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61. Salone del Mobile in Mailand Review

61. Salone del Mobile in Mailand
Weiche Kurven statt scharfer Kanten

Geht doch wieder: großer Andrang beim 61. Salone del Mobile. Das internationale Publikum ist in großen Teilen zurück in Mailand. Die Euroluce wagt ein neues Konzept und ansonsten weisen die Zeichen weniger auf unwiderstehliche Neuheiten denn auf lang ersehnte Kommunikation.

Autor: Jörg Zimmermann

Der Salone del Mobile meldet Erfolg. „Wir sind sehr erfreut, dass unsere Erwartungen noch übertroffen wurden“, sagt Salone-Präsidentin Maria Porro. Am Ende der Messeveranstaltung haben die Verantwortlichen rund 307.000 Besucher auf dem neu organisierten Ausstellungsgelände gezählt. Eine Steigerung von 15 Prozent zum Vorjahr, aber (noch) keine Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau im Jahr 2019 mit gut 386.000 Besuchern. Nach den italienischen waren die chinesischen Messeteilnehmer die größte Gruppe, auf den weiteren Plätzen folgen Deutschland, Frankreich und die USA. Sicher ist: Jenseits der Zahlen hat der Salone einen wichtigen – und richtigen – Schritt für das zukünftige Messegeschehen gemacht. Der Fokus richte sich auf die Besucher und deren Wünsche und Bedürfnisse, so das oft wiederholte Credo der Veranstalter.

Großer Andrang beim 61. Salone del Mobile. Das internationale Publikum ist großteils zurück in Mailand. Die Euroluce wagt ein neues Konzept.
Ausstellungsprojekte zu Leuchten und Licht setzten auf der Euroluce inhaltliche Akzente, hier das Projekt ‚Fiat Bulb‘, eine Hommage an die klassische Glühbirne. Foto: Salone del Mobile / Andrea Mariani

Neues Hallenlayout mit städtischen Zügen

Diese neue Perspektive auf das Messegeschehen wurde auf der Euroluce direkt erlebbar. Nach einer umfangreichen Analyse zu Flächen und Wegen in den Hallen, zu den Anforderungen der Aussteller und den Erwartungen der Besucher ist für das Leuchtensegment erstmals ein neues Hallenlayout umgesetzt worden. Entworfen hat das neue Setting in den vier Hallen das Architekturbüro Lombardini22, der zentrale Veranstaltungsbereich Aurore, gedacht wie lebendiger Stadtplatz, wurde nach den Vorstellungen des Designduos Formafantasma gestaltet.

Breiter angelegte Gänge zwischen den Standflächen zogen sich in leichten Kurven durch die Hallen. Neue Blickachsen entstanden, die eine freiere Voraussicht auf die kommenden Stände ermöglichten. Die Besucher füllten sich weniger durch enge Schluchten als über geräumige Dorfstraßen geführt. „Experiment gelungen“, waren vielen Stimmen unter den Ausstellern und Besuchern zu vernehmen. Vereinzelt wurden Verbesserungen beim Flächenlayout für die Stände gewünscht.

Großer Andrang beim 61. Salone del Mobile. Das internationale Publikum ist großteils zurück in Mailand. Die Euroluce wagt ein neues Konzept.
Der Teppich ‚Monolith‘ zeichnet sich durch beigefarbene horizontale und vertikale Linien in unterschiedlichen Längen aus. Der Entwurf geht auf Gouachen und Bleistiftzeichnungen von Eileen Gray zurück. Foto: Classicon

Messen als Kumulationspunkte

Gestalterisch hervorragend integriert waren die Sonderflächen für thematischen Ausstellungen und Diskussionsforen. Der konzeptionelle Ansatz, die Messe neben der Möglichkeit zur Produktpräsentation auch als Kommunikationsplattform auszubauen, ist nicht gänzlich neu, aber in der Interiorbranche bisher wenig geübt. Die herstellerübergreifende Diskussion von Branchenthemen, Kunst und Kultur scheint die Besucher zu interessieren. Wenn die Unternehmen sich inhaltlich beteiligen und Vorträge und Präsentationen genügend Distanz zu plumper Eigenwerbung wahren, schlummert hier wohl einiges Potenzial, Messen als Kumulationspunkte für Begegnung und Austausch fortzuschreiben.

Alle Aussteller auf einer Ebene

In den Hallen für die Möbelhersteller wurden nur die Flächen im Erdgeschoss bespielt und dabei am gewohnten Raster der Stände und Gänge festgehalten. Auf der einen Seite für die Besucher eine Erleichterung beim individuellen Ablaufen interessanter Hersteller, auf der anderen Seite wohl auch eine Reaktion auf die reduzierte Nachfrage nach Ausstellungsflächen. Auch deutsche Marken gehen hier unterschiedliche Wege. Cor beispielsweise hat zum wiederholten Mal jenseits der Messe im Zentrum von Brera Anker geworfen, auch Walter Knoll hat diesmal dort im Designviertel seine Neuheiten präsentiert. Classicon zeigte Präsenz auf der Messe und in der Stadt, während e15 sich wie schon einige Jahre auf die Messe konzentrierte.

Durch die Neuverteilung der Messehallen gingen gewohnte und bewährte Markennachbarschaften bedauerlicherweise verloren. Was bei verschiedenen Ausstellern wegen unpassender Standnachbarn für Frust, bei Besuchern zu mehr Suchen führte. Bei jeder Neu-Sortierung in den Hallen scheint neben der Flächenoptimierung auf Veranstalterseite sicherlich auch eine genauere Kenntnis des Portfolios der jeweiligen Marken erforderlich. Irritierend im Kontext Möbel kann man wohl die großflächige Präsentation des italienischen Armaturenherstellers Gessi sehen.

Großer Andrang beim 61. Salone del Mobile. Das internationale Publikum ist großteils zurück in Mailand. Die Euroluce wagt ein neues Konzept.
Die ikonischen Sitzmöbel aus Stahldraht von Richard Schultz haben ein farbliches Update erhalten, Piero Lissoni nimmt in seiner Outdoor-Kollektion die klaren Linien der Klassiker auf. Foto: Knoll/Federico Cedrone

Vorsichtiges Tasten statt prägnanter Trends

Die Suche nach Trends, nachkommenden, bedeutenden Strömungen im Interiordesign blieb beim Salone ohne klares Ergebnis. Die gestalterischen Statements sind vorsichtig und tastend. Gerne mit Rückblick auf historische Erfolgsprodukte und mit Bezug zu gelobten Designergrößen. Nachhaltigkeit ist im Allgemeinen ein großes Thema, bei manchen Marken jedoch bereits so selbstverständlich integriert, dass kaum noch dazu gesprochen wird. Es reicht also längst nicht (mehr), sich mit Design und verantwortlichem Handeln zu positionieren. Die Story der Marken und Produkte muss größer und ganzheitlich und darf keinesfalls nur eine beliebige Erzählung sein.

Großer Andrang beim 61. Salone del Mobile. Das internationale Publikum ist großteils zurück in Mailand. Die Euroluce wagt ein neues Konzept.
Der Sessel ‚Twain‘, dessen Gestell von einem Zurrgurt gehalten wird, ist vom klassischen Safari Chair inspiriert. Konstantin Grcic hat in Zusammenarbeit mit Hella Jongerius die Materialien Holz, Leder und Stoff auf neue Weise kombiniert. Foto: Magis

Üppige Formen und weiche Kurven

Im Design ist wenig Entschlossenheit zu finden. Gehen die scharfen Kanten verloren, nimmt der Minimalismus Abschied in einer immer bunteren Welt? Selbst Konstantin Grcic, bekannt für klare, reduzierte Formen, spielt bei Magis mit einer Interpretation des historischen Safari-Stuhls, addiert in Zusammenarbeit mit Hella Jongerius Farbe und Muster bei dessen Überwurf. Sofas und Sessel haben vielfach üppige Formen und weiche Kurven. Bei Wittmann zeigt ‚Figura‘ von Luca Nichetto natürliche Rundungen, fast wie arrangierte Findlinge wirken die Sitzmöbel, die wie bei vielen anderen Herstellern mit weichen Bouclé-Stoffen bezogen sind. Bei Arper erinnern die modularen, vielfach kombinierbaren Elemente der Serie ‚Ralik‘ (Design: Ichiro Iwasaki) an bunte, überdimensionale Drops.

Outdoor-Möbel sind mittlerweile für die meisten Hersteller ein fester Bestandteil im Portfolio. Bei Knoll kombiniert Piero Lissoni die formale Strenge eines frisch aufgelegten Sessels von Richard Schultz aus 1966 mit weichen, lockeren arrangierten Polsterkissen bei seinem terrassentauglichen Sofaentwurf. Die Inszenierungen der Stände wirkten diesmal weniger wie reduzierte Ideale sondern eher wie Collagen, die bisweilen überfüllt mit atmosphärischen Details aus dem „echten“ Leben sind.

Großer Andrang beim 61. Salone del Mobile. Das internationale Publikum ist großteils zurück in Mailand. Die Euroluce wagt ein neues Konzept.
Ein gestrickter Überzug aus Lycra verleiht der von Meike Harde entworfenen Leuchte ‚Knit‘ das charakteristische Aussehen. Foto: Vibia

Gestaltungswille bei den Leuchtenherstellern

Spannender waren die Entwicklungen bei den Leuchten. LED sind allgegenwärtig, deren technische Seite ist für viele Belange ausreichend gereift. So richtet sich der Fokus der Designer wie der Hersteller auf gestalterischen Möglichkeiten, die in den immer kleineren, immer leistungsfähigeren Lichtquellen stecken. Thierry Dreyfuss schafft mit der ‚La Lampe B‘ für DCW eine architektonische Form, auch John Dawson kommt an der skulpturalen Wirkung seiner ‚w223‘ für Wästberg nicht vorbei. Bei Flos verbindet Ronan Bouroullec bei ‚Céramique‘ farbige Keramik mit organischen Formen und beschwört so unterschwellig das Thema Nachhaltigkeit. Für Vibia entwirft die Deutsche Meike Harde eine Serie mit gestrickten Leuchtenschirmen, weiche Oberflächen und organische Formen sorgen für warmes, atmosphärisches Licht. Einen Fingerzeig auf das Potential, das in LED und innovativen Materialentwicklungen steckt, ist der Leuchte ‚Ray‘ (Design: Cristian Loddo, Hugo Berger) von Midgard. Der Prototyp auf der Euroluce überrascht mit einem kreativen Umgang mit Materialspannung und Gewicht.

Großer Andrang beim 61. Salone del Mobile. Das internationale Publikum ist großteils zurück in Mailand. Die Euroluce wagt ein neues Konzept.
Der Salone Satellite birgt weiterhin Anziehungskraft für den Designnachwuchs. 27 Designschulen und rund 550 Absolventen und Jungdesigner waren auf der großzügig angelegten Ausstellungsfläche von 4000 m² präsent. Foto: Salone del Mobile / Ludovica Scardigno

Entwicklungsrichtung nicht erkennbar

„Der Salone del Mobile ist der Antrieb der Branche“, postulierte Maria Porro am Eröffnungstag. Zurück im „New Normal“ erscheint die Interiorbranche in der Tat dynamisch und optimistisch, doch deutliche Impulse für eine Entwicklungsrichtung sind momentan nicht erkennbar. Die gezeigten Szenarien – mehr noch in der Mailänder City (Maria Porro: „Dort spielt die Kreativität.“) als auf dem Messegelände – wirken mancherorts wie ein üppiges Füllhorn. Statt Besinnung und Reduktion zeigen Produkte und Inszenierungen bunte Opulenz. Auch der Nachwuchs auf dem SaloneSatellite lässt bis auf wenige Ausnahmen erfrischende Impulse vermissen. Trotz erheblicher äußerer Zwänge bestimmt vorsichtiges Suchen das Geschehen, für eindeutige und verbindliche Antworten braucht es mehr denn je Geduld.

Der nächste Salone del Mobile findet vom 16. bis 21. April 2024 statt.

Webseite der Messe

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