farbe und Material zurück und bilden den Hintergrund für Akteure und Requisiten.
Der veredelte Rohbau wurde konsequent weitergedacht, Halbzeuge und Materialien geschickt mit den nach wie vor sichtbaren strukturellen Komponenten des Rohbaus kombiniert. Den finalen Akzent setzen wertige Möbel und weitere raumbildende Accessoires. Besonders betonen die Architekten die Qualitäten der besonderen Raumsequenzen mit einer allseitig großartigen Aussicht über die Stadt München.
Auch durch die wunderbar nutzbare und weitläufige Dachterrasse boten sich in beiden Ebenen gut nutzbare Raumeinheiten, die in einer Abwägung von öffentlich zu privat für die gewünschten Funktionsbereiche bestens geeignet waren. Ziel war es, einen Ort zu kreieren, an dem Menschen gerne zusammenkommen und eine gute Zeit miteinander verbringen können, einen Raum für Spektakel und kulturelle Aktivitäten wie Kunstausstellungen, kulinarische Events oder Präsentationen entstehen zu lassen – und gleichzeitig sollte man im Penthouse natürlich auch wohnen und leben können.
Kochen als Inszenierung
Ein Beispiel: Die Küche ist nicht nur Zubereitungsort für das, was man kulinarisch täglich zu sich nehmen möchte, sondern ein Raum für die gepflegte Inszenierung. Der Küchenblock selbst fußt auf einem eigenen Podest, ist somit Arbeitsfläche und Bar zugleich. Von einem Raum im klassischen Sinne kann man nicht sprechen. Hier ist mehr eine Zone definiert, die frei von jeder Möblierung ist, die den freien Ausblick über München verstellen könnte.
Von der Küche begleitet eine ausgreifende Akustikwand die Gäste in den Salon. Die akustische Maßnahme hat die Aufgabe, Reflektionen von den schallharten Betonwänden und Verglasungen zu verhindern und dem Raumkontinuum eine befriedigende Akustik zu verleihen. Die Möblierung ist zurückhaltend und lässt viel freien Raum entstehen. Diese Räume mit ihrem industriellen Charme zu bewohnen, erfordert Mut.
Weitere Wohnbauten mit Flair
Webseite der Architekten
Carolin Krebber, Ludwig Wappner, Emanuel Schöbe
waren die Projektverantwortlichen bei Allmann Wappner, einem international tätigen Büro mit Sitz in München. Über 130 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Nationen arbeiten in Projektteams, deren Zusammensetzung auf die jeweilige Planungsaufgabe hin ausgerichtet ist. Im Bild links der Bauherr.
Fakten
Standort: Werk 12, Speicherstraße 20, 81671 München
Bauherr: Dachwerk 12 GmbH, Konstantin Irnsperger, Markus Sutor, Melis Oezcakir
Bauaufgabe: Innenausbau
Architektur: Allmann Wappner
Fertigstellung: Dezember 2021
Geschosse: 2
Nutz-/Wohnfläche: 620 m²