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Healing Architecture 4.0

Planen von Gesundheitsbauten in Zeiten des Digitalen Wandels
Healing Architecture 4.0

Was bedeutet die Digitalisierung für das Krankenhaus der Zukunft? Für die Räume, in denen geheilt und gepflegt wird? Aus den Vorträgen zum 7. Symposium Health Care der Zukunft ging klar hervor: Das Gesundheitswesen steht vor einem radikalen Wandel. Autorin Stefanie Matthys erläutert den Begriff der Healing Architecture 4.0.

Autorin Stefanie Matthys

Über 200 Teilnehmer aus Architektur und Medizin, Behörden, Kliniken und Privatwirtschaft hatten sich in der Berliner Akademie der Künste versammelt, um über Räume für die Gesundheit zu diskutieren.

Während Politik und Patienten noch über ethische Fragen der Datenverwendung debattieren, arbeiten Industrie und Forschung mit Hochdruck an Health 4.0 oder Healing Architecture 4.0.  Intelligente und vernetzte Medizintechnik, predictive medicine und precision medicine, datenbasiertes population health management …

Der Wandel vollzieht sich rasant, der Ansturm auch privater Unternehmen auf die Markthoheit über die Medizinversorgung hat längst begonnen. Eine „Disruption bis ins Fundament“ sieht Digital Health Experte Erwin Böttinger (Hasso Plattner Institute Potsdam) auf uns zukommen und warnt gleichzeitig davor, den digitalen Wandel der Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verschlafen.

Unbedingte Flexibilität

Derweil planen wir unsere Krankenhäuser noch wie vor zwanzig Jahren. Schon jetzt, stellte Christine Nickl-Weller, Initiatorin des Symposiums Health Care der Zukunft fest, bilden die Raumprogramme der Neuplanungen nicht mehr die Realität im Krankenhausbau ab. Wie aber auf den rasanten Wandel reagieren? Einige Trends ließen sich aus den Beiträgen der vierzehn Vortragenden des Symposiums heraushören.

Nie ging Fortschritt schneller als heute. Unbedingte Flexibilität ist daher oberste Priorität für Betreiber von Gesundheitsbauten. Wie dem begegnet werden kann, stellte Hans Nickl (Nickl & Partner Architekten AG) mit seinem Konzept der Healing Moduls dar. Diese modular aufgebauten Einheiten bilden die Funktionsstellen des Krankenhausbetriebs ab. Sie sind individuell zusammenschließbar und können beliebig erweitert werden. Notfall, operative Eingriffe, Intensivpflege, Ärztehaus und Mutter-Kind-Zentrum bilden jeweils eigene hochfunktionale Grundmodule. Einen eigenen Duktus als fließende Raumlandschaft erhält die stationäre Pflege. Die Arbeit mit Modul und Raster, begünstigt durch mobile Wand, Decken- und Bodensysteme, erlaubt schnelle Anpassung an veränderte Bedarfe, an Erweiterungen, Zusammenlegung und Umwidmung.

Well Being im Krankenhaus

Kein wirtschaftlicher Erfolg ohne infrastrukturelle Erneuerung, bestätigte auch Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des UKE Hamburg-Eppendorf, den Architekten und machte dieses Statement an seinen Erfahrungen mit dem Masterplan für das UKE fest.

Wo Diagnose und Therapie von Geräten und Algorithmen bestimmt werden, muss Aufenthalt und Pflege einen Ausgleich schaffen. Wohnlichkeit und vertrauensbildende Umgebungen müssen daher für alle „low-tech“-Bereiche des Krankenhauses angestrebt werden.

Wie das funktionieren kann, präsentierte Alex de Rijke vom Londoner Büro dRMM mit dem Maggie’s Cancer Caring Center in Oldham (UK). „Architecture of hope“ ist der Leitgedanke der Maggie‘s Center. Sie bieten Menschen, die an Krebs erkrankt sind, kostenlose praktische und emotionale Unterstützung. Auf dem Gelände der britischen NHS-Krebskliniken gebaut, sollen sie sichere und einladende Räume bieten – also einen Kontrast zur durchtechnisierten Krankenhausmaschinerie. Für das Maggie’s Oldham hat dRMM eine einfache, aber raffinierte Holzkiste entworfen. Auf schlanken Säulen getragen, schwebt das Gebäude über einem von Pinien, Birken und Tulpenpappeln umrahmten Garten. Aus einer zentralen Oase wächst ein Baum durch das Gebäude und bringt die Natur mitten in den Innenraum. Beim Betreten des mit viel Holz und warmen Farbtönen und Textilien ausgestatteten Innenraumes, eröffnen sich dem Besucher unerwartete Blickachsen, in den Garten, zum Himmel, zum Horizont.

Doch man muss das Krankenhaus nicht gleich verlassen, um es als wohnlichen Ort gestalten zu können. Mit dem Herlev Hospital bei Kopenhagen realisieren Henning Larsen Architects eine Erweiterung des bestehenden Klinikumkomplexes. Überbordende Landschaftsgärten sind in das Entwurfskonzept eingebunden. Der ständige Zugang zur Natur, ein gut dokumentierter Schritt auf dem Weg zum healing environment, soll in diesem Konzept umgesetzt werden.

In Deutschland entsteht derzeit mit dem Haunerschen Kinderspital von Nickl & Partner Architekten am Campus Großhadern des Universitätsklinikums München ein Krankenhausbau mit ähnlich visionärem Ansatz. Der einladende Eingangsbereich, der sich tief ins Gebäudeinnere zieht und geschwungene, begrünte Höfe bilden Aufenthaltsbereiche mit ungewöhnlicher Raumqualität, grüne Ruheinseln im Krankenhausbetrieb. Die Verwendung von Holz für die Einbauten der Patientenzimmer und die großen, als Sitznische gestalteten Fenster sollen den Patienten und Mitarbeitern ein Gefühl der Verbundenheit mit der umgebenden Parklandschaft vermitteln und den Bettenzimmern einen wohnlichen Charakter verleihen.

Raumwahrnehmung lernen

Woher aber wissen wir, mit welchen Gefühlen Patienten und Mitarbeiter Räume erleben? Gefühltes Wissen über diese Frage gibt es reichlich. Harte Fakten jedoch, Studien, die erklären, wie unsere Raumwahrnehmung funktioniert, sind in Bezug auf Architektur noch Mangelware.

Auch hier kommen wieder Daten ins Spiel. Daten nämlich, die Projekte der Forschungsrichtung Spatial Cognition füttern, einen Randbereich der Kognitionsforschung, die sich der Analyse von Raumwahrnehmung widmet. Christoph Hölscher lehrt und erforscht Spatial Cognition an der ETH Zürich und beschäftigt sich mit der räumlichen Wahrnehmung komplexer Bauten. Sein Forschungsbereich, der sich derzeit noch primär auf das Thema way-finding konzentriert, und somit vor allem Empfehlungen hinsichtlich Erschließungskonzepten und Signaletik generiert, könnte in Zukunft einen erheblichen Einfluss auch auf das architektonische Gestalten von Gesundheitsbauten und von Bauten und Städten allgemein haben.

Raumwirkung vorausplanen? Räume nach kognitionswissenschaftlich optimierten Standards entwerfen? Noch klingt das wie Science Fiction. Verglichen jedoch mit den Möglichkeiten, die sich dank Digitalisierung derzeit in der Gesundheitsversorgung auftun, scheint diese Vorstellung gar nicht mehr so weit hergeholt.

Weitere Fachbeiträge finden Sie hier


Symposium Health Care der Zukunft 2020

Das von Christine Nickl-Weller (Professorin an der TU Berlin und Vorstandsvorsitzende der Nickl & Partner Architekten AG, www.nickl-partner.com) initiierte Symposium Health Care der Zukunft dient seit 2006 als interdisziplinäre Plattform an der Schnittstelle zwischen Architektur, Städtebau und Gesundheitswesen. Christine Nickl-Weller stellt die achte Edition des Symposiums Health Care der Zukunft für März 2020 in Aussicht – künftig ausgerichtet vom European Network Architecture for Health (ENAH).

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