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Wie öko und fair sind Wohntextilien? Tue Gutes und rede darüber

Tue Gutes und rede darüber
Wie öko und fair sind Wohntextilien?

Firmen im Artikel
Die Mode macht vor, dass Nachhaltigkeit heute nicht nur ein Trend, sondern ein handfester Wettbewerbsvorteil ist. Wann zieht die Branche der Wohntextilien nach? Oder ist sie etwa schon dabei und versäumt nur, darüber zu reden?

Autorin Fredericke Winkler

Handle stets so, dass die kommenden Generationen unter denselben oder besseren Bedingungen leben können wie wir heute. So lautet die einfachste und zugleich anspruchsvollste Definition von Nachhaltigkeit. Wendet man sie auf die Industrie an, ergeben sich ökologische, soziale und gestalterische Richtlinien. Dabei wird der Begriff der Nachhaltigkeit gerne zuerst mit dem Ressourcenverbrauch in Verbindung gebracht. In Gedanken an kommende Generationen sollte man auf nachwachsende Rohstoffe setzen und davon nur so viel verbrauchen, wie in der Tat auch nachwachsen kann. Zudem sollten Wasser, Luft und Erde innerhalb der Produktionsprozesse geschont werden. Es leitet sich weiter eine unternehmerische Gesinnung in Form von Zuverlässigkeit, Transparenz und Verantwortungsbewusstsein gegenüber direkten aber auch indirekten Partnern ab.

Wichtige Marker sind dabei die Preise, Lieferbedingungen, Risikoverteilung und Planungssicherheit. Es gilt die Regel: Nicht die Machbarkeit sondern die Vertretbarkeit zählt, ungeachtet dessen, ob man mit dem Gestalter in Europa, dem Produzenten in Asien oder mit dem Kurier in der Region verhandelt. Zu guter Letzt ergeben sich Kriterien für das Produkt. Stets muss man sich fragen, ob Waren nicht effizienter hergestellt werden können, ob es auf Materialebene Neuerungen gibt und ob der Gebrauch noch dem Zeitgeist des Verbrauchers entspricht. Gleichzeitig ist man der Kulturgeschichte seiner Produkte verpflichtet. Denn es sind die Hersteller, die darüber entscheiden, ob althergebrachte Handwerkstechniken überleben – auch dies kann eine Form von Innovation sein.

Nachhaltige Produktion

Die Textilindustrie mit ihrer komplexen und weltumspannenden Wertschöpfungskette hat dabei eine lange Liste an Aufgaben zu bewältigen. Sie verbraucht enorm viel Wasser – allein etwa 11 000 l für eine Jeans – und setzt zahlreiche Chemikalien in Form von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Reinigungs- und Bleichmitteln, Farbstoffen und für die Ausrüstung ein.

Diese stellen häufig eine große Belastung für Leben, Luft, Wasser und Erde dar. Der Löwenanteil der Fertigung liegt in Ländern, auf deren staatliche Regelungen in puncto Arbeitsbedingungen man sich nicht verlassen darf und nicht zuletzt werden textile Produkte in der Regel viel kürzer gebraucht, als es ihr Lebenszyklus zuließe. Ihr ökonomischer Wertverlust steht also in keinem Verhältnis zu ihrem natürlichen Verschleiß.

Technisch ist es heute möglich, Wohntextilien nachhaltig zu produzieren, und das nicht zwingend zu einem höheren Preis. Allerdings mag die Umstellung der Prozesskette durchaus aufwendig und mit Kosten verbunden sein. Vor allem Modeunternehmen zeigen sich hierzu bereit und lancieren Innovationen aus Bio- oder Recyclingfasern. Sie stellen auf umweltfreundliche Färbe- und Ausrüstungsverfahren um und legen ihre Lieferketten offen. Wichtig dabei: Sie tun es nicht nur, sondern sie reden auch darüber. Sie nutzen solche Themen zur Ansprache einer zunehmend umweltbewussten und solidarischen Konsumentengruppe. Und diese stellen unterdessen deutliche Forderungen, etwa indem sie nach Öko-Siegeln wie dem Global Organic Textile Standard, kurz GOTS, suchen, der unterdessen weltweit mehr als 4600 Zertifizierungen durchführt. 2014 waren es noch etwa 1000 weniger. Und sie bevorzugen Fair-Trade-Waren, deren Umsatz allein in Deutschland in 2016 um 18 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro gewachsen ist.

Unter den Wohntextilien indes ist Nachhaltigkeit scheinbar nicht Teil des Tagesgeschäfts, zumindest wird es kaum kommuniziert. Und das, obwohl für viele Branchenvertreter als langjährige Familienunternehmen die Sorge um kommende Generationen quasi Teil der DNA ist. Oft handelt es sich zudem noch um echte Herstellungsbetriebe. Die Nähe zum Material, zur Arbeiterschaft und zum Produktionsprozess ist also deutlich gegeben. Mangelt es hier tatsächlich am Tun oder doch eher am Darüberreden?

Green Tours

„Ich erkenne bei einigen Unternehmen eine starke Entwicklung nach innen. Sie finden ihren eigenen Weg in Richtung Nachhaltigkeit und gewinnen das Selbstbewusstsein, sich relevanten Themen anzunehmen. Allerdings sehe ich, dass die Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen noch sehr holprig läuft. Allzu oft findet sie – sogar bei sehr engagierten Unternehmen – kaum statt oder aber sie schafft es nicht, die relevanten Aspekte klar und ansprechend zu kommunizieren, geschweige denn sinnvoll für die eigenen Vermarktung zu nutzen“, erklärt Max Gilgenmann im Gespräch. Er ist Berater für nachhaltige Textilien und zeichnet sich als technischer Direktor der Modemesse Ethical Fashion Show Berlin verantwortlich für deren Nachhaltigkeitskriterien. Er leitet auf der Fachmesse „Heimtextil“ die Green Tours und führt Besucherdelegationen zu Unternehmen, die durch innovative Geschäftskonzepte hervorstechen. Dieses Angebot ist ein recht junger Vorstoß der Leitmesse, das Thema während der Veranstaltung stattfinden zu lassen. Zusätzlich publizieren sie den Green Directory, einen Katalog, in dem nachhaltige Aussteller aufgelistet sind. Hier geht es offenbar darum, in zwei Richtungen zu sensibilisieren, sowohl die Besucher als auch die Aussteller. „Nachhaltigkeit ist im Bereich der Wohntextilien noch kaum ein ökonomisch-gewinnbringendes Thema. Das wird es wohl erst, wenn Ihre Unternehmen durch gezielteres Marketing einen Wettbewerbsvorteil aus Ihren Bemühungen generieren. Eine Ausnahme bilden hierbei Themen rund um Ressourceneffizienz, die durch technologische Innovationen immer mehr Fahrt aufnimmt“, erklärt Gilgenmann.

Dabei werde es von der Öffentlichkeit positiv aufgenommen, wenn sich Unternehmen bestimmter Spezialthemen annehmen. Dies könne laut Gilgenmann die regionale Beschaffung sein, die Spezialisierung auf eine umweltfreundliche Natur- oder Synthetikfaser oder eben die Anwendung einer neuen Technologie. Wichtig sei, dass man für etwas stehe. Als Beispiel nennt er Libeco, den Hersteller für belgisches Leinen. Die Weberei hält nicht nur alle Produktionsschritte in der Region sondern ist ein Best-Practice-Betrieb in puncto Energieeffizienz. Darüber hinaus macht es sich Libeco zur Aufgabe, die Kompetenz für zeitgemäße Leinenprodukte zu sein. Ein weiteres Beispiel ist die österreichische Firma Lenzing, deren Viskose Tencel mittels eines Verfahrens hergestellt wird, das zu 99,8 Prozent kreislauffähig ist, dessen Komponenten wie Lösungsmittel und Wasser also immer wieder aufbereitet werden. Tencel ist mit Seide vergleichbar, aber kostengünstiger, und vor allem für Bettwäsche beliebt. Sie eignet sich aber auch besonders gut als Teppichfaser.

Warenkreislauf

Auch solle man Mut zur Nische haben. „Zukunftsweisende Konzepte wie Cradle-to-Cradle werden insbesondere von der Presse mit hohem Interesse verfolgt. Aber auch wenn die Anzahl der kreislauffähigen Produkte, nicht nur im Bereich der Wohntextilien sondern im Allgemeinen, noch sehr überschaubar ist, sehe ich aufgrund der innovativen technischen Herangehensweise eine starke Entwicklung voraus.“ So hat diesen September der Schweizer Händler Pfister eine Gardine lanciert, die Cradle-to-Cradle zertifiziert ist, also nach Gebrauch theoretisch in die Biotonne geworfen werden kann. Laut Pfister sei die Gardine sogar günstiger als eine vergleichbare herkömmliche aus dem eigenen Programm.

Unabhängig von der ethischen Notwendigkeit, ist Nachhaltigkeit offenbar ein Thema an dem sich zukünftig der Erfolg am Markt ablesen lässt. Anstatt also in letzter Minute auf den vollen Zug aufzuspringen, sollte man jetzt den Markt bestimmen. Gilgenmanns Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“ ist entsprechend klar: „Nachhaltigkeit ist heute ein Lifestyle-Thema. Im Food- und Fashionbereich ist das ein alter Hut, aber je stärker die Einrichtung ebenfalls Teil des täglichen Lifestyles wird, desto stärker wird Nachhaltigkeit in der Branche auch eine Trendrolle spielen. Diejenigen, die das jetzt erkennen, haben zukünftig die Nase vorn.“

Hier gelangen Sie zu einer Produktübersicht zum Thema Textilien.

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