Nun wird es bunt, schrill, ironisch, rebellisch, provokativ: Wir sind in den – viel gescholtenen – Achtzigern, daran führt kein Weg vorbei. Vehement wischt ein zeichenhafter Pluralismus, pauschal Postmoderne genannt, den im Design lange erfolgreich gehätschelten Funktionalismus beiseite – zuerst in bella Italia, wo Studio Alchimia und Memphis das Design geradezu explodieren lassen. Eine Revolution liegt in der Luft.
Memphis lässt Design explodieren
Dabei spielen Sottsass et alii so respektlos und ausgelassen mit Bruchstücken der Designgeschichte, dekonstruieren, dekorieren und ornamentieren derart unbekümmert, dass es den einen eine Freude, den anderen ein Graus ist. Oder legen sie schlicht die in den Objekten wirkenden, einander widerstreitenden Kräfte in einer heterogenen und manierierten Form der Übertreibung ästhetisch offen?
Mit einem Mal sollen Spontaneität und Individualität über Zweckmäßigkeit und Funktionalität gehen, soll Design – symbolisch auf-, manchmal auch überladen – lebensfroh den Alltag bereichern. Deutschen Designern und Ingenieuren kommt das albern und allzu italienisch vor. Sie glauben noch fest an die Ratio einer Moderne, in der Kunst und Technologie so beruhigend zusammenpassen wie Wurst und Brot bei einer sorgfältig zusammengeklappten Pausenstulle.
Designgestus: schrill schlägt funktional
Auf Dieter Engelmanns Cover der md 06/1982 geht es entsprechend systemtreu und vergleichsweise aufgeräumt zu. Wohlgeordnet paradieren nebeneinander sechs Leuchten aus dem von Hartmut S. Engel für die Berliner Firma Brendel & Loewig gestalteten ‚Highlight‘-Programm.
Fünf sind schwarz, eine weiße tanzt aus der Reihe – unterlegt von einem kräftigen Erdbeerton. Dass in diesen Jahren nicht jeder sogleich zum überzeugten Pluralisten wird, lässt sich am Bericht von einer Ausstellung zu neuen Tendenzen im italienischen Design im I.D.Z. Berlin ablesen, in der, so der Autor Gerhard Ullmann, „die Innovationsschübe berühmter italienischer Designer“ ausgebreitet werden.
Umkehrung: Form beherrscht Funktion
Deren Affront gegen den guten Geschmack und die damit verbundene Aufwertung des Banalen erscheinen ihm dabei ebenso evident wie die Umkehrung der klassischen Werthierarchie: Die Form beherrsche nun die Funktion, die Folge sei eine willkürliche „Verkleidungskunst“.
Was er nicht vorhersehen konnte: Ein Designgestus, der seine Verkaufschancen erhöht, indem er provozierend von Mode zu Mode eilt, wird in einem Pluralismus des globalisierten Marktes und wechselnder Reize schon bald zur Normalität werden.
Autor Thomas Wagner
war Feuilletonredakteur der FAZ, hat für Stylepark ein Onlinemagazin aufgebaut, lehrt als Honorarprofessor und ist Autor zahlreicher Texte über Kunst, Design und Architektur.