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Joa Herrenknecht über die Absage des Salone

Die deutsch-kanadische Designerin über den fehlenden Salone
Joa Herrenknecht

Joa Herrenknecht
Die Deutsch-Kanadierin Joa Herrenknecht ist eine multidisziplinäre Designerin mit Sitz in Berlin.

Die deutsch-kanadische Designerin Joa Herrenknecht berichtet im Interview über das Arbeiten unter Pandemiebedingungen, Online-Shops, Reisen mit Kindern und die Verschiebung des Salone.

Wie wirkt sich die zweite Verschiebung des Salone für Sie als Designerin auf Ihre Arbeit bzw. Auftragslage aus?

Joa Herrenknecht: Im Moment habe ich das Gefühl, dass viele Produzenten vorsichtiger sind, wenn es um die Vergabe von neuen Kollektionen und Aufträgen geht. Die Neuheiten werden fast immer zuerst auf den Messen gezeigt, teilweise noch als finale Prototypen, um zu testen wie sie ankommen und gehen dann erst in die richtige Produktion, nachdem die Aufträge schon eingegangen sind. Verständlich, dass man bei neuen Projekten jetzt erstmal einen Gang runterschaltet. Ohne die Messe sind viele neue Produkte von 2020 fast unsichtbar geworden. Neben Einkäufern und Besuchern ist ja auch viel Presse am Start.

Wir haben über Zoom und Skype ein Sofa entwickelt

Wir hatten aber Glück und ich habe im letzten Jahr eine neue Sofa-Kollektion entworfen. Eigentlich bin ich stolz, dass wir das überhaupt hinbekommen haben – denn im Prinzip lief fast alles per Zoom, Skype und Whatsapp. Der Auftrag war, ein Schlafsofa zu entwerfen. Der Mechanismus dafür kam aus Italien, die Produktion war in Osteuropa und mein Kunde – der Möbelhersteller – sitzt in Dänemark. Wir alles saßen im Lockdown fest und mussten gut kommunizieren.

Normalerweise bin ich beim Sampling, also beim Prototypenbau und der finalen Abnahme persönlich dabei, diesmal was das aber nicht möglich, weil ich nicht reisen konnte. Gleichzeitig kann man ein Sofa nicht so einfach hin- und her verschicken. Daher war das ein echtes Experiment und es ist genial, dass wir es realisiert haben.

Möbeldesign ist ein haptisches Erlebnis

Interessant ist, dass es nicht auf der Messe präsentiert wird, sondern im Frühjahr online gelauncht wird und direkt in die Shops kommt. Wenn eine Möbelmarke jetzt eigene Showrooms hat und über einen eigenen Onlineshop verfügt, ist das von großem Vorteil. Allerdings glaube ich, dass die Firmen auf jeden Fall Messen brauchen, um die Produkte vorzustellen. Man will ja genau wissen wie sich zum Beispiel ein Sofa anfühlt, bevor man für mehrere Tausend Euro Ware bestellt. Möbeldesign hat vor allem etwas mit dem haptischen Erlebnis zu tun, das heißt auf dem Foto kann es noch so gut aussehen, aber wie es sich anfühlt oder ob es wirklich funktioniert, kann ich durch ein Bild nicht erfahren.

Als Designstudio ist man zum Glück flexibel und kann sich schneller anpassen. Wir (Studio Joa Herrenknecht) hatten gerade vermehrt Anfragen, ob wir bei privaten Einrichtungen beratend helfen können – das finde ich sehr interessant. Viele haben jetzt Zeit, sich mit dem eigenen Zuhause zu beschäftigen und suchen jemanden, der sich mit Design auskennt und beim Einrichten hilft. Die Vielfalt in den Onlineshops ist gewaltig – kuratieren wird also wichtiger. Es verlagern sich derzeit auch viele Schwerpunkte, hin zum Homeoffice, Homefitness oder Garten.

Das ist also eine spannende Zeit für mich und meine Arbeit. Da die Produktentwicklung der Messe oft ein bis zwei Jahre vorangeht, sehen wir die Auswirkungen des Lockdowns auf die Möbelwelt wahrscheinlich erst 2022/2023.

Was macht den Salone aus? Was fehlt Ihnen?

Joa Herrenknecht: Als Studentin habe ich ein Jahr bei Patricia Urquiola gearbeitet und bin deswegen immer wieder gerne in Mailand, weil ich da alte Freunde treffe. Der Salone ist wie ein großes Familientreffen. Da sind Kunden, Hersteller, alte Kollegen, ehemalige Professoren, Freunde – alle auf einem Fleck.

Der Salone ist ein großes Familientreffen

Die unglaubliche Vielfalt an Design, Herstellern und Produkten ist überwältigend. Es ist schön, sich so konzentriert auszutauschen – der persönliche, direkte Austausch fehlt mir. Aber auch die Gewissheit, dass die Produzenten ihren Job machen und ihre Produkte verkaufen können. Deswegen ist man ja auf der Messe.

Hat er an Strahlkraft verloren?

Joa Herrenknecht: Nein, Mailand bleibt immer sehr besonders. Ich verbinde die Stadt mit schönen Erinnerungen und Menschen, die ich bewundere, vor allem die alten All-round Designer wie Ettore Sottsass oder Achille Castiglioni.

Als junge Designerin habe ich drei Jahre hintereinander auf dem Salone Satellite ausgestellt, dort gehe ich immer noch gerne vorbei. Es ist ein Ausstellungsformat für junge Nachwuchsdesigner auf der Messe, bei der viele bekannte Designer, wie zum Beispiel mein ehemaliger Professor Stefan Diez ganz klein angefangen haben. Solche Talente zu entdecken, ist toll. Gleichzeitig sind auch die wichtigen Produzenten auf der Messe.

Außerdem gibt es neben der Messe auch die vielen Events in der Stadt und in den Museen: die Triennale, Fondazione Prada, Shops und so weiter. Mailand verbinde ich daher absolut mit Design und Kultur. Die Stadt strahlt auch ohne Messe – ich glaube so eine Strahlkraft geht nicht so schnell verloren.

Planen Sie, im Herbst nach Mailand zu reisen?

Joa Herrenknecht: Wir sind hier im Lockdown in Kanada, unserer Zweitheimat. Mein Studio ist aber in Berlin. Dank der Möglichkeit online zu arbeiten, klappt es bislang ganz gut. Aber es ist schwieriger geworden zu fliegen – vor allem mit zwei kleinen Kindern und der langen Quarantänezeit. Da plant man vorsichtiger.

Dennoch Mailand ist die wichtigste und größte Möbelmesse weltweit und ich werde auf jeden Fall wieder dort sein. Am besten mit neuen Produkten und einem Drink mit Freunden nach der Messe in der Bar Basso.

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