Zwar gibt es auch andere Lichtplanungsbüros, die bewusst eigene Leuchten herstellen, statt mit bereits im Markt erhältlichen Produkten großer Hersteller zu arbeiten. Doch wohl kaum jemand arbeitet dabei so professionell und detailverliebt wie das libanesische Unternehmen PSLab Lighting Design.
Denn Lichtplanung bedeutet hier neben der Anfertigung kunstvoller Skizzen von einzelnen Leuchten und im Bedarfsfall dem maßstabsgetreuen Nachbau von Raumsituationen auch die Herstellung sämtlicher Lichtobjekte in einer eigenen Fabrik. Dimitri El Saddi, der Gründer des Unternehmens, fährt mit uns an den Ort, wo vor fast zwanzig Jahren alles begann und sich bis zum 4. August 2020 das Headquarter von PSLab befand.
Dann zerstörte eine gewaltige Explosion von rund 2 700 t falsch gelagertem Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut nicht nur die Gebäude des Unternehmens, sondern legte die halbe Stadt in Schutt und Asche. Über 200 Menschen starben, Tausende wurden verletzt und Hunderttausende verloren ihre Wohnungen – mitten in einer schon damals tiefgreifenden Wirtschaftskrise und der Pandemie.
Verschüttete Träume
Es fällt El Saddi nicht leicht, an diesen Ort zurückzukehren – einst gründete er hier sein Unternehmen, nun versinnbildlicht die Brachfläche mit den zerstörten Gebäuden die politische, wirtschaftliche und soziale Misere des gesamten Libanons.
Und dennoch denkt er nicht daran, den Libanon zu verlassen, wie er uns später auf der Terrasse seiner Maisonette-Wohnung mit Blick auf die Stadt und das Mittelmeer erzählt. Seine Biografie ist typisch für so viele Menschen seiner Generation: Geboren 1970, verließ El Saddi den Libanon während des Bürgerkriegs mit seiner Familie Richtung Dubai, besuchte später ein Internat in England und zog nach Montréal, ehe er nach Beirut zurückkehrte.
Allen Widrigkeiten zum Trotz
Mit dem Thema Licht und Beleuchtung ist El Saddi aufgewachsen, denn schon sein Vater arbeitete für verschiedene Leuchtenhersteller. Von ihm lernte er die Grundlagen der Lichtplanung, arbeitete eine Zeit lang für ihn, bis er sich selbstständig machte und eine Leuchtenproduktion startete – „von null“, wie er sagt.
Die Menschen im Libanon haben eine wirklich erstaunliche Widerstandsfähigkeit. Das bestätigt auch El Saddi und ergänzt, dass die Gründung eines Unternehmens wie PSLab so wohl nur in Beirut möglich gewesen sei. Denn hat man hier eine kreative Idee und sei sie noch so abwegig, macht man sich sogleich an die Umsetzung, allen Widrigkeiten zum Trotz. Deshalb vergingen nach der Explosion auch keine zwei Wochen und das komplette Headquarter von PSLab war nach Bouar umgezogen, wo sich zuvor bereits die Produktionsstätte befand.
Libanesische Resilienz
Viele Projekte waren in der Pipeline und konnten nicht warten. Denn das libanesische Unternehmen arbeitet fast ausschließlich für ausländische Auftraggeber, was ein Glück ist in der derzeitigen Situation. Es sichert dem Unternehmen wichtige Devisen und bietet den Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz mit Dollar-Gehalt in einem Land mit beständig schwindelerregend hoher Inflation.
Daher arbeitet das libanesische Unternehmen mit renommierten, international tätigen Architekten und Innenarchitekten zusammen – darunter Ester Bruzkus Architekten, Piet Boon, Vincent Van Duysen, Stephanie Thatenhorst und India Mahdavi.
Maßarbeit von PSLab
Batek Architekten aus Berlin haben bereits fünfzehn Projekte mit PSLab umgesetzt, drei weitere sind aktuell in Planung. „Für uns besonders relevant sind die maßgeschneiderten Lösungen, die exakt auf unsere Entwürfe zugeschnitten sind und sie in Szene setzen“, sagt Patrick Batek.
Für ihn ist die Lichtplanung eine eigenständige Profession, weshalb PSLab bei Projekten wie der Zalando Beauty Station in Berlin jeweils die komplette Lichtplanung ausgeführt hat, wozu technisches und auch dekoratives Licht gehören.
Thomas Kröger vom gleichnamigen Berliner Architekturbüro schätzt an der Zusammenarbeit mit PSLab die individuellen Konfigurationsmöglichkeiten der einzelnen Systemkomponenten, wodurch eine passgenaue Gestaltungslösung für jede Einbausituation erfolgen kann. „Bei PSLab geht es nicht so sehr um die Gestaltung einer einzelnen Leuchte, sondern um die Implementierung einer Leuchte in den jeweiligen Kontext“, erläutert Dimitri El Saddi.
Umfangreiches digitales Archiv
Wenige Tage nach unserem Gespräch sind wir auf dem Weg von Beirut Richtung Norden. Wir wollen uns das Herz des Unternehmens ansehen, die Produktion. PSLab steht in großen Lettern an dem Fabrikgebäude, das idyllisch am Meer gelegen ist. Im Erdgeschoss befindet sich das Designstudio. Architekten, Ingenieure sowie Produkt- und Grafikdesigner sitzen an ihren Computern und arbeiten an Projekten oder dem umfangreichen digitalen Archiv des Unternehmens, umgeben von skandinavischen Vintage-Möbeln.
Prototypen von Leuchten
Mock-ups verschiedener Prototypen von Leuchten stehen herum, es wird mit Materialien, Formen und Funktionen experimentiert. Auf einem Tisch liegen mundgeblasene Lampenschirme aus Glas, darüber ist eine bewegliche Deckenleuchte angebracht, für die man die Raumsituation des Auftraggebers maßstabsgetreu nachgebaut hat.
Dass man hier nichts dem Zufall überlässt, wird auch in den oberen Etagen deutlich, der eigentlichen Fabrik. Hier findet der gesamte Produktionsprozess an einem einzigen Ort statt: von der Herstellung der einzelnen Leuchtenkomponenten über die Montage und Qualitätskontrolle bis hin zum Versand.
Dabei liegt der gesamte Design- und Herstellungsprozess in einer Hand – sogar alle Verpackungsmaterialien werden von PSLab für das jeweilige Projekt entworfen, Holzkisten maßgefertigt und Banderolen bedruckt.
Making-of … Leuchten
„Da wir aus dem Libanon kommen und nicht mit internationalen Leuchtenherstellern konkurrieren können, was das eigentliche Produkt betrifft, müssen wir uns durch etwas anderes unterscheiden“, hatte uns Dimitri El Saddi am Anfang unseres Gesprächs gesagt, als wir ihn nach der Grundidee von PSLab fragten. Im Fall seines Unternehmens heißt dieser entscheidende Unterschied: Kreativität und Kundenservice.
Gabriela Hauser
