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Stählerner Rhythmus

Casa IPE, Wohnhaus in Santiago/Chile
Stählerner Rhythmus

Stahl hat große gestalterische Qualitäten, die viel zu selten für die Innenarchitektur genutzt werden. Wenn es der bauliche Brandschutz zulässt, kann man aus Stahl ein lichtes und leichtes Haus bauen. Das Casa IPE ist der Beweis.

Autor Rolf Mauer

Die Architekten Diego Aguilo und Rodrigo Pedraza logieren mit ihrem Büro im Zentrum der chilenischen Hauptstadt Santiago und brauchen über die Avenida Presidente Kennedy lediglich 30 Minuten Fahrzeit in Richtung Nordosten, bis sie südlich den Vorort El Arrayán erreicht haben. Die kleine Gemeinde liegt südlich des Naturschutzgebietes Santuario de La Naturaleza El Arrayán. Hier beginnt bereits das Andenvorland, der Ort ist bei Wanderern und Mountainbikern sehr beliebt. Das Gelände ist felsig, mit teils steilen Hängen und Wäldern.

Aguilo + Pedraza
Vor- und Rücksprünge rhythmisieren die Fassade. Foto: Roland Halbe

Heimisch ist hier die Lenga-Südbuche, eine Baumsorte, die nur in Südamerika zu finden ist. In El Arrayán ist man nahe an der Hauptstadt, aber doch wieder so weit weg, dass man sich in der freien Natur wähnen darf und tatsächlich auch einen wunderbaren Ausblick über die herrliche Landschaft hat. Im Casa IPE wohnt man im Grünen und ist doch bei Bedarf schnell in den kulturellen Zentren der chilenischen Hauptstadt.

Skulpturaler Ansatz

Hier bauten Aguilo + Pedraza ein zweigeschossiges Gebäude in die grünen Hügel, das eine enge Beziehung zur Natur aufbaut. Die Bauherren wünschten sich ein leichtes Haus, das gut in die bewaldete Umgebung passt und diese nur minimal verändert. In Chile gibt es starke Erdbeben, sodass herkömmliche Tragstrukturen oft viel schwerer ausgeführt werden, als es gestalterisch notwendig wäre. Gefragt war jedoch das Gegenteil von Massivität. Im Fall der Casa IPE blieb der erste Entwurfsvorschlag praktisch ohne Veränderung und die Planer erreichten bereits früh im Planungsprozess die gewünschte Leichtigkeit.

Aguilo + Pedraza
Sauber detailliert. Stahl und Holz in Eintracht verbunden. Foto: Roland Halbe

Inspirationen für ihre Bauten finden Aguilo + Pedraza in der Beschränkung auf wenige Materialien und ausgeprägte Formen. Für die Architekten ist die Vorstellung einer gebauten Skulptur eine faszinierende Art, sich dem Thema zu nähern.

In dieser Entwurfsphase beschäftigen sie sich noch nicht mit den funktionalen Forderungen des Bauherrn. Inspirationen finden sie bei bekannten Bildhauern wie Carl Andre, Donald Judd, Richard Long, Sol LeWitt und Jorge Oteiza; außerdem lassen sie sich von lokalen architektonischen Elementen inspirieren. Sie verwenden gerne Dächer mit riesigen, ausgedehnten Traufen, die ihre Wurzeln in den traditionellen „casas chilenas coloniales“ haben, einer Besonderheit der lokalen chilenischen Architektur des 19. Jahrhunderts.

Casa IPE: Holz und Stahl

Das Wohnhaus ist in zwei Etagen aufgeteilt. Man betritt die Casa IPE über einen kleinen Steg in das Obergeschoss. Dort befinden sich die öffentlichen Räume: Wohnzimmer, Küche, Esszimmer, ein Yogaraum und eine offene, aber überdachte Terrasse. Diese Ebene ist umfassend verglast, um einen Ausblick auf die nahe gelegenen Hügel und den Ort zu ermöglichen. Geschlossene Fassadenanteile findet man im Obergeschoss nur dort, wo auch der Hauptzugang des Gebäudes liegt. Die Geschoßhöhe beträgt hier großzügige 3,20 m. Die Schlafzimmer, Bäder und privateren Aufenthaltsräume befinden sich ein Geschss tiefer, hier begnügt man sich mit einer Geschosshöhe von „bescheidenen“ 2,80 m.

Casa IPE
Viel Glas und wenige Möbel. Die Kunst der Innenarchitektur liegt in der Beschränkung. Foto: Roland Halbe

Diego Aguilo und Rodrigo Pedraza verstehen Architektur als konstruktiven Akt. Ein früheres Projekt, die „Casa Dos Robles“ (Haus der zwei Eichen) wurde vollständig aus Holz gebaut, einem Material, das die Planer oft in ihren Projekten verwenden. In der Casa IPE wurde Stahl für das Tragwerk ausgewählt und der aufmerksame Leser erkennt natürlich den Zusammenhang zwischen dem Namen des Projektes und dem eingesetzten Baumaterial. Die Casa IPE ist aus 20 auf 20 cm dimensionierten IPE-Stützen und -Trägern gebaut. Das statisch überzeugende System mit seinen markanten diagonalen Aussteifungen bestimmt den Charakter des Gebäudes.

Konsequent reduziert

Die Architektur dieses Gebäudes ist somit eine formale Konsequenz einer möglichst ökonomischen Stahlkonstruktion. Aufgrund des hohen Anteils an verglasten Elementen ist diese äußere Tragstruktur auch gleichzeitig ein Element der Innenarchitektur, zumal es zwischen innen und außen keinen Materialwechsel gibt. Generell ist alle Möblierung und jede Ausrichtung der Sichtachsen aus dem Gebäude so angelegt, dass der Ausblick in die Landschaft gegeben ist.

Casa IPE
Die Küche steht frei im Raum und bietet viel Bewegungsspielraum. Foto: Roland Halbe

Nur im Untergeschoss wird der Ausblick in den Räumen beschränkt, die gemeinhin auch nicht eingesehen werden sollen. Neben Stahl und Glas an den Wänden sind die Flächen am Boden mit großformatigen Keramikfliesen belegt und die Decken und Wände mit dem Holz der südamerikanischen Lenga-Südbuche verkleidet.

Markant ist der Verzicht auf Möbel, die der Lagerung dienen. Regale und Schränke sucht man vergeblich. Es gibt in den öffentlichen Räumen nur Sitzmöbel und Tische. Allenfalls in der Küche und den Schlafräumen findet man wenige Schränke. Auffällig bleibt der große vollständig unmöblierte Raum auf der obersten Ebene. Die von der Decke hängenden Stoffbahnen sind keine bunte Kunstinstallation, sondern Sportgeräte für das Gruppen-Yoga.

Die Casa IPE ist ein schönes Beispiel, wie aus einem einfach erscheinenden Grundtragwerk eine skulpturale Wirkung entsteht. Auf eine ausdrucksvolle, raumbezogene Innenarchitektur hat man verzichtet. Die Casa IPE wirkt sowohl über ihre Aus- wie auch ihre Einblicke. Das sichtbare Tragwerk muss sich auch im Innenraum nicht verstecken. Aguilo + Pedraza deuten lokale Bautraditionen nur ganz leicht an, im Grunde ist dieses Haus in seiner Materialökonomie und seiner Ausstrahlung international.

Weitere Wohnbauten


ArchitekturbüroAguilo + Pedraza arquitectos

Gegründet 2002 in Santiago/Chile. Mitarbeiter: sechs. Arbeitsgebiete: Wohnhäuser, Bildungsgebäude, Museen, Büros

www.aguilopedraza.cl


Factsheet

Projekt: Casa IPE

Standort: Santiago/RCH, Los Andes premountain range

Bauherr: Aguilo + Pedraza arquitectos/Rodrigo Tejo

Bauaufgabe: Wohnhaus

Fertigstellung: 2018

Grundstück: 1 740 m²

Geschosse: 2

Nutzfläche: 335 m²

Materialien (Decke, Wand, Boden):

Decken und Wände: Lenga-Südbuche

Boden: großformatige Fliesen

Sanitärausstattung: Hansgrohe, Vitra, Duravit

Möblierung: von lokalen Tischlern hergestellt


Residential building in Santiago, Chile

Rhythm of steel

The design qualities of steel are immense. However, they are only rarely used in interior design. Brightly lit and lightweight buildings can be created with steel providing the building’s structural fire protection permit it. Casa IPE is a good example in this context.

The studio of architects Diego Aguilo and Rodrigo Pedraza is located in the center of Chile’s capital Santiago. Their commute is a mere 30 minutes by car, heading north east on Avenida Presidente Kennedy to suburban El Arrayán in the south. The community is situated south of the Santuario de La Naturaleza El Arrayán natural reserve. The region is home to the foothills of the Andes and that is why the town is very popular among hikers and mountain bikers. The rocky terrain with its sometimes steep slopes and woods is the habitat of the Lenga beech, a deciduous tree exclusively found in South America.

In El Arrayán you are close to the capital but far enough away to feel like you are in the countryside, and the view across the beautiful landscape is truly magnificent. You live in a green environment, but if you want, you can quickly reach the cultural centers of the Chilean capital.

A sculptural approach

Aguilo + Pedraza have built a two-storey structure amidst these green hills, creating a close relationship between building and nature. Their clients wanted a lightweight house that fits into the wooded environment and has minimal impact on it. Chile is prone to devastating earthquakes, which means that, in many cases, conventional load-bearing structures frequently feature extra-strong heavy-duty constructions, something that would not normally be necessary from a design point of view. However, this project demanded the opposite of solidity. Casa IPE’s first suggested draft was accepted without major changes because planners had achieved the aspired lightness even at such an early stage of the planning process.

Aguilo + Pedraza find inspiration for their buildings in restricting themselves to only a handful of materials and distinctive shapes. To the architects, mentally conjuring up a built sculpture is a fascinating method to approach a subject.

While working on the design phase, they don’t deal with the functional demands of the client yet. They also let themselves be inspired by well-known sculptors like Carl Andre, Donald Judd, Richard Long, Sol LeWitt and Jorge Oteiza, as well as local architectural elements. They like to integrate roofs with huge, extended eaves that have their roots in the traditional “casas chilenas coloniales” – a special feature of local Chilean architecture of the
19th century.

Casa IPE: Wood and steel

The house is divided into two floors. Casa IPE is accessed via a small footbridge that leads to the upper floor. This is where public spaces are: living room, kitchen, dining room, a yoga room and an open, roofed terrace. This level has been fully glazed to permit a view of the nearby hills and the town. Closed façade elements have only been integrated into the upper floor where the building’s main access is located. On this level the floor features a generous height of 3.20 m. Bedrooms, bathrooms and private lounges are one level below where the ceiling is a “modest” 2.80 m high.

Diego Aguilo and Rodrigo Pedraza consider architecture a constructive act. A former project, “Casa Dos Robles” (house of the two oaks), was constructed exclusively using a type of timber often used by planners for their projects. For Casa IPE, steel was chosen as the material for the load-bearing structure. Being an observant reader, you will of course recognize the connection between the name of the project and the building material used. Casa IPE was built of IPE supports and beams measuring 20 x 20 cm. It’s a statically convincing system featuring striking diagonal reinforcements that determine the character of the building. As a result, the building’s architecture is a formal consequence of maximum efficiency steel construction.

Due to its high proportion of glazed elements, the outer load-bearing structure is also an element of the building’s interior design, all the more so since there is no change in material between inside and outside. Basically all furniture and all alignments of the visual axes are laid out to guarantee a view of the surrounding countryside.

Rigorously reduced

The basement is the only area with reduced visibility to grant some privacy to its residents. Apart from steel and glass on the walls, floor areas have been covered with large-format ceramic tiles while ceilings and walls have been clad with South-American Lenga beech. A conspicuous feature here is that there is no furniture for storing things. You will not find any shelves or cabinets. Public rooms are furnished with nothing but seating elements and tables. Merely the kitchen and bedrooms feature cabinets and wardrobes. The large room on the uppermost level characterized by its noticeable lack of any kind of furniture is quite striking. Fabric hanging from the ceiling is not to be perceived as a colorful art installation – it’s sports equipment for yoga groups.

Casa IPE is a beautiful example of how a seemingly simple basic load-bearing structure can have a sculptural effect. Expressive, bulky interior design has been renounced. It is simply not needed. The building impresses onlookers both by its views onto the outside and its insights. The visible load-bearing structure has not been concealed in the interior.

Aguilo + Pedraza make only subtle references to local building traditions. Basically, this house is an international structure both as far as the economy of materials and its charisma are concerned. Author: Rolf Mauer

Studio Aguilo + Pedraza arquitectos

Founded in Santiago, Chile, in 2002; staff of six.

Working areas: residential buildings, educational buildings, museums, offices

www.aguilopedraza.cl

Factsheet

Project: Casa IPE

Location: Santiago, Chile, Los Andes pre-mountain range

Builder/owner: Aguilo + Pedraza arquitectos / Rodrigo Tejo

Task: residential building

Completion: 2018

Plot size: 1,740 m²

Floors: 2

Usable area: 335 m²

Materials (ceiling, wall, floor):

Ceilings and walls: Lenga beech

Floor: large-format tiles

Sanitary equipment: Hansgrohe, Vitra, Duravit

Furnishings: made by local joiners


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