Der Thomas More Square im Londoner Stadtteil Wapping ist ein in den 1980er-Jahren errichteter Komplex im für die Zeit typischen, postmodern anklingenden, leicht kolossal anmutenden Stil.
Am Anfang die Bedarfsanalyse
Obwohl man dieses Beispiel nicht unbedingt als positiv repräsentativ bezeichnen möchte, ist es ein begehrtes Stadtentwicklungsprojekt geworden, was im sprechenden neuen Namen Moretown zum Ausdruck kommt. Dies und nicht zuletzt die citynahe Lage unweit der Tower Bridge war für Gensler aus San Francisco jedenfalls das richtige Umfeld, um dort im einzigen frei stehenden Bestandsgebäude des Komplexes das neue Europa-Headquarter einzurichten.
Wichtig bei der Gestaltung der Büroflächen war dem international agierenden Design- und Architekturbüro nicht nur, ein dem Zeitgeist entsprechendes agiles Arbeitsumfeld zu schaffen, ein zentraler Gedanke war auch, eine gewisse Bandbreite an Verknüpfungen zwischen den über 250 Mitarbeitern anbieten zu können.
Die Kreativität der Mitarbeiter sollte, so der Wunsch, durch ein smartes Arbeitsplatz-Design gefördert werden, und zwar so, dass sich die Strukturen dabei entwickeln und vergrößern können, dabei aber auch flexibel bleiben. Zunächst hat Gensler eine interne qualitative wie auch quantitative Bedarfsanalyse vorgenommen und konnte so die Menge an Arbeitsplätzen, Besprechungsräumen sowie deren konkrete Nutzung für konzentrierte Arbeit, für Telefonate, Gemeinschaftsarbeiten oder Kurzzeitbesprechungen bestimmen.
Zunächst wurden die Teams in einer Art „Nachbarschaft“ zueinander organisiert, ohne sie zu sehr voneinander abzugrenzen. Eine wichtige Rolle im neuen Verteilungskonzept spielt die zufällige Begegnung, nicht nur auf den jeweiligen Ebenen, sondern auch zwischen den Geschossen.
Gensler setzt die eigene Idee um
So entstand die Idee eines Büro-Designs, in dem es nur sehr wenige festgelegte Elemente gibt, um dadurch mehr flexible, veränderbare Bürokonfigurationen zu ermöglichen. Die Mitarbeiter können, ja, sollen ganz gezielt ihren eigenen Arbeitsraum bestimmen können. Nicht zuletzt auch, weil – so ergab die interne Untersuchung ebenfalls – in rund 80 Prozent aller Fälle Projektteams in der Größe von zwei bis vier Personen zusammen arbeiten.
Die Recherche nach dafür geeigneten Büromöbeln brachte allerdings kein Ergebnis, das dem Anspruch von Gensler an die Ausstattung des Europa-Headquarters gerecht werden konnte. So entwarfen man kurzerhand eine eigene Büromöbellinie, in Kooperation mit dem italienischen Hersteller Fantoni: ‚Atelier‘ ist als Programm entworfen, das modular, flexibel und veränderbar ist.
Alle Tische (in verschiedenen Varianten), Sideboards und Tafeln stehen auf Rollen und können so frei im Raum platziert werden.
Möbelsystem soll Kreativität unterstützen
Die Regale mit Schrank im Sockel dienen als feste Trennelemente im Raum, an die alle anderen Teile angedockt werden können. Praktisch: Ein Pinboard kann an die Möbel gehängt und auch mitgenommen werden.
Der Name ‚Atelier‘ soll dabei vor allem an die Kreativität und die Atmosphäre in Künstler- und Couturierstudios erinnern und somit in die Planerbüros gebracht werden. So entstand ein Programm formal eher reduziert, mit schönen Details, etwa der unaufgeregten Verbindung der einzelnen Elemente, der kleinen, abschließbaren Schubladen oder der eleganten Rollen.
Mit dem neuen Europa-Headquarter will Gensler nicht nur ein hochwertiges Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter schaffen, sondern auch zeigen, dass sich das Unternehmen im ständigen Wandel befindet. Dieser Blick auf die eigene Unternehmensphilosophie spiegelt sich in den eigens entwickelten Büromöbeln recht gut wider.
Nicht zuletzt werden durch den ständigen Wandel des Arbeitsplatzes die Mitarbeiter in einer Art Beta-Modus gehalten, der Ansporn zur Kreativität ist und stets vor Augen führt, wie sehr ein jeder sein Schicksal selbst in der Hand hält.
Interview mit Diane Hoskins und Andy Cohen über die Firmenphilosophie finden Sie hier
Der Microsoft-Place in Dublin ist ein weiteres Projekt der Architekten
Architekten Gensler
Eigentümer: Teilhaberschaften von Mitarbeitern; 1965 gegründet in San Francisco/USA von Art Gensler; 6000 Beschäftigte weltweit; Arbeitsbereiche: Planung & Urban Design, Retail, Brand Design, Hospitality, Arbeitsplätze, Consulting & Real Estate Services.
Factsheet
Projekt: Gensler Europa-Headquarter
Standort: Moretown, Wapping in East London
Eigentümer: Resolution Property
Bauaufgabe: Umbau eines Bestandsgebäudes, Interior Design
Bauzeit: 2016 bis Juni 2019
Grundstück: 35 000 m²
Anzahl Geschosse: 5
Geschossfläche: 6725 m²
Materialien:
Boden: EG Feinbeton und Esche massiv, OG 1–3 Esche massiv und Vinyl-Webware, OG 5 Eiche und metallbeschichtete Fliesen
Wände: EG heiß gewalzter Stahl, Multiplex und textile Akustikpaneele, OG 1–3 Multiplex und textile Akustikpaneele sowie Magnet-Whiteboards, OG 5 heiß gewalzter Stahl und Beton
Decken: Kombination von akustischen Sprühdecken und Gipskarton
Beleuchtung: Kombination von Standard- und Sonderanfertigungen
Möblierung: Arbeitsplatzprogramm ‚Atelier‘, ein Entwurf von Gensler in Zusammenarbeit mit Fantoni, www.fantoni.it