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Abbruchretter

Materialdatenbanken unterstützen bei der Wiederverwertung
Abbruchretter

Bauen ist meist eine immense Materialschlacht, bei der Fehl- und Überbestellungen an der Tagesordnung sind, die sich aber nur begrenzt für weitere Projekte nutzen lassen. Abhilfe bieten digitale Plattformen, die Rest- und Gebrauchtmaterialien vermitteln.

Autor Armin Scharf

Es gibt viele Gründe, warum bei fast allen Bauvorhaben Material- und Bauteilreste zurückbleiben: Dazu zählen ungenaues Aufmaß, Schwund auf der Baustelle, verarbeitungs- und montagebedingte Defekte – oder schlichtweg zu große Gebinde und in anderen Fällen Verpackungseinheiten. Hier ergibt sich der Ansatzpunkt für Materialdatenbanken.

Während Befestigungsmaterialien wie Schrauben leicht weiterverwertbar sind, ist das mit maßgefertigten Kunststofffenstern oder Blümchen-Fliesen schwieriger. Selbst so banale Werkstoffe wie Wandfarben werden schnell Abfall, weil sich individuell angemischte Farbtöne kaum mehr nutzen lassen. Übrig bleibt immer etwas.

Das hat auch, so absurd es klingen mag, wirtschaftliche Gründe: Oft ist es teurer, Material nachzubestellen – und die Arbeit womöglich ruhen zu lassen – als sicherheitshalber etwas mehr zu ordern.

Was soll man tun mit diesen Überschüssen, die den ressourcenfressenden Baubereich noch weiter belasten? Resteverwertung hört sich prima an, hat aber in der Praxis ihre Tücken, Stichwort Verfügbarkeit. Es ist eine Frage der Information, zu wissen, was, und dann wo, in welchen Mengen und welchem Zustand etwas zur Verfügung steht. Die Recherche ist aufwendig und Neuware daher einfacher und schneller zu beschaffen. Materialdatenbanken können Abhilfe schaffen.

Regionale Fundgruben

Doch es gibt eine Lösung. Sie heißt Bauteilbörse. Das ist keine neue Sache, es gibt sie schon lange, meist in Form regionaler Fundgruben, die von kommunalen oder gemeinnützigen Firmen betrieben werden.

Ebenso haben sich gewerbliche Händler etabliert. Sie bieten zum Beispiel historische Bauelemente oder Natursteine aus Abrissgebäuden an. Damit besetzen sie spezielle Nischen, die für die Breite des Bauens eher marginale Bedeutung besitzen.

Seit einigen Jahren tut sich aber etwas, dem Internet sei dank. So haben sich verschiedene Plattformen im Netz etabliert, die darauf abzielen, eben jene Reste in Umlauf zu bringen, die sonst auf der Deponie, in der Verbrennung oder in der hintersten Ecke des Handwerkerlagers landen. Unterstützend wirken Materialdatenbanken.

In Deutschland dürfte die bekannteste Restado sein, die vor rund zehn Jahren an den Start ging. Das System funktioniert prinzipiell wie Ebay und Co., nur spezialisiert auf Bauprodukte. Restado ist europäisch aufgestellt, ermöglicht die gezielte Suche nach bestimmten Materialien oder Elementen sowie lokaler Eingrenzung. Letztere ist enorm wichtig, denn es gilt, lange Transportwege mit Blick auf Kosten, Zeit und Nachhaltigkeit zu vermeiden.

Digitaler Resteanbieter

Der digitale Anbieter hat von Ziegelsteinen über kuriose Waschbecken bis hin zu Holzbalken, Fassadenelementen und Stahlträgern fast alles im Angebot. „Das sind auch die gängigsten Elemente“, merkt Geschäftsführer Dominik Campanella an. Vielfach sind es Reste, mitunter auch demontierte Elemente – dazu später mehr.

Für Käufer ist Restado kostenlos, von den Verkäufern werden 8 % des Preises einbehalten. „Das Interesse steigt jeden Tag“, stellt Campanella fest. Was sich alles wunderbar anhört, hat einen Haken, der nicht so trivial ist, wie er auf den ersten Blick scheint: „Wir übernehmen keine Gewährleistung“, setzt der Firmenchef fort. Das freilich wäre auch zu viel verlangt von einer Vermittlungsplattform, kann sie doch nicht jedes eingestellte Produkt prüfen. Aber für den professionellen Verarbeiter, der sich auf die Gewährleistungskette zum Hersteller verlassen kann, bringt das unter Umständen ein Risiko mit sich. Vor allem dann, wenn sich die Qualität nicht einfach per Augenschein prüfen lässt.

Das trifft insbesondere dann zu, wenn es nicht um neue Restware geht, sondern um Rückbauelemente. Also um Bauteile aus Abbruchgebäuden, die ein zweites Leben verdienen.

Hier gibt es keine Gewährleistung und keine Zertifikate, wie sie oft von Bauherren verlangt werden. Auch steht die Frage im Raum, wie normenkonform die oft jahrzehntealten Bauteile noch sind.

Frage der Gewährleistung

„Die Eigenschaften der Bauteile und der Qualität müssen von Experten geprüft werden“, erklärt Architektin Ute Dechantsreiter aus Bremen, die sich auf Weiterverwendung spezialisiert hat. Ideal sei es, wenn der „ehemalige Hersteller die Qualität bestätigt und bei der Gewährleistung mitgeht“. Gerade das aber erscheint bei Bauteilen aus jahrzehntealten Gebäuden mehr als schwierig, da sie meist nicht mehr bestimmten Herstellern zuzuordnen sind.

Re-Use ist allerdings das zentrale Element auf dem Weg zum kreislauffähigen Bauen. Das bestätigt die 2021 im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erstellte Studie über die „Wieder- und Weiterverwendung von Baukomponenten“. Die beiden Autoren, Dr. Viola John und Professor Dr.-Ing. Thomas Stark von der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG), zeigen darin die Potenziale und Optionen eines Re-Use-Systems auf. Sie lassen keinen Zweifel an dessen Notwendigkeit, „einen möglichst hohen Anteil an Baukomponenten einer Wieder- und Weiterverwendung zuzuführen“. Um zu wissen, welches Material in einem Gebäude steckt, braucht es einen Pass, der rasch Aufschluss über die verbauten Materialien liefert. Also Materialdatenbanken, die auch nach Jahrzehnten noch verfügbar sind.

Kurzes Zeitfenster

Madaster ist ein solches Kataster für Materialien und Produkte. Concular, deren Team zirkuläres Bauen samt Softwareentwicklung vorantreibt, und die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) haben ebenfalls einen Pass konzipiert. Momentan läuft es so: „Bevor ein Rückbau passiert, müssen die gut erhaltenen Bauteile dokumentiert und der Ausbau geplant werden“, erläutert Ute Dechantsreiter. Die Bauteile müssen schadenfrei entnommen, gereinigt und gelagert werden. Das Zeitfenster für den Ausbau ist meist kurz und die Verwertungschancen sind ungewiss.

Hierfür bedarf es weiterhin regionaler Akteure mit kurzen Wegen zur Materialquelle, während Restado und weitere Mitstreiter die überregionale Vermarktung der vielfach objektspezifischen Elemente übernehmen.

Elemente passend machen

Lassen sich seriengefertigte Bauteile wie Leuchten vergleichsweise leicht verwerten, ist es um maßgefertigte Elemente wie Geländer, Fenster oder Fassadenverkleidungen deutlich schwerer bestellt. Das muss dann schon passen – oder der Entwurf passend gemacht werden. Nachhaltiges Bauen im zirkulären Sinn bedeutet eben auch, den Entwurfsprozess künftig an dem auszurichten, was gebraucht verfügbar ist. Digitale Re-Use-Plattformen sind dafür unabdingbar, weil sie schnell einen Überblick über den Bestand bieten können.

Der Erfolg von Materialdatenbanken gelingt nur, wenn ausreichend Altelemente und -materialien den Weg dorthin finden, wenn sie nicht mehr als Abfall zählen, sondern als wertvolle Ressource. Rückbau muss verpflichtend zum Mining-Prozess geraten. Nur so wird das Angebot an „Altware“ wirklich interessant. Die Nachfrage kommt dann von allein.


Ein Beitrag zu weiteren Reccourcen unter mdPlus
info.md-mag.com/alternativ

Website von Restado
Homepage von Madaster
Firmenseite von Concular
Zu einem Neubau aus Abbruchmaterial

 

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