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Salone del Mobile 2022

Salone del Mobile 2022
Neustart mit gemischten Gefühlen

Mit dem Salone del Mobile 2022 und der damit verbundenen Milan Design Week hatte die internationale Interieur- und Möbelindustrie endlich wieder Gelegenheit für ein groß angelegtes Statement. In der Gänze scheint der Auftritt gelungen. Neben optimistischen Ausrufezeichen sind aber auch die vielen Fragezeichen nicht zu übersehen.

Autor: Jörg Zimmermann

Endlich Zeit, einen großen Geburtstag zu feiern: Seit 60 Jahren ist nun der Salone del Mobile in Mailand der internationale Treffpunkt der Branche. Den Verantwortlichen mit der neuen Präsidentin Maria Porro ist es gelungen, der Traditionsveranstaltung auch zum außerordentlichen Termin im (heißen) Juni einen würdevollen Rahmen zu geben.

Salone del Mobile
Foto: Valentina Sommariva/Cassina

Salone del Mobile und Milan Design Week

Eine frische Kampagne und allerlei aktuelle Veranstaltungsformate belegen die tiefreichenden Verbindungen der Messe in das Mailänder Stadtgeschehen, und dass die Messe den Kontakt zum Zeitgeist wieder aufgenommen hat. Nach dem charmanten Super Salone im September 2021 ließ der erste reguläre Auftritt seit der Covid-Pandemie die Kraft des Events für die Interiordesign-Branche erkennen, auch wenn die zeitliche Nähe zu den populären 3 Days Of Design in Kopenhagen (15.-17.6.) oder die Gleichzeitigkeit mit der Designweek in Rotterdam Besucher gekostet haben dürften. Wegen der weiterhin angespannten Corona-Situation blieben auch wichtige Besucher aus Asien erneut fern.

Salone Satellite in neuer Position

Auf den ersten, schnellen Blick schien auf dem Messegelände in Rho „Business as usual“ angesagt, doch in der Belegung der Hallen wurde ein erstes Nachdenken über veränderte Bedürfnisse und erwartete Besucherströme sichtbar. Der SaloneSatellite, der von der nimmermüden Marva Griffin protegierte Bereich für ausgewählte Talente aus aller Welt, bekam mit der Platzierung in Halle 1 eine deutlich leichtere Zugänglichkeit, für die Professionals wie auch private Designinteressierte, die Mailand fast wie gewohnt bevölkerten. Bei den Exponaten des Designnachwuchs überzeugten eher längerfristig gedachte Projekte als konkrete Exponate, bei denen nur sehr vereinzelt Originalität zu sehen war.

Magis
Foto: Magis

Holz auf dem Vormarsch

Der Implus, vermutlich sogar die Strategie, mit den eigenen Produkten deutlich langfristiger und damit nachhaltiger zu agieren, ist bei vielen am Salone teilnehmenden Unternehmen nicht zu übersehen. Mehr Hölzer statt Kunststoffen werden sichtbar und betont verarbeitet. Wenn Kunststoff zum Einsatz kommt, werden recycelte Quellen immer öfter genannt. So werden Kunststoffkapseln von Espresso-Automaten von Illy bei Kartell zum ‚Re-Chair‘ (Antonio Citterio) verarbeitet, zumindest für die Markenkommunikation ein Erfolg. Magis zeigt fast prototypisch eine Bandbreite an Möglichkeiten im Einsatz unterschiedlicher Materialien.

Als Pole stehen sich der ‚Bell Chair‘ aus recyceltem Kunststoff und der ‚Aka‘ aus Vollholz, beides Entwürfe von Konstantin Grcic, gegenüber. In der gelungenen Kombination aus Kunststoffrücken und Holzgestell nimmt der Stuhl ‚Alpina‘ von Edward Barber und Jay Osgerby eine auch bei anderen Herstellern gezeigte Mischform zwischen den reinen Positionen ein.

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 Foto: Nanimarquina

Nachhaltige Materialwahl

Überhaupt ist die Reduktion der verwendeten Materialien und deren sortenreinen Verwendung ein wichtiges Thema in der Produktentwicklung. Eindrucksvoll zu sehen beispielsweise bei ‚Ilma‘ von e15, einem Lounge Chair von Jonas Lutz, der kräftiges, eingehängtes Gurtleder mit einem soliden Holzrahmen kombiniert. Beim Teppichlabel Nanimarquina werden Restfäden aus der Produktion nicht mehr vernichtet, sondern nun aufbereitet und im Rahmen eines geschickten Farb- und Designkonzepts zu lebhaften ‚Re-Rugs‘ verwebt.

Die Verwendung von Resten aus der Textilproduktion verfolgt auch Kvadrat schon seit einigen Jahren mit dem Plattenwerkstoff ‚Really‘. Damit die (Wieder-)Verwendung von Textilen und textlichen Reste gelingt, sind auch Vorhangstoffe und Teppiche von Kvadrat auf Materialreinheit ausgelegt.

Noch viel mehr als in den Vorjahren werden also vor dem Hintergrund des stetig wachsenden Umweltbewusstseins der Konsumenten für die Unternehmen die Auseinandersetzung mit den Eigenschaften von Materialien und deren Nutzung nach Gebrauch zu einem strategischen, aber auch praktischen Thema. Wer Fragen nach Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit nicht souverän und seriös beantworten kann, wird in Zukunft unter dem Druck der Konsumenten wohl immer schwieriger bestehen.

Knoll
Foto: Federico Cedrone/Knoll

Frische Entwurfsideen gesucht

Im Bereich Design ist die Diskussion um Langfristigkeit jedoch eine ambivalente Angelegenheit. Ist es langfristiges Denken, wenn Marken zwar neue Designer engagieren, aber dabei besonders auf altgediente Köpfe der Szene setzen? Oder werden da und dort mit dem Einsatz der bewährten Kräfte auf Sicherheit und kurzfristig geringeres Risiko gesetzt? Antonio Citterio und Pierro Lissoni beispielsweise beweisen ihre Meisterschaft für seriöse Linien, die jedoch für das Erzeugen von Aufbruchstimmung wohl zu gediegen sind.

Auch bei den jüngeren Etablierten ist auf dem Salone 2022 die Lust am Experiment kaum zu erkennen. Variationen vorhandener, erfolgsträchtiger Ideen scheinen ein funktionierendes Entwurfsmodell. Das hat Großmeister Philipp Starck, einst Garant für innovative Ideen, längst zum durchgängigen Geschäftsmodell erhoben. Der laute, medienwirksame Auftritt und die Platzierung des eigenen Namens wiegen schwerer als das Arbeiten an frischen, überraschenden Ideen.

Kartell
Foto: Kartell

Kräftige Farben

Der Salone del Mobile zeigt: Trotz der deutlichen Zurückhaltung von Unternehmen und Designern an größeren oder großen Experimenten ist die Stimmung in der Branche (vorsichtig) optimistisch. Als wirksamer Hebel für gute Laune ist mal wieder der expressive Einsatz von Farbe angesagt. Nach Zeiten farblicher Zurückhaltung lösen nun kräftige Farben sanftere Pastelltöne ab. Rot, Blau, Gelb, Grün – Polsterstoffe in Grundfarben sind unübersehbares Statement, das oftmals die Frage nach der Qualität der umhüllten Form fast schon vergessen lässt.

Unangefochtene Lieblingsfarbe ist wohl in diesem Jahr Orange, das strahlend in Kombination mit hellen und dunklen Hölzern gleichermaßen positiv wirkt. Doch mit den Gedanken an Natur und Umwelt bleiben auch Naturtöne und erdige Farben weiterhin präsent.

Plank
Foto: Plank

Internationale Abhängigkeiten

In einer Interior-Welt mit ausgeprägten Farben treten in den Messegesprächen die aktuellen Gefahren und unbewältigten Herausforderungen für einen Augenblick in den Hintergrund. In Vergessenheit geraten die Schwierigkeiten einer globalen Welt dadurch jedoch nicht. Eher im Gegenteil sind mit der Covid-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine vielen Unternehmen die Fragilität der internationalen Lieferketten sehr bewußt geworden.

Elektronische Bauteile für Leuchten hängen in Asien fest, Hölzer aus Russland sind nicht verfügbar, Metalle, roh oder bereits zu Halbzeugen verarbeitet, sind stark gefragt. Für den ‚Adjustable Table‘ von Eileen Gray bei Classicon beispielsweise kommt das verwendete Nickel aus der Ukraine, die verwendeten Halbzeuge aus Stahl aus Russland, der Rohstahl aus China. Ein anderer Hersteller kann ein begehrtes Produkt nicht oder nur verzögert liefern, weil eine besondere Schraube am Markt aktuell kaum verfügbar ist.

Hier ist Interessant zu beobachten, dass manche Unternehmen trotz der globalen Verflechtung der Industrien ihrer Produkte (fast) im üblichen zeitlichen Rahmen liefern können. Andere haben aktuell einen Vorlauf von bis zu einem Jahr. Für viele Projekte und auch private Wünsche werden diese Umstände möglicherweise zu einem wichtigen Kaufkriterium. Ist die Entscheidung für ein bestimmtes Design wirklich unumstösslich oder könnte es auch eine lieferbare Design-Alternative sein?

Salone del Mobile: Neustart gelungen

Unterm Strich ist dem Salone del Mobile der Neustart gelungen. Der Motor dreht, auf Hochtouren läuft er noch nicht. Die Branche ist allerdings verständlicherweise weiter auf der Suche. Nach Produkten, die langfristig in Design und Materialität bestehen. Nach Trends, die in volatilen Zeiten die Bedürfnisse treffen. Und vielleicht auch nach anderen Formaten, den Kunden zu begegnen. Denn noch bleibt es unklar, wie Messen als Großevent einer Branche sich weiter entwickeln.

Manch angestammter Aussteller blieb zuhause oder engagierte sich außerhalb der Messe im quirligen Trubel der Mailänder Innenstadt. Aus Kostengründen oder weil dem Format Messe generell zeitgemäße Lebendigkeit fehlt? Weil Marktplätze sich verändern, die Kommunikation heute und in Zukunft andere Wege geht? Einigen Fragen hat der Salone 2022 wieder einen Rahmen gegeben, weitreichende Antworten stehen an vielen Stellen dennoch aus.

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