Die Klebebande hat für ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Cyber Valley Tübingen ein Gesamtkonzept zur künstlerischen Gestaltung der Innenräume mit großflächigen Wandgestaltungen geliefert und umgesetzt.
Konzeption, Kuration und Realisierung der Klebebande umfassen verschiedene Arbeits- und Aufenthaltsbereiche im Innovationshub. Dabei verwendeten die Partner aus Berlin zahlreiche künstlerische Techniken: Tape Art, Tapeten, Malerei und Drucktechnik. Hauptsache farbig, hauptsache effektvoll.
Das Interior-Art-Gestaltungskonzept für das Gebäude zeigt die Verbindung zwischen zeitgenössischen und historischen Techniken. Die Künstler transferieren mit vielen verschiedenen Materialien traditionelle Darstellungsformen aus Wissenschaft, Technik und Kunst in eine zeitgenössische, innovative Ästhetik.
3D-Objektwand im Foyer
An der Wand im Foyer ragen polygonale Holzkörper aus der Betonwand wie Eisberge aus dem Wasser. Hier treffen traditionelle mathematische Darstellungsmodelle wie Graphen auf zeitgenössische ästhetische Ausdrucksformen wie Tape Art und elegante, skulpturale Holzelemente. Die sehr spitz zulaufenden Winkel der Holzelemente waren eine echte Herausforderung im Umgang mit dem Material. Die grafischen Strukturen aus Klebeband und Farbe verweisen auf Koordinatenpunkte und Verbindungslinien. Sie deuten die Fortführung der Körper unter der Oberfläche an. Ein regionaler Bezug besteht durch die ausgewählten Hölzer der typischen Tübinger Streuobstwiesen. Die verwendeten Holzarten sind Apfel, Pflaume, Birne, Walnuss, Eiche, Esche & Birke.
Lokale Referenz
Wissenschaft, Natur und Kunst vereinen sich im Konzept dieser Wand- und Glasgestaltung, umgesetzt in den Materialien Folie und Wandfarbe. Den Bezug zum lokalen Streuobst in gerasterten Graphiken kombinieren die Klebebande mit einer optischen Umsetzung der mathematischen Fibonacci-Folge, welche Wachstumsvorgänge in der Natur beschreibt.
Die Fibonacci-Folge und der aus der Kunst bekannte Goldene Schnitt weisen eine mathematische Verwandtschaft auf. Das Konzept findet als Gestaltungsregel Anwendung in Kunst, Architektur und Design, weil es von vielen Menschen als besonders harmonisch empfunden wird. Die vom Innenarchitekten vorgegebene dunkelblaue Farbe dieser Gestaltungseinheit harmoniert hier: denn in der Kunstgeschichte wird Blau traditionell als Verbindung zum Himmel und zum Göttlichen betrachtet.
Glas- und Wandgestaltung
Die ästhetische Grundlage dieser künstlerischen Gestaltung der Wände und Glaselemente bilden Lidar Scans. Die Scantechnik basiert auf Laser-Punktwolken, welche genutzt werden, um Räume und Objekte zu vermessen und digital darzustellen. Die künstlerischen Designs basieren auf topographischen Scans. Die Klebebande setzt sie mittels Folien und der originalen Wandfarbe, die in Handarbeit durch Schablonen aufgetragen wurde, um.
Ebenso greifen Glas- und Wandgestaltung ineinander: blickt man durch eine Scheibe, sieht man das Motiv sich auf der Wand fortsetzen. Die dargestellten Topographien erzeugen den Eindruck von Tiefe. Die Rasterstruktur läuft an den Rändern der Graphiken reduziert aus, was der Gesamtgestaltung ein Element von Leichtigkeit verleiht.
Mathematische Graph-Strukturen
Graphisch reduzierte Körper spannen sich hier spielerisch und bewegt auf diesen Wänden auf. Punkte, Linien und Flächen bilden diese Kombination. Die Inspiration sind mathematische Graph-Strukturen, ein abstraktes Darstellungsmodell, welches Objekte und ihre Verbindungen im Raum abbildet. Die Klebebande arbeiten mit einer Invertierung der Graphik an der Kante.
Genaue Detailarbeit
Eine optische Zusammenfassung aller im Gebäude verwendeten künstlerischen Gestaltungselemente findet sich an der Wand mit den Fahrstühlen im Erdgeschoss. Hier vereinen sich die gewählten Farben des Innenarchitekten in geschachtelten Quadern. Die Verwendung von Rasterpunkten, Linien und Graph-Strukturen lockern alles auf. Besucher und Mitarbeiter erleben dieses Design als Ouvertüre und spielerischen Hinweis auf die durchdachten und in genauer Detailarbeit realisierten Gestaltungseinheiten, denen sie auf ihrem Weg durch das Gebäude begegnen werden.
Synergieeffekt
Kosmischer Nebel aus Weltraum-Aufnahmen der NASA liegt diesem Tapetendesign zugrunde. Durch Vektorisierung der Bilder in Raster erzielt die Klebebande diese Optik, welche durch Glanz-Highlights noch verstärkt wird. Die Rasterpunkte stellen auch eine Referenz zur Technik der Lidar Scans dar, welche auf Point Cloud Data, also Laser-Punktwolken, basiert. Hinzu kommen Designelemente wie Balken und Vierecke, die der Gestaltung einen weiteren technoiden Touch verleihen. Ein Höhepunkt ist der Synergieeffekt, den die Gestaltung mit dem neu entwickelten Material der Firma Caspar entfaltet: Auf einem Papier mit Perlmutt-Glanz leuchtet das Nebula-Design in seiner Farbvielfalt nahezu außerweltlich.
Petersburger Hängung
Die Petersburger Hängung, auch bekannt als Salonhängung, ist eine bis in die Renaissance zurückreichende Präsentationsform, die dazu verwendet wurde, durch schiere Menge zu beeindrucken. Dieser Stil wird in reduzierter Form an unterschiedlichen Wänden im Tübinger Projekt von Johanna Röger aufgegriffen. Zu finden sind an den Wänden unter anderem Porträts von Wissenschaftlern wie Helmut Newton und Carl Friedrich Gauss, Landschaftsansichten, abstrakte Graphiken und architektonische Formen.
Fakten
Projekt: Forschungs- und Entwicklungszentrum
Standort: Cyber Valley Tübingen
Fertigstellung: 2023
Interior Art: Klebebande, Webseite der Künstler
Innenarchitektur: HLW, www.hlw.design
Produkte/Hersteller: Caspar Tapeten www.caspar-manufaktur.de
Malerei: Julia Benz, www.juliabenz.de
Fotos: Marcus Zumbansen, www.dokuvent.de
Klebebande – Urban Art Kollektiv aus Berlin
Mit großer Leidenschaft drücken sie sich seit den Neunzigerjahren künstlerisch aus und gestalten ihre Lebensräume in Berlin und anderen Metropolen im Kontext von Raum, Stadt und Architektur. Die Klebebande entwickelt in Kooperation mit Partnern freie und auftragsgebundene Projekte und setzt diese mit großer Freude und Hingabe um. Der Fokus liegt dabei auf permanenten Raum- und Wandgestaltungen sowie Fassaden im öffentlichen Raum. Als Künstler bedient sich das Kollektiv dabei unterschiedlicher Materialien, Techniken und Medien. Inspiriert werden sie von der urbanen Umwelt mit ihren gradlinigen Formen und der Natur. Die stetige künstlerische und gestalterische Weiterentwicklung ihres Schaffens ist ihnen sehr wichtig.
Das Besondere an der Entwicklung ihrer Kreationen ist eine grundsätzliche und konzeptionelle Herangehensweise. Sie investieren viel in Recherche, Konzeption und Ausarbeitung verschiedener Ansätze. Alle Projekte entwickeln sie in enger und verlässlicher Zusammenarbeit mit ihren Auftraggebern. Die drei Gründer der Klebebande: Bodo Höbing, Bruno „BeezeBoe“ Ridderbusch und Kolja Bultmann.
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