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Umbau von Brandherm + Krumrey in Marburg/DE

Umbau von Brandherm + Krumrey in Marburg/DE
Einladende Haltestelle

Nur der Denkmalschutz verhinderte, dass ein hoffnungslos verfallener Lokschuppen im hessischen Marburg abgerissen wurde. Welche architektonische Qualität aus einem solchen Altbau zu holen ist, zeigt das hier vorgestellte Gastronomieprojekt.

Autor: Rolf Mauer

Das Streben nach Suffizienz in der Architektur ist eine Haltung, die sich aus dem Anspruch der Nachhaltigkeit ergibt und sich durch bewusstes, sparsames Planen und Hinterfragen von liebgewonnenen Gewohnheiten auszeichnet. In der Vergangenheit wurden Industriebrachen, zumal wenn diese abbruchreif waren, gerne entfernt. Neues hatte einen spürbaren merkantilen Mehrwert, der bei Bestandsbauten nur schwer zu erreichen war.

Bernward Paulick
Foto: Joachim Grothus

Neu interpretiert

Nun wollen wir als Gesellschaft das Alte erhalten und ihm einen neuen Wert mitgeben. Im hessischen Marburg diskutierte man über Jahre, was man aus einem alten, sehr verfallenen Lokschuppen noch an urbanem Mehrwert generieren kann. Die Innenarchitektinnen von Brandherm + Krumrey übersetzten die räumlichen Qualitäten dieses maroden Lokschuppens mit einer modernen Interpretation, die die Historie des Baus erhält und im Hier und Heute ergänzt.

Die Stadt hatte das Gebäude von der Bahn in einem denkbar schlechten baulichen Zustand übernommen und nur notwendige Sicherungsarbeiten durchgeführt. Für den Erhalt dieses Industriedenkmals rechnete man mit einem Finanzierungsbedarf in zweistelliger Millionenhöhe.

Die öffentliche Hand hat dieses Geld nicht und natürlich sucht man in dieser Situation nach einem idealistisch eingestellten Geldgeber. Der Marburger Unternehmer Gunter Schneider hatte nicht nur die nötigen Mittel, dem Lokschuppen neues Potenzial mitzugeben, sondern mit dem Architekten Bernward Paulick auch den richtigen Planer zur Hand, um dem maroden Gebäude neues Leben einzuhauchen.

Brandherm + Krumrey
Foto: Joachim Grothus

Zug um Zug

Passenderweise war es eine Bahnfahrt, die dazu führte, dass Sabine Krumrey und Susanne Brandherm mit der Gestaltung der Gastronomie beauftragt wurde. Die Innenarchitektinnen lernten im Zug die am Projekt Lokschuppen beteiligte Gastroplanerin zufällig kennen. Man tauschte Visitenkarten aus und dies führte letztlich dazu, dass Bernward Paulick mit Zustimmung des Investors die international agierenden Innenarchitektinnen beauftragte.

Brandherm + Krumrey
Foto: Joachim Grothus

Stählerne Strukturen

Eine der Inspirationen für das Innenraumkonzept entstand aus den alten Schienensträngen im Inneren des Lokschuppens. Sie wurden entnommen, aufgearbeitet und wieder eingebaut. Ihre Akzente sind für das Verständnis der Gebäudehistorie extrem wichtig. Die Innenarchitektinnen kontrastierten diese unübersehbaren Stahlstrukturen mit neuen Bewegungslinien, die keiner Ordnung folgen und an den Kreuzungspunkten völlig neue „Orte“ entstehen lassen.

Diese sogenannten Crossing Points wurden mit offenen Stahlkonstruktionen herausgearbeitet, während die integrierten großen Grünpflanzen, die aus diesen stählernen Strukturen herauswachsen, das frühere, wuchernde Grün zitieren, das in den Vorjahren zwischen den alten Schienensträngen herauswuchs. Hier wird mit dem Bild gespielt, dass sich die Natur zurückholt, was ihr einst gehörte.

Farb- und Materialkonzept von Brandherm + Krumrey

Der Gastronomiebereich wurde in drei Einheiten unterteilt. Ein À-la-carte-Restaurant mit 80 Sitzplätzen, ein Deli mit 70 Plätzen, das sich abends in eine Bar verwandelt, und eine Theke, die sich an den alten Schienensträngen orientiert, die zum Lokschuppen führen.

Dabei orientiert sich das Farb- und Materialkonzept von Restaurant und Deli am historischen Bestand, erklären Sabine Krumrey und Susanne Brandherm. Sie führen aus: „Hellgrüne oder dunkel-erdige Farben kontrastieren die roten Backsteinwände des wiederbelebten Industriebaus und schaffen eine entspannte Atmosphäre. Schwarzer Stahl und Kupfertöne erinnern an die Vergangenheit des Lokschuppens und  harmonieren mit den großen Industriefenstern. Leuchtend bunte Tische und Stühle, die sich vom Interieur mit vielen Holz- und Steinoberflächen abheben, setzen hier farbige Akzente.“

Brandherm + Krumrey
Foto: Joachim Grothus

Akustisch wirksame Textilstruktur

Die prägnanten Leuchten, die über den Gastronomiebereichen schweben, fallen auf durch ihre akustisch wirksame Textilstruktur. Im starken Gegensatz dazu stehen die robusten Stahlstege der Galerieebene, die den Raum erweitern und großzügige Einblicke in die weiten Hallen gewähren. Die Galerieebene im Obergeschoss wird nur bei Bedarf geöffnet. Hier können Events oder Kochkurse veranstaltet werden.

Eine markante Trennung im Raum, die Deli und Restaurant voneinander abgrenzt, ist die frei stehende Grillstation, die nach Aussage der Planerinnen auch eine technische Herausforderung war. Mit verschiedenen Temperaturzonen dient sie nicht nur der Zubereitung tierischer Zutaten, sondern ermöglicht zudem auch eine vegan orientierte Küche. Für Brandherm + Krumrey, so haben sie es uns erklärt, ist die Aufgabenstellung in einem historisch geprägten Bauwerk eine neue Welt zu schaffen, etwas, das ihre persönliche Ideenwelt herausfordert.

Tape That
Foto: Joachim Grothus

Alles im Rahmen

Dazu passt, dass die Küche im Lokschuppen „plant based“ ist, das heißt, Pflanzen stehen im Mittelpunkt und werden von tierischen Produkten begleitet. Daher gibt es dort auch Bereiche, die dem Thema Indoor Farming gewidmet sind. Eine wichtige Rolle spielt ein großes, raumbildendes Wandpaneel im Deli. Der massive 7,50 m breite Stahlrahmen wurde in einem Stück montiert. Teilweise dient er als bequeme Sitzfläche, im oberen Bereich bietet er Platz für moderne Kunst. Die Berliner Künstler von Tape That haben sich von der Geschichte des Ortes, an dem früher alte Dampflokomotiven repariert wurden, inspirieren lassen.

Stimmiges Konzept

Es braucht Qualität, um ein verwöhntes Publikum in einen alten Lokschuppen zu locken. In Marburg hat das gut geklappt. Die Leidenschaft, die Investor, Architekt und Innenarchitekten in das Projekt einbrachten, überzeugt wohl auch die Prominenz. Erst Anfang Februar lud der Bundeskanzler Olaf Scholz rund 150 Menschen in den Lokschuppen, um deren Fragen zu beantworten und die Welt aus seiner Sicht zu erklären.

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Porträt: Hanna Witte

Susanne Brandherm (li.) und Sabine Krumrey

realisieren seit 1999 von Köln und Hamburg aus internationale Projekte mit einem Gespür für Zeitlosigkeit und Prägnanz. Ein 27-köpfiges Team aus Innenarchitekten, Architekten und Grafikern sorgt für die Umsetzung maßgeschneiderter Gestaltungsideen.


Fakten

Büro: Brandherm + Krumrey, www.b-k-i.de

Inhaber: Susanne Brandherm, Sabine Krumrey

Gründungsjahr: 1999

Mitarbeiter: 28

Arbeitsgebiete: Office, Healthcare, Hospitality, Event, Private, Event

Projekt: Lokschuppen Marburg

Projektverantwortlich: Julia Dörffel, Catharina Wegener-Thiel

Standort: Rudolf-Bultmann-Straße 4h, 35039 Marburg

Bauherr: Gunter Schneider

Bauaufgabe: Interior Design für Restaurant, Deli und Bar

Fertigstellung: 2022

Geschosse: EG mit Galerieflächen

Nutzfläche: Gastraum Deli und Restaurant mit Frontcooking EG: ca. 505 m²

Gastraum mit Eventküche Galerie 1. OG: ca. 70 m²

Möblierung/Beleuchtung/Ausstattung:

Gastromöbel: Pedrali, Jan Kurtz, Ferm Living

Wintergartenmöbel: Brunner

Beleuchtung, dekorativ: HK Living

Textile Ausstattung/Bezugsstoffe: Kvadrat, Maharam

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