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Mitarbeiter entscheiden über ihren Arbeitsort

Mitarbeiter entscheiden über ihren Arbeitsort
Hybrides Arbeiten

Hybrides Arbeiten
Viele Eltern waren während der letzten zwei Jahre doppelt gefordert: Homeoffice und Homeschooling mussten sie unter einen Hut bringen. Foto: Halfpoint – stock.adobe.com
Die Pandemie zwang etliche Menschen ins Homeoffice und machte sie mit der Zeit zu Entscheidern über ihren Arbeitsort. Viele Unternehmen können sich dem Thema hybrides Arbeiten kaum mehr entziehen.

Autor Ahmet Çakir

Als er sein erstes und wichtigstes „Gesetz“ zu Papier brachte, ahnte der britische Historiker und Publizist Cyril Northcote Parkinson, dass sich daran nichts ändern würde. Es lautet: „Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.“ Verfasser von Diplomarbeiten oder wissenschaftlichen wie unwissenschaftlichen Artikeln helfen kräftig mit, das Theorem von Parkinson zu bestätigen. Schlimmer ist indes, dass große Gesellschaften auch nicht anders handeln als Individuen. Die für einen Sachverhalt aufgewendete Zeit ist umgekehrt proportional zu seiner Bedeutung. Das gilt auch für grundlegende Änderungen der Arbeitswelt. Wenn es keine Deadline gibt, diskutiert man diese umso ausgiebiger. Wer sich an Mikado erinnert fühlt, liegt dabei nicht so falsch.

Hybrides Arbeiten

Dass die Verzögerung die tragischste Form der Verweigerung ist, erlebte ich auf zwei Gebieten, deren Bedeutung uns das Covid-19-Virus drastisch vorführte: „Homeoffice“ als ein Beispiel für hybrides Arbeiten und „Telelearning“, neuerdings auch Homeschooling genannt.

Der erste Begriff meint die Dezentralisierung der Arbeit, meist die der Büroarbeit. Heute heißt es oft hybrides Arbeiten. Der Beginn der Diskussion darüber jährt sich bald zum 50. Mal. Seinerzeit hieß es „Telearbeit“ bei uns und „remote working“ in vielen anderen Ländern. Eine Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft mit dem Titel „Homeoffice nach fast zwei Jahren Pandemie“ legt schonungslos offen, welche Schere sich zwischen Deutschland und anderen Ländern geöffnet hat. Während in Deutschland 19,8 % der abhängig Beschäftigten als mobile Computerarbeiter deklariert werden konnten, waren dies in Dänemark 48,9 %, in Schweden 43,5 %, in den Niederlanden 41,8 % und in Finnland 41,3 %.

Homeoffice und Homeschooling

Unvorbereitet zu Hause arbeiten zu müssen war noch nicht einmal der schwerste Schlag. Eltern mussten zudem die Aufgaben des Staates in der Ausbildung ihrer Kinder übernehmen. Dass der zusätzliche Job einen modernen Namen hat, ist kein Trost. Ob die Nerven der Eltern zuerst zusammenbrachen oder die Lernplattformen, ist egal. Uns hatte es jedenfalls voll erwischt.

Die hierzu nötigen Methoden und Technologien stammen aus den 1960er-Jahren. Damals hatte zum Beispiel der Senat von Berlin beschlossen, 90 % des Schulunterrichts im Jahr 1974 von Maschinen bewerkstelligen zu lassen. Die Methode hieß „Programmierte Unterweisung“.

Lernen für die Arbeitswelt

Ein Vierteljahrhundert später nannte man sie CBT, und in unserem Jahrhundert E-Learning. Allerdings wusste 1974 kein Berliner Schüler etwas von diesem Plan. Und 2019 war man damit beschäftigt, das vom Bund bewilligte Geld für unnütze Laptops auszugeben. Ebenso lebenswichtig war das Thema Lernen für die Arbeitswelt. Denn die Unternehmen mussten ihre Beschäftigten mit den gleichen – teils ungenügenden – Mitteln schulen.

Unser Rendezvous mit der Realität, ausgeartet in einen globalen Stresstest, stellt den größten Feldversuch aller Zeiten in Sachen Arbeitsgestaltung dar. Doch anders als vor 2019 sind die Beschäftigten nicht mehr Objekt abgehobener Diskussionen, sondern handelnde Subjekte. Sie fordern hybrides Arbeiten ein. Nach zwei Jahren Übung kennen sie sich aus. Sagte etwa die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel 2021, dass „Homeoffice eine Form des mobilen Arbeitens“ ist, wissen die Praktiker nun, dass der Abstand vom Privat- zum Berufsleben manchmal nicht einmal einen Schritt erfordert. Frühstückstisch aufräumen, Laptop aufschlagen. Weniger mobil geht nicht!

Der Fall Apple

Einst glaubten die Anhänger der Telearbeit, diese hätte das Totenglöckchen des Bürohauses geläutet. Vorbei sind weise Sprüche wie der von Winston Churchill: „Wir formen unsere Gebäude, danach formen sie uns.“ Solche Aussagen gelten zwar immer noch, aber sie stellen keine Maxime dar.

Dass es manchmal nicht ohne Zwang von oben geht, zeigt das Beispiel Apple. In den 2017 eingeweihten Campus, der immerhin 5 Mrd. Dollar gekostet hatte, wollten die Mitarbeiter nicht komplett zurückkehren. Nach fast zwei Jahren Leerstand führte Apple eine „Work-from-home-Politik“ ein. Das bedeutete: Ab dem 1. Februar 2022 mussten die meisten Beschäftigten mindestens ein oder zwei Tage ins Büro, ab März 2022 mindestens drei Tage.

Arbeitsstättenverordnung „alternierende Telearbeit“

In Deutschland gibt es für den Ortswechsel sogar eine Arbeitsstättenverordnung. Gemeint ist die „alternierende Telearbeit“, das heißt der regelmäßige Wechsel zwischen dem Arbeitsplatz im Büro und jenem in der privaten Wohnung beziehungsweise einem Coworking-Space.

Aber auch die Gegner dieses Modus haben gelernt. Während der Pandemie erwies und erweist sich das Homeoffice und damit hybrides Arbeiten als beste Grundlage für die Resilienz unserer Arbeitswelt. Die Politik will gar ein Recht darauf festlegen. Außerdem deckte es die Schwächen vieler Büros auf.

Was heißt hybrides Arbeiten für die Beschäftigten? Sie erleben den Begriff „Arbeitsorganisation“ nicht mehr als bloße Zaungäste einer abstrakten Abwägung von Für und Wider. Schließlich haben sie auf brutale Weise erfahren, was jedes einzelne Argument für sie bedeutet. Die Zeichen weisen eindeutig auf den Weg hin, den die Lernmethoden gehen mussten. Der heißt blended learning, also eine hybride Form zwischen Unterricht und Unterweisung. Die Arbeit der Zukunft wird auch so heißen: hybrid.


Kolumnist Dr. Ahmet Çakir ist Inhaber und wissenschaftlicher Leiter des Ergonomic Instituts für Arbeits- und Sozialforschung in Berlin und Gutachter.

Hier geht’s zu einer weiteren Kolumne von Ahmet Çakir

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