Das Studio Qarta Architektura rekonstruierte ein Miethaus im Herzen Prags. Dabei achteten die Architekten auf den Erhalt der bestehenden Substanz. Ein Paradebeispiel für ein gelungenes Projekt Bauen im Bestand.
„Die lange Geschichte des Gebäudes ist mit einer Reihe von Umständen verwoben, die sich im Laufe der Zeit auf ziemlich komplexe Weise entfaltet und seine Form und Funktion beeinflusst haben. Das Mietshaus ist zu einer architektonischen Ansammlung vieler Epochen geworden. Im Laufe der Jahrhunderte hat hier ein Prozess der allmählichen Umgestaltung stattgefunden. Die Freilegung der historischen Schichten brachte daher viele Überraschungen. Diese warfen Fragen zu den angewandten Bauweisen in Konstruktion und Details auf. Die Atmosphäre des Hauses ist einzigartig. Deshalb haben wir darüber nachgedacht, wie wir neue Schichten so einbringen können, dass sie nicht stören und gleichzeitig den zeitgenössischen Ansatz widerspiegeln“, sagt Architekt David Wittassek von Qarta Architektura.
Die Aufgabe bestand für die Architekten darin, die Funktion des Mietshauses wiederherzustellen, das ein echtes Unikat in einem entvölkerten Viertel Prags ist, das von der „Tourismusindustrie“ und der Kurzzeitunterbringung betroffen ist. Die Nachkommen der ursprünglichen Eigentümer wünschten sich auch eine würdige und hochwertige Restaurierung.
Verbindendes Element
Die Architekten entschieden sich für ein Konzept, das auf der Freilegung und Ästhetisierung verborgener historischer Schichten basiert. Sie stellten den alten Schichten neue Elemente gegen. Als verbindendes Element wählten sie die Materialität. Metall, Glas und Beton in ihrer natürlichen Reinheit bestimmen das Haus auf subtile Weise und führen die Bewohner durch seine Geschichte. Von den neuen Fußböden in den romanischen Kellern über die anerkannten Reste des gotischen Spitzbogens an der Fassade bis hin zum neoklassizistischen Dach. Dieses Prinzip der verbindenden Materialität wandte Qarta Architektura bei der gesamten Rekonstruktion an. Die Oberflächen in den Innenräumen bestehen aus abgetragenem Putz, der die Schichten des früheren Anstrichs freilegt.
Natürliche Materialität
Qarta Architektura dokumentierten und restaurierten Türen und Fenster. Die vorgefundenen Segmente der floralen Malereien auf den Täfelungen blieben erhalten. Neue Elemente wie Bäder und Toiletten, fügten die Gestalter als minimalistische Blöcke in das Gebäude ein. Dabei blieb die historische Konstruktion so weit wie möglich erhalten. Die ersetzten Dachstühle haben ihre natürliche Materialität beibehalten und stehen im Kontrast zu den ursprünglichen Dachstühlen. Die neoklassizistische rechteckige Wendeltreppe ergänzten Qarta Architektura durch eine Betontreppe. Nur an wenigen Punkten ist sie in der tragenden Wand verankert. Mit ihrer einfachen Form schließt das Haus harmonisch an das Dachgeschoss mit atypischen Wohnungen an.
Dächer der Höfe
Für die Überdachung des Haupthofes über der Passage konnten die Architekten historische Unterlagen ausfindig machen. Die genietete Konstruktion mit Glasdach wurde aus Sicherheitsgründen während der Bombardierung Prags im Jahr 1945 entfernt. Qarta Architektura stellten bei der Rekonstruktion die Überdachung des Hofes in modifizierter Form wieder her. Dabei blieb die historisierende Ästhetik der genieteten Fachwerkkonstruktion gemäß den Unterlagen erhalten. Auch die Überdachung des kleinen Hofes restaurierte das Architekturbüro. Die Glasüberdachung der runden klassizistischen Treppe ist eine Rekonstruktion.
Vorhandene Schicht
In einer detaillierten Studie ermittelte Qarta Architektura, was „unantastbar“ ist und daher intakt rekonstruiert werden muss. Dazu gehörten die Fassaden, die Ausfachung der Öffnungen, die Tischler- und Schlosserarbeiten. Das Haus verfügte auch über Originalputz, Keramikböden und Massivholzböden (die sogenannten Wiener Kreuze). Außerdem gab es historische Deckenbalken, Decken- und Dachkonstruktionen sowie Steinteile wie Treppen, Verkleidungen oder Pflasterungen.
Neue Schicht
Auch in Zukunft werden die einzelnen Etagen nach geringfügigen Änderungen als Wohnungen dienen. Der Prozess der Erneuerung ist auch mit der Erhaltung von Dienstleistungen im Parterre verbunden. Das Erdgeschoss bietet Platz für ein Restaurant oder eine Kneipe. Das Haus war ursprünglich als Durchgangsgebäude konzipiert und wird dies auch weiterhin bleiben. Eine der Säulen des Wiederaufbaus war daher die Umgestaltung der Überdachung der Höfe. Das Dachgeschoss ist nun bewohnbar. Die Beibehaltung der ursprünglichen Dachkonstruktion ist ein durchdachtes und nicht invasives Konzept. Qarta Architektura integrierten auch Aufzüge.
„Der Prozess der Rekonstruktion von historischen Gebäuden erfordert eine offene Diskussion. Es ist klar, dass neue Schichten zulässig und oft notwendig sind. Ebenso unstrittig ist, dass der Wiederaufbau historischer Gebäude mit Respekt und nach Regeln erfolgen muss“, konstatiert David Wittassek abschließend.
Geschichte des Miethauses
Die Geschichte dieses bemerkenswerten Gebäudes reicht bis in die Romanik zurück. Die Fortführung erforderte einen sensiblen Ansatz, der durch eine umfassende Studie des Kontextes unterstützt wurde. Das Gebäude befindet sich im Prager Denkmalschutzgebiet und ist Teil des UNESCO-Erbes. Es steht auch unter Denkmalschutz als unbewegliches Kulturdenkmal. Die Architekten des Büros Qarta Architektura haben neun Jahre lang an der Rekonstruktion des Hauses in der Havelská-Straße gearbeitet. Schwarzen Garten, Am Cortes, Lederhaus, Tandelmarkt und Bazar: Die Namen verweisen auf den Funktionswechsel von einem Wohnhaus zu einem Kaufhaus im Frühbarock und zurück zu einem Mietshaus im Klassizismus.
Fakten
Projekt: Rekonstruktion eines klassischen Mietshauses im historischen Prag
Standort: Havelská 27, Prag, Tschechien
Fertigstellung: 2022
Architektur/Innenarchitektur: Qarta Architektura, Jiří Řezák und David Wittassek, Webseite des Büros
Fotos: BoysPlayNice, www.boysplaynice.com
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Qarta Architektura
Qarta Architektura ist ein kreatives Studio mit einem vielfältigen Angebot an ideologischen Studien und zahlreichen Realisierungen. Das breite Spektrum an Projekten basiert auf der internen Philosophie, wobei der Schwerpunkt auf der Vielfalt der Aufgabenstellungen liegt. Laut den Geschäftsführern Jiri Rezak und David Wittassek sind zahlreiche Auszeichnungen wie der Grand Prix der Gemeinschaft der Architekten, Best of Realty und Construction of the year ein Beweis für die Exzellenz des Designs. „Die Grundlage unserer Arbeit ist die Konzentration auf die Lebensqualität“, sagt Jiri Rezak und David Wittassek fügt hinzu: „Wir glauben, dass präzises, detailliertes Design, Kreativität und die Betonung der Gesamtästhetik hinter der Freundlichkeit unserer Projekte stehen“.
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