Den nördlich der Innenstadt gelegenen Aarhuser Stadtteil Risskov prägen meist kleinere Häuser mit Gärten, aber auch größere Bauten wie die 1917 errichtete Villa Holmen. Die beiden passionierten Architekturliebhaber Trine Marie Sand und ihr Mann Martin hatten das Gebäude 2019 gekauft und seitdem aufwendig saniert und renoviert. Damit verband das Paar die Intention, den Ansprüchen einer vierköpfigen Familie gerecht zu werden. Deshalb sollte die Villa hell, offen, qualitätvoll, in gewisser Weise zeitlos, aber auch natürlich und wohnlich gestaltet sein. Ein wichtigen Beitrag dazu leistet Kernholz.
Der erste Schritt der baulichen Maßnahmen bestand darin, das Gebäude innen zunächst gänzlich von allen Einbauten zu befreien, um für die umfangreiche Neugestaltung Raum zu schaffen. Der Grundriss blieb – bis auf wenige bauliche Eingriffe – erhalten. Zum einen sollte die Statik des historischen Bauwerks nicht beeinträchtigt werden, zum anderen die Grundstruktur des Gebäudes als herrschaftliche Villa erhalten bleiben.
Lichtdurchflutete Küche
Die Küche nimmt im Raumgefüge der Villa Holmen einen besonderen Platz ein. Der Raum ist durch die vielen Fensterflächen lichtdurchflutet und strahlt eine angenehme Offenheit aus. Dazu trägt auch die Decke in Satteldachform bei, die entlang des Firsts mit Oberlichtern versehen ist.
An der Stirnseite öffnet sich der Raum zum Garten. Ein großes Fenster an der Längsseite mit einer gemütlichen Sitznische lässt ebenfalls viel Licht herein, wodurch ein intensiver Bezug zwischen Innen- und Außenraum entsteht. Über der Küchenzeile hat das Bauherrenpaar drei kleine Fenster direkt unter der Kante zum Dach anbringen lassen, um eine zusätzliche Lichtquelle zu gewinnen. Die hölzernen Balken der Dachkonstruktion prägen den Gesamteindruck und rhythmisieren den Raum. Demgegenüber bildet der Fußboden aus kräftigem, dunklem Lavastein eine feste Basis. Er ruft ein ruhiges Raumgefühl hervor.
Blenden und Dielen aus Eiche
Die reduzierte Formensprache im Haus setzt sich in der Gestaltung der L-förmigen Küchenzeile fort. Wie der Boden in anderen Zimmern besteht sie hauptsächlich – demnach auch an den Schrankblenden – aus Eichenholz. Genauer gesagt aus einem speziellen Kernholz aus 150 bis 200 Jahre alten Bäumen. Sie kennzeichnet eine dynamische Struktur aus Astlöchern und natürlichen Rissen. Die Risse sind mit kleinen Schmetterlingshölzern versehen, wodurch die Planke repariert und stabilisiert wird und einen natürlichen, gleichwohl individuellen Ausdruck erhält.
Im Finish ist das Kernholz lediglich mit Naturöl behandelt, sodass es eine warme, fast goldene Färbung erhält. Zurückhaltende, zugleich sehenswerte Details finden sich ebenso in der Gestaltung des Waschbeckens und bei den zurückhaltend gestalteten Messingarmaturen, die im Lauf der Zeit Patina entwickeln. Das Spiel mit den Materialien zieht sich also durch. Die beiden Hochschränke, die den Durchgang zum nächsten Raum rahmen, sind mit Linoleum verkleidet und bieten mit ihrem zurückhaltenden Design Platz für einen Backofen, einen Kühlschrank und weiteren Stauraum. Als Interaktionszentrum für die vier Bewohner dient ein runder Tisch mit vier Stühlen, die allesamt ebenfalls aus geölter Eiche bestehen.
Kernholz aus europäischen Wäldern
Das Kernholz, das sowohl für die Böden als auch für die Küchenzeile verwendet wurde, stammt aus europäischen Wäldern, vornehmlich in Frankreich und Süddeutschland, die überdies eine nachhaltige Bewirtschaftung erfahren. Die Bretter werden aus den unteren fünf bis elf Metern geschnitten, wobei der natürliche Ausdruck möglichst gewahrt bleibt. Die Astlöcher und andere Schadstellen werden daher bearbeitet, also mit einem Astleim oder Schmelzkleber in einer dunklen Kontrastfarbe ausgebessert. Das verleiht dem Holz sein charakteristisches, individuelles Aussehen.
Ein gutes Beispiel dafür, dass das Bauherrenpaar bei der Neugestaltung der Räumlichkeiten besonderen Wert auf die Qualität der Materialien legte. Es hatte das Ziel verfolgt, ein möglichst elegantes, dennoch charakteristisches Ambiente zu schaffen.
Einen praktischen, zugleich neutralen Hintergrund für die Ausgestaltung der Wohnräume bilden die meist weiß oder hell gestrichenen Wände. Sie unterstreichen den lichten Charakter der großzügigen Räume. In diese zurückhaltende Farbgebung fügen sich die historischen Türrahmen und die zwar erneuerten, aber mit alten, einfachen Beschlägen versehenen Fenster ein.
Materialakzente
Die Verweise auf den Ursprung und das Baujahr des Hauses sollten also erhalten bleiben, gleichzeitig eine zeitgemäße Formen- und Farbsprache Einzug halten. Das zeigt sich etwa am Bodenbelag in den Fluren sowie in der Gästetoilette, der aus handwerklich gefertigten, inhomogenen Fliesen besteht, die wie ein Fischgrätparkett verlegt sind. Auch die tragenden Holzbalken der Decken lugen in einzelnen Räumen immer wieder hervor.
Eine starke Rolle bei der Gestaltung der Innenräume sollte die Haptik der Materialien sowie eine sanfte, harmonisierende, gleichwohl kräftige Farbpalette spielen. Parkettböden und einige Einbauten aus Eichenholz sorgen für eine warme, wohltuende Atmosphäre. Dazu im Kontrast stehen zum Beispiel die dunklen Wände im Schlafzimmer und die dunkelblauen, fast schwarz anmutenden Fliesen im Badezimmer, die obendrein weiße Fugen aufweisen.
Das Spiel mit optisch und haptisch kontrastierenden Materialien, sowie die Ausgewogenheit zwischen historischer Bausubstanz und der innenarchitektonischen Übersetzung der Wohnbedürfnisse einer vierköpfigen Familie darf man als gelungen bezeichnen. Daran hat die Beschaffenheit der Küche einen großen Anteil.
Fakten
Projekt: Sanierung und Umbau einer 1917 errichteten Villa
Standort: Aarhus, Dänemark
Bauherren: Trine Marie Sand
Küchenmöbel und Materialien: Küche: Garde Hvalsøe aus Holzplanken ‚Heart Oak‘ von Dinesen
Boden: Holzdielen ‚Heart Oak‘ von Dinesen, handgearbeitete Wand- und Bodenfliesen aus Lavastein und Keramik von File Under Pop
Fotos: Birgitta Wolfgang