Autorin Cecilia Fabiani
Der Supersalone war von Anfang an eine Wette. Werden Besucher kommen? Falls ja, aus welchen Ländern? Wird mehr auf der Messe los sein oder mehr im Rahmen des Fuorisalone, den Veranstaltungen der Milano Design Week in der Stadt? Wie wird die Stimmung sein? Wird der gewagte Titel der 59. Mailänder Messe – Supersalone angemessen sein?
Erwartungen übertroffen
Die Erwartungen waren gering und es bestanden Zweifel. Doch das Ergebnis war letztlich sehr erfreulich. Circa 60 000 Besucher kamen nach Mailand, davon knapp die Hälfte aus dem Ausland, vorwiegend aus der EU, aber auch USA, Russland, dem Mittleren Osten, UK und sogar Brasilien. Über 700 Events fanden in der Stadt statt. Das sind deutlich weniger als die sonst üblichen 1200.
Doch angesichts der anhaltenden Pandemie und der Tatsache, dass die 60. Veranstaltung des Salone del Mobile und der Milano Design Week schon in 7 Monaten (5. bis 10. April 2022) stattfinden wird, ist es ein erfreuliches Ergebnis. Vor allem war die Stimmung gut und das Angebot der Events vielfältig und von hoher Qualität.
So konnte jeder in der Stadt seinen eigenen Schwerpunkt und sein Programm wählen aus Museen, Produktpräsentationen, Showrooms, Kollektivausstellungen, Limited Editions, Design oder Kunst.
Fuorisalone: Ausstellungen und Showrooms
Desinfektionsgel, Abstand halten, Maske, Temperaturmessung – das alles ist bei jeder Veranstaltung Pflicht, Green Pass oder negativer Abstrich inklusive. Swab Point steht auf dem Schild neben dem Eingang des Superstudio. Wer keinen Green Pass hat, kann sich mit einem Abstrich für 15 Euro den Eintritt sichern.
Die Zona Tortona war bedeutend weniger gut besetzt, die Events der Milano Design Week in Lambrate Ventura fielen komplett aus, dafür gab es in der Stadtmitte die üblichen Kollektivausstellungen kleiner internationaler Marken wie im Palazzo Litta, die der Holländer bei Masterly the Dutch und auch Veranstaltungen in den vielen Showrooms nahe San Babila, Monforte oder in Brera. Highlights des Fuorisalone waren indes die neuen Showrooms.
Wer seit April 2019 nicht in Mailand gewesen war, hatte mehrere zu besichtigen: De Castelli (Entwurf Cino Zucchi), Mutina (Patricia Urquiola), und Marsotto (Entwurf Nendo). Living Divani (Piero Lissoni) verdoppelte die Fläche seines erst 2020 eröffneten Showrooms.
Zu den Brandneuen gehören: Bottega Ghianda (wertvolle Holzmöbel), Antolini (Marmor), Antrax (Heizkörper), Christian Fischbacher (Textilien), La Palma (Möbel), La double J (Lifestyle) sowie die spanische Porcelanosa (Materialien, Bad), Marset (Leuchten) und die deutschen Firmen Laufen (Bad) und Occhio (Leuchten). In der Nähe der Messe, direkt auf dem Firmengelände in Pregnana, eröffnete Artemide das New Exhibition Centre, ein Entwurf von Mario Cucinella.
Doch allen die Schau stahl das neue D Studio in der Via Durini. Anstelle von B&B hat hier der Showroom von Design Holding (Entwurf Locatelli Partners) eröffnet. Mit allen Brands der Gruppe: B&B Italia, Maxalto, Azucena, Arclinea, Flos, Louis Poulsen. Mailand folgt damit dem Konzept des im Sommer eingeweihten D Studio in Kopenhagen, und die Macher arbeiten schon an der Fertigstellung des Flagshipstores in New York auf der Madison Avenue.
Meinungen und Museen
Wer seine Produktneuheiten in den Showrooms der Stadt zeigte, sparte sich im Zweifelsfall einen Messeauftritt. Daniele Lago, Inhaber von Lago, stellte sowohl auf der Messe wie im Showroom aus. „Es besteht nach der Pandemie noch mehr Interesse am Thema Wohnen. Das ist mit ein Grund, weshalb es wichtig war die Milano Design Week abzuhalten“, bekräftigte er.
Carola Bestetti, Inhaberin von Living Divani (Fuorisalone wie auch auf der Messe) freute sich über die ausländischen Besucher, die den neu konzipierten Showroom besuchten: „Wir haben weniger Besucher als in den Jahren zuvor, nichtsdestotrotz war die Stimmung sehr positiv“.
Der Salone del Mobile und Fuorisalone bilden zusammen die Milano Design Week und sind daher untrennbar miteinander verbunden. Davon ist Andrea Margaritelli, Inhaber des Parkettbodenherstellers Listone Giordano, Gruppe Margaritelli, überzeugt. Obwohl seine Firma nur im Showroom präsent war, ist er der Meinung, dass die Messe ein Katalysator sei; ohne sie würden die Außenveranstaltungen gar nicht stattfinden.
Zur Milano Design Week gehört auch Kultur, insbesondere die Museen der Stadt. Auf der Triennale waren viele gewichtige Ausstellungen zu sehen: Mari und Magistretti, Neuerwerbungen von Carlo Mollino und die zeitbegrenzte Schau „Il Salone / La città“.
Und auch im neuen ADI Museum, nahe dem Monumentale-Friedhof, fanden neben der Dauerausstellung des Compasso d’Oro, dem bedeutendsten italienischen Designpreis, etliche Sonderausstellungen und Events statt. Die beiden Museen im Doppelpack sind zum Treffpunkt der Mailänder Designszene geworden.
Produkte, Re-Editions und Installationen
Die Trendthemen bleiben gleich: Sustainability, Disassembling, Recycling sind die Schlagwörter der meisten Firmen. Überall ist auch die Lust auf Farbe spürbar. Etliche Reeditionen und Special Editions von zeitlosen Designprodukten wurden präsentiert.
So feierte Flos das 50-jährige Bestehen des Klassikers ‚Parentesi‘ von Achille Castiglioni und Pio Manzù. Arper zeigte eine Limited Edition zu Ehren von Lina Bo Bardi, die von der Architektur Biennale mit dem Goldenen Löwen geehrt wurde.
Davide Groppi, Designer und Unternehmer der gleichnamigen Leuchtenfirma, überzeugte mit seiner Installation ‚Buio‘ (Dunkelheit) im eigenen Showroom. Die Fondazione ICA hatte Michael Anastassiades zu einer Ausstellung eingeladen, die noch bis zum 6. Januar 2022 zu sehen ist. Er verantwortet die poetische Installation mit Bambusleuchten.
Gab es Highlights?
Die Frage ist nur subjektiv zu beantworten. Bei der jungen Generation war ‚Alcova‘ sehr angesagt. Die dritte Version des Events, angesiedelt zwischen Kunst und Design, fand in einem heruntergekommenen Kasernen-Areal statt. Hier begeisterte die Location aber mehr als die Exponate. Der rote Faden fehlte.
Wesentlich interessanter war Hermès in der Pelota mit Entwürfen von Studio Mumbai und weiteren Designern. Dimore Studio lockte Lifestyle- und Fashionvictims mit einem Faible für Vintage an. Ron Gilad, Künstler, Designer und Denker, überzeugte mit seiner Kreativität nicht nur auf dem Molteni & C-Stand auf der Messe – mit Abstand der Beste – sondern auch im Unifor- Showroom mit einer Hommage an Aldo Rossi, für das Archivio Unifor Aldo Rossi.
Doch Insider kürten die Ausstellung im Theater Teatro dell’Arcimboldi, kurz TAM, im Viertel Bicocca am Stadtrand zum Place to be. Der Bau von Gregotti wurde vor 20 Jahren als provisorischer Spielplatz der Scala während der Renovierung des weltberühmten Theaters gebaut.
Giulia Pellegrino setzte Leidenschaft und Überzeugungskraft ein und gewann 17 Designbüros sowie etliche Designfirmen dafür, ihre Entwürfe und Produkte zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis? Die Schau ‚Vietato l’ingresso‘ (Eintritt verboten) zeigte verschiedene Innenarchitektur-Auffassungen und interessante Produkte in einer außergewöhnlichen Inszenierung. Man war aufgefordert, seinen Lieblingsentwurf zu wählen.
So kann es weitergehen. Arrivederci a Milano: Aprile 2022.
Eindrücke zum Supersalone