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Datenbank für Second-Hand-Baustoffe

Datenbank für Second-Hand-Baustoffe
Jeden Stein umdrehen

Concular, deutscher Marktführer bei der Wiederverwendung von Baumaterial, startet gerade richtig durch. Es gibt gute Argumente für zirkuläres Bauen. Doch wie genau sieht das Geschäftsmodell des öffentlich geförderten Start-ups aus?

Autor Oliver Herwig

Vintage ist in, vor allem bei Mode und Mobiliar. Kaum eine Wohnung, die nicht mit Mid Century glänzt. Höchste Zeit, dass das auch fürs Bauen gilt, wo noch immer eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen betrieben wird. Was fällt nicht alles bei Abbruchhäusern an, die nach kaum 30 Jahren abgeschrieben sind und Platz machen für Neubauten: Fensterbänke, Kunststofffenster, Türblätter und Türdrücker – viel zu schade für die Deponie.

Concular möchte das ändern. Das öffentlich geförderte Start-up mit Sitz in Stuttgart und Berlin katalogisiert die Abbruchrepublik Deutschland und bietet Second-Hand-Produkte in einer Datenbank an, auf dass sie gefunden, gematcht und dann wiederverwendet werden können.

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Foto: Concular

Concular: erfolgreiches Start-Up

Die Plattform Concular war im Grunde überfällig. Denn nur 1 % aller Abbruch-Materialien würde wiederverwendet, sagt Annabelle von Reutern. Die Architektin steuert als Head of Business Development die nächsten Schritte von Concular: zu wachsen und immer mehr Produkte und Materialien zur Wiederverwendung zu führen.

„Warum reißen wir Gebäude überhaupt ab?“, fragt von Reutern und gibt gleich die Antwort: „Wir sollten so flexibel planen, dass unterschiedliche Nutzungen möglich sind – sowohl in der Konstruktion als auch im Ausbau.“ Dann folgt ein Satz zum Einrahmen: „In Deutschland bauen wir ja gerne für die Ewigkeit und reißen dann doch nach zehn Jahren ab.“

Echte Neuausrichtung

Zwischen Flensburg und Garmisch tut sich ein riesiges Feld auf. Oder sollten wir lieber sagen: ein gewaltiger Müllberg? Annabelle von Reutern jedenfalls sieht Concular nicht als Sisyphos, sondern als Avantgarde. Sie wünscht sich eine umfassende Neuausrichtung der Baubranche.

Die inzwischen 25 Mitarbeiter jedenfalls sind gut beschäftigt, die verschiedenen Projekte ab 5 000 m² BGF zu sichten, Materialien und Produkte zu katalogisieren und sie in die Datenbank einzutragen, wo sie auf ein nächstes Leben warten.

Kabeltrassen, Lüftungskanäle oder Vorhangfassaden seien ebenso hochwertige wie normierte Produkte, erklärt die Architektin, die man spielend wieder abnehmen könne. Das gelte auch für den Außenraum, für Pflastersteine und Fahrradständer.

Concular mit den beiden Geschäftsführern Dominik Campanella und Julius Schäufele erschließt neue Wege beim Bauen. Der Name – ein Amalgam aus Konstruktion und Zirkular – ist Programm. Bei aller Nachhaltigkeit zeigt Concular, dass Recycling am Ende preiswerter sein kann.

Der Zeit voraus

Inzwischen ist die im Januar 2020 gegründete Plattform nach eigenen Angaben „Marktführer für Materialpässe und die Wiedereinbringung von Materialien“.

Das Start-up rennt inzwischen offene Türen ein. Der Gesetzgeber kommt kaum hinterher, die Klimaziele an die Realität anzupassen. Zur Erinnerung: Im April 2021 kippte das Bundesverfassungsgericht das gerade zwei Jahre alte Klimaschutzgesetz. 2045 soll Deutschland klimaneutral sein – fünf Jahre früher als ursprünglich geplant. Bereits 2030 soll der Treibhausgasausstoß um 65 % gegenüber 1990 verringert sein statt wie bisher um 55 %.

Die Arbeit vor Ort hat etwas von Archäologie. Die Bauexperten und Architekten begutachten Objekte, lüpfen Tapeten und klopfen Fliesen ab. „Alles, was zur Wiederverwendung von Baustoffen nötig ist, machen wir“, verspricht von Reutern: von der Bestandserfassung von Gebäuden bis zur Materialpasserstellung von Neubauten und die gesamte Wertschöpfungskette dazwischen.

„Wir wollen ja nicht in 30 Jahren, wenn ein Rückbau stattfindet, dort wieder durchkriechen, um zu erfahren, welche Bauteile in den Gebäuden stecken.“

Die Branche solle lieber die Lebenszykluskosten betrachten und nicht nur die Erstinvestition und Betriebskosten, fordert von Reutern, die ihre Kunden schon mal fragt: „Wollt ihr euch eure urbane Mine bauen oder euren eigenen Schrottplatz? Wirtschaftlichkeit finde ich immer ein schwaches Argument, denn zirkuläres Bauen ist viel wirtschaftlicher.“

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Foto: Concular

Bestandserfassung tut not

Die Zahlen für eine gesamtwirtschaftliche Berechnung liegen auf dem Tisch und niemand kann sagen, er wisse von nichts. Die Bauwirtschaft ist „für etwa 40 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich“, sagt die Bundesregierung und wohl für rund 60 % des weltweiten Abfalls.

Jeder Stein, der nochmals umgedreht, jeder Türbeschlag, der wiederverwendet wird, jede Fliese, die eine neue Heimat findet, sind ein Stück Material, das kein Abfall werden muss. Das neue Abfallwirtschaftskonzept legt für öffentlichen Neubauten eine Quote von 30 % Recyclingmaterial fest.

Die EU Tax schlägt vor, dass neue Gebäude mindestens zu 50 % aus einer Kombination von wiederverwendeten Bauteilen, recycelten Inhalten oder auch verantwortungsvoll beschafften, nachwachsenden Materialien bestehen. Konkret: Mindestens 15 % kommen aus wiederverwendeten Bauteilen, mindestens 15 % kommen aus recyceltem Material, die restlichen 20 % sind entweder wiederverwendete oder aufbereitete Inhalte, verantwortungsvoll beschaffte, regenerative Materialien oder eine Kombination dieser drei.

Ein fundamentaler Wandel steht bevor. Auf die Frage, ob es nicht doch eine Bremser-Lobby gebe, antwortet von Reutern: „Klar. Firmen wollen Neuware verkaufen. Das heißt für uns, auch Hersteller sind spannende Abnehmer von Produkten, wenn sie ihre Materialien wieder zurücknehmen und als Reuse-Linie wieder in den Markt bringen.“

So könnte es gelingen: Hersteller müssen Teil der Veränderung sein, freiwillig und mit Blick auf neue Geschäftsmodelle.

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Foto: Concular

Regionale Kreisläufe

Concular wirkt wie eine Spinne im Netz, die sowohl auf der Angebotsseite tätig ist – indem sie immer neue Rohstoffminen erschließt – als auch aufseiten der Nachfragenden vermittelt, die immer selbstverständlicher Materialien wiederverwerten. Das geschehe am besten in regionalen Kreisläufen, erklärt Annabelle von Reutern.

Denn es nütze wenig, wenn eine Münchnerin erführe, dass genau das, was sie bräuchte, in Berlin rumstehe oder in Hannover.

Die stets umtriebige Architektin sieht jedenfalls Licht am Ende des Tunnels. Politik und Bauwirtschaft bewegen sich, auch wenn noch einige Hürden zu überwinden sind.

Recycling muss sexy werden – ohne dabei legitime Fragen wie die der Gewährleistung wiederverwendeter Produkte unter den Teppich zu kehren. Die große Frage lautet: Wie können wir gestalten, dass eine leichte Reparatur und Demontage möglich sind? Dieses Wissen hatten ja unsere Vorfahren und jetzt müssen wir es zurückerobern.

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