Ohne die hemmungslose Dynamik des Fuorisalone wäre das Mailänder Möbelspektakel wohl kaum halb so attraktiv. Das ausufernde Off-Programm ist gleichermaßen Versuchslabor für Jungdesigner und aufstrebende Labels wie Showbühne für große Marken. Von allen Protagonisten wird hier Imagepflege mit außergewöhnlichen Inszenierungen betrieben, die meist mehr Diskussionsstoff bieten als die „Neuheiten“ auf dem Messegelände.
Autor Jörg Zimmermann
Aufwendige Inszenierungen locken die Massen
Bei den Präsentationen des Fuorisalone sind die großen Marken die Attraktionspunkte. Schlange stehen für das Bestaunen von Luxusprodukten, bei den Ausstellungen etwa von Louis Vuitton und Hermes ist Warten Pflicht. Selbst Pop-Up-Concept-Stores von Medienmarken locken die Massen. Schon seit einigen Jahren machen branchenfremde Unternehmen immer wieder mit aufwendigen Inszenierungen von sich reden. BMW beispielsweise hat den i-Modellen ein farbenfrohes Memphis-Gewand verpasst. MINI sucht nach neuen Möglichkeiten einer städtischen Architektur. Audi setzt auf eine KI-gesteuerte und durch die Besucher beeinflusste Soundinstallation. Luxusuhren-Hersteller Panerai lässt Nendo die Zeit in Scheiben schneiden. Ein je nach Uhrzeit in unterschiedlicher Dicke abgelängtes Kunststoffprofil dient dabei als Körper für die Uhrenmechanik.
Noch reduzierter geht Nendo im Showroom von Jil Sander zu Werke. „Invisible outlines“ lautet der Titel zu einem konzentrierten Spiel von schlichten Formen mit Licht und Schatten. Tom Dixon zieht für eine Kooperation mit Ikea in ein angegrautes Multiplexkino ein, trotz rotem Samt im Kinosaal wirkt die Präsentation des Sofas „Delaktig“ wie die Restrampe beim Möbeldiscounter. Überhaupt scheint Ikea in Mailand eine Dosis Coolness tanken zu wollen. Ein eigenes „Festival“ im Off-Off-Quartier Lambrate mit viel Party und lifestyliger Inszenierung soll es richten. Innovativ ist das nicht, massenkompatibel schon.
Innovationen als Randerscheinung
Manche Beobachter glauben, dass von den Kooperationen der Marken und im Eintauchen branchenfremder Unternehmen interessante Impulse für eine Belebung der Felder Interior und Living ausgehen. Vor allem aber zielen diese Kooperationen auf Verschiebung von Märkten und Vermarktungskategorien. Wenn Technikunternehmen wie Samsung oder Bang & Olufsen den Salone del Mobile als Anlass nehmen, neue Produkte zu präsentieren, profitiert das Markenimage von der (imaginierten) kreativen Atmosphäre der Stadt. So zumindest scheint das Kalkül.
Jenseits der lauten Inszenierungen findet man dann auch noch Projekte und Produkte mit Substanz. Beispiel „Really“, das zum allgegenwärtigen Stoffhersteller Kvadrat gehörende neue Label produziert (Möbelbau-)Platten, die nach einem ähnlichen Verfahren wie MDF hergestellt werden, jedoch statt Holzfasern recycelte Textilfasern mit einem Polymer verbinden. Max Lamb zeigt mit einer kleiner Serie von Bänken erste Anwendungsmöglichkeiten des innovativen Materials.
Unterm Strich bleibt es dabei: Mailand ist Design ist Kommerz. Design kann aber auch den Blick auf die Welt verändern, wie manch poetische und nachdenkliche Inszenierungen beweisen. Und Design kann Lösungen finden, die unsere Umwelt positiv nachhaltig beeinflussen. Davon gibt es leider noch immer viel zu wenige.
Lesen Sie auch Teil I zum Salone und Teil II zur Euroluce.
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