Mailand ist vorne. Zumindest während des Salone del Mobile ist die Stadt konkurrenzlos – beim sonnigen Frühlingswetter, bei der Fülle der Präsentationen, Ausstellungen und Events, als Stimmungsbarometer der Branche und als unerschöpflicher Ideenpool. Mailand ist der Laufsteg der Möbel- und Interior-Branche und immer noch der Referenzpunkt übers Jahr. 2017 macht keine Ausnahme. Nur das überraschende Staunen der Besucher bleibt aus.
Autor Jörg Zimmermann
Mit den Gedanken an „Business as usual“ ist man auf der richtigen Spur. Die (Fach-)Besucher auf der Messe Salone del Mobile und in den Showrooms in der Stadt sind geschäftlich auf Suche, nur zum Spaß tut sich den massenhaften Trubel keiner gerne an. Die Suche gilt den Trends, den Neuheiten, den überraschenden Momenten – und genau da werden die Probleme offenbar. Wenn Mailand der Maßstab ist, Spiegel und Ausblick der Branche zugleich, dann gehen wir beschaulichen Zeiten entgegen. Alle träumen von Luxus, manchmal dürfen Produkte auch schrill sein oder rau. Doch wirklich aus dem Rahmen fallen und Grenzen überschreiten? Eher nicht. Konservativ könnte man viele „Neuheiten“ nennen, durchschnittlich und überschaubar originell sind die Mehrzahl der Entwurfsideen. Nicht Risiko und Offenheit bestimmen das Bild, es ist die Rückbesinnung auf Bewährtes. Ganz ähnlich wie in Politik und Gesellschaft aktuell eher alte Ideen als vielversprechende Konzepte für die Zukunft nachgefragt werden.
Auf der Suche nach dem Unterschied
Auf dem Salone del Mobile sprechen die Polstermöbel vieler Hersteller die gleiche Formensprache, selbst Stoffe und Farben halten sich mit Unterschieden zurück. Umso auffälliger treten kleine Abweichungen vom Durchschnitt und einzelne Positionen hervor. Wohl überlegt wie seit Jahren, entwickelt Magis sein eigenständiges Portfolio weiter, u.a. mit einem kräftig wirkenden Sofa der Familie „Brut“ von Konstantin Grcic. Bei Cassina zeigt Patricia Urquiola zum 90-jährigen Bestehen des Unternehmens mit der Sitzlandschaft „Floe Insel“ eine kantige Alternative mit viel Volumen. Auch der Stuhl „Cotone“ von Ronan und Erwan Bouroullec spielt mit ausgeprägten Profilen, in die voluminöse Polster gefaltet sind. Prägnant, aber fast spartanisch wirkt die Silhouette, die die Franzosen der Liege „Quindici“ bei Mattiazzi gegeben haben. Sitzkomfort sieht anders aus, bestätigt sich aber bei der Gebrauchsprobe. Für Emeco hat Jasper Morrison einen neuen Standard entworfen. Der „1-Inch-Chair“ knüpft bei der Reduktion an den bekannten Navy Chair des amerikanischen Herstellers an, folgt aber zeitgemässen Ansprüchen an Nachhaltigkeit und Ausstattungsvarianten. Kartell hat den recycelbaren „Bio Chair“ von Antonio Citterio aus dem Vorjahr zur Marktreife entwickelt. Phillippe Starck dekliniert mit der Reihe „Generic“ einfachste Stuhlvarianten durch.
Fortführung des Bewährten
Mit aktuellen Entwürfen von Luca Nichetto und Claesson Koivisto Rune legt das niederländische Label Arifort einen vielversprechenden Auftritt hin. Bei e15 sind nun die Entwürfe von Eva Marguerre, Marcel Besau und Daniel Schöning für die Elbphilharmonie als Kollektion „Elbe“ im Programm. Moroso setzt ungehemmt das Spiel mit Formen und Farben fort. Der Regalentwurf „Green Light“ des Künstlers Olafur Elliason taucht als puristischer Prototyp auf, Doshi Levin zeigen mit „modernista“ einen Sessel mit ungewohntem Unterbau und Beinprofil. Schwergewichtig gibt sich der „Bolt table“ von Mario Bellini für B&B Italia. Knoll aktualisiert seine Klassiker, Piero Lissoni steuert das Sideboard „Matrioska“ zum Portfolio bei.
Lesen Sie den zweiten Teil zur Euroluce und den dritten Teil zum Fuorisalone 2017.
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