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Neubau Feuerwehrhaus in Tübingen-Lustnau von Gaus Architekten

Neubau Feuerwehrhaus in Tübingen-Lustnau von Gaus Architekten
Konsequenter Holzbau

Für den Tübinger Stadtteil Lustnau setzen Gaus Architekten den Neubau einer Feuerwache um. Die energieeffiziente Gebäudetechnik des Holzbaus aus FSC-zertifiziertem Holz nutzt ebenfalls Holz zur Beheizung, ergänzt durch Photovoltaik und Solarthermie.

Der Bestandsbau, in dem die freiwillige Einsatzabteilung Lustnau der Feuerwehr Tübingen zuletzt untergebracht war, war in die Jahre gekommen und erfüllte die Anforderungen an ein zeitgemäßes Funktionsgebäude längst nicht mehr. Die Stadt Tübingen entschied sich deshalb 2020 zum Bau eines neuen Feuerwehrhauses, das den heutigen Ansprüchen an eine moderne Feuerwehrarbeit entspricht und zudem näher an den Wohngebieten verortet ist, wodurch die Anfahrtszeiten im Einsatzfall deutlich verkürzt werden.

Gebäudestruktur: Herzstück Fahrzeughalle

Der Entwurf des Göppinger Büros Gaus Architekten geht rücksichtsvoll auf die heterogenen Parameter des Orts ein. Die Gebäudekubatur ergibt sich aus dem komplexen Betriebsablaufs der Lustnauer Feuerwehr und ermöglicht einen reibungslosen Ablauf in Einsatzfall. Organisatorisches sowie räumliches Herzstück des Bauwerks ist die sieben Meter hohe Fahrzeughalle, die nach zwei Seiten raumhoch geöffnet werden kann. Einsatzfahrzeuge können ohne komplizierte Rangiervorgänge (und somit Lärm) an der einen Seite vorwärts eingefahren und im Einsatzfall zur anderen Seite vorwärts wieder herausgefahren werden. Die moderne Fahrzeughalle bietet Stellfläche für fünf Einsatzfahrzeuge und außerdem vier Wechsellader-Abrollbehälter. Da die Tore an den Längsseiten mit einem hohen Glasanteil ausgestattet sind, entsteht in der Halle zudem ein räumlich reizvoller Ort für Veranstaltungen der Feuerwehr Lustnau.

Gaus Architekten planen kurze Wege

An der Nordseite befindet sich der sich zur Halle öffnende, etwas niedrigere Multifunktionskubus mit Lagerflächen, Werkstatt und Trockenraum. Ein großes Schaufenster zum Straßenraum hin bietet außerdem die Möglichkeit, in einem kleinen Ausstellungsbereich über die wichtige Arbeit der Feuerwehr zu informieren. Zu sehen sind hier etwa ein historischer, damals von Pferden gezogener Feuerwehrwagen sowie einige historische Gegenstände der Feuerwehr Lustnau.

An der Südseite der zentralen Halle schließt der Verwaltungstrakt an, in dem sich die Umkleiden für die Feuerwehrmänner und -frauen sowie die -jugend befinden. Hier liegen außerdem Aufenthalts- und Schulungsräume, die Einsatzzentrale und einige Nebenräume. Auch dieser Baukörper folgt in seiner Kubatur schlüssig den Wegen, die im Einsatzfall notwendig sind. Entlang einer parallel zur Straße verlaufenden Wand sind die Parkplätze für die Einsatzkräfte angeordnet. Von hier aus gelangen die Feuerwehrleute direkt ins Gebäude, in die im Erdgeschoss liegenden Umkleiden und schließlich ohne Umweg zu den Einsatzfahrzeugen. Kurze, sich nicht kreuzende Wege bedeutet, im Notfall wertvolle Sekunden zu sparen. Der Entwurf von Gaus Architekten besticht durch eine logische, komplett an den Bedürfnissen der Nutzer und den funktionalen Anforderungen orientierte Grundrissplanung zugunsten optimaler Betriebsabläufe.

Nachhaltiges Bauwerk

Bereits die hinterlüftete Fassade gibt einen Hinweis auf die Konstruktion. Sie besteht aus unzähligen, verschieden breiten und tiefen Holzlatten, die ein vertikal orientiertes Fassadenbild ergeben. Im Spiel von Licht und Schatten erzeugen sie den Tag über immer wieder neue Motive. Dadurch erhält die Fassade einen lebendigen Charakter.

Im Innenraum setzt sich diese prägnante Materialität fort: Alle Decken bestehen aus unbehandeltem Brettschichtholz. Die Böden in den Schulungs- und Jugendraum-Bereichen sind mit Industrie-Stäbchenparkett aus belegt. Auch die Fenster haben Holzrahmen aus Fichte, die Brandschutzfenster mit besonderen Anforderungen sind aus Buche gefertigt. Lediglich die Wände bestehen aus Gips-Faserplatten und die Böden im Erdgeschoss aus Fliesen bzw. Kautschuk.

Holzgebäude aus regionalem Waldbau

Aus statischen Gründen sind die Bodenplatte und der Aufzugsschacht mit Treppenhaus aus Beton gefertigt. Ansonsten besitzt das Gebäude ein Holzständer-Tragwerk mit Unterzügen und Stützen aus Brettschichtholz sowie im Gebäudeinneren Baubuche-Trägern und -stützen. Die Holzständeraußenwände sind mit einer Einblasdämmung versehen. Das Tragwerk der Fahrzeughalle besteht aus Fischbauchträgern auf Holzstützen. Gaus Architekten wählten für das im Gebäude Holz aus FSCzertifiziertem, regionalem Waldbau im Schwarzwald und im Allgäu. Für die Verarbeitung legte es somit nur kurze Wege zurück. Statt rund 85 Tonnen CO2 in einem vergleichbaren Betonbau fielen bei dem Feuerwehrgebäude also lediglich sechs Tonnen an. Mehr noch bindet das im Feuerwehrgebäude Lustnau verbaute Holz rund 380 Tonnen CO2.

Effiziente Gebäudetechnik: Energie aus Holz und Sonne

Die Räume in dem Feuerwehrhaus müssen nicht gleichmäßig beheizt werden. Die Fahrzeughalle und der Lagerbereich sind auf eine Grundtemperatur von lediglich 12 °C ausgelegt. Sie können nach Bedarf gesteuert und über Deckenstrahlungsheizkörper beheizt werden. Die Räume im Verwaltungstrakt sind flexibel steuerbar temperiert, wodurch viel Energie gespart werden kann. Die Wärme für die Beheizung der Räume sowie für Warmwasser wird in einer Holzpellet-Anlage mit Pelletslager und Pufferspeicher erzeugt. Auf dem Dach mit extensiver Begrünung erzeugt eine Photovoltaikanlage direkt nutzbaren Strom, ebenso befinden sich hier Solarthermie-Panel, die – gekoppelt über den Pufferspeicher – die Wärmeversorgung unterstützen. All diese passiven und aktiven Maßnahmen führen dazu, dass der Verwaltungstrakt nahezu den Passivhausstandard KFW 40 erreicht.

Klimaschutzziele Tübingen: Eine Stadt im Aufbruch

„Mit dem Neubau wurde das erste Tübinger Feuerwehrgebäude in Holzrahmenbauweise errichtet und somit ein weiterer Baustein nachhaltiger, kommunaler Architektur geschaffen“, beschreibt der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer das Gebäude. Für ihn gilt im Rahmen der Klimaschutzziele der Stadt Tübingen eine Holzbaupflicht als wesentliches Element. Bis 2030 will Palmer die Holzbauweise in der Stadt zur Pflicht machen, womit er sich auch für die Holzbau-Offensive des Landes BadenWürttemberg starkmachen möchte.

„Dem Holzbau stand bisher oft der Brandschutz entgegen. Es ist daher ein besonders gutes Zeichen, ein Feuerwehrhaus aus Holz zu bauen“, erklärt er weiter. Tatsächlich ist es so, dass Holz im Brandfall zunächst stabiler ist als zum Beispiel Stahl. „Der Brandschutz sollte daher dem Bauen mit Holz nicht im Wege stehen“, fordert der Architekt des Feuerwehrhauses Lustnau Christian Gaus. Dass Holz ein ideales Baumaterial ist, mit dem auch die Bauzeiten verkürzt, der VorferCgungsgrad erhöht und somit die Kosten verringert werden können, zeigt eindrucksvoll das neue Feuerwehrhaus in Tübingen-Lustnau. Der konsequente Holzbau setzt richtungsweisende Maßstäbe der Symbiose von Funktionalität, Ästhetik und Nachhaltigkeit und ist nicht nur funktionierendes Feuerwehrgebäude, sondern ein wirkungsvolles Aushängeschild einer nachhaltigen kommunalen Architektur und einer zukunftsfähigen Baukultur.


Fakten

Projekt: Neubau einer Feuerwache

Standort: Alberstr. 15, 73074 Tübingen

 

Fertigstellung: November 2022

Bauherr:  Tübingen, Fachbereich Hochbau und Gebäudemanagement

Architektur: Gaus Architekten, Christian Gaus, Saskia Gaus-Mens, Webseite des Büros; Projektleitung: Jo Frederok Effenberger

Innenarchitektur: Sandra Schmid-Röhren von Gaus Architekten

Landschaftsarchitektur: frei raum concept, www.freiraumconcept.com

Geschosse: Erdgeschoss + 1. Obergeschoss

Materialien: Außen- und Innenwände: Fichte; Bodenbelag: Industrie-Stäbchenparkett aus Eiche; Böden im Erdgeschoss aus Fliesen bzw. Kautschuk

Produkte/Hersteller: Auswahl im Sanitärbereich: Hewi, Duravit, Geberit, Franke, Hansa, Alape; Beleuchtung von Trilux, Ridi

Fotos: © Oliver Rieger

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