Autorin: Ute Laatz
Die Idee kam den Protagonisten beim Feierabendbier, als Architekt Oliver Fischer mit Freunden die Gastwirtschaft in pittoresker Bodenseeidylle besuchte. „Aus dem alten Schuppen nebenan müsste sich doch was machen lassen“, meinten die Freunde mit Seitenblick auf den Fachmann in ihrem Kreis. Und tatsächlich war Oliver Fischer spontan eingenommen von dem möglichen Umbauprojekt und auch die Hofbesitzerin fand die Idee spannend, neuen Wohnraum neben ihrer Gastronomie im Hauptgebäude zu schaffen. „Ganz leicht ist es nicht, für solche baurechtlich dem Außenbereich eines Ortsteils zugehörigen Schuppen eine Umnutzungsgenehmigung zu erhalten.
Aber wir hatten Glück. Das örtliche Baurechtsamt zeigte sich kooperativ. Und die Auflagen, maximal ortstypisch zu bauen, entsprachen ohnehin exakt unserem Konzept“, erinnert sich Oliver Fischer an die Anfänge des komplexen Unterfangens.
Subtile Eingriffe führen zu radikaler Erneuerung
Ursprünglich für die Lagerung von Hopfen erbaut diente die Scheune in den letzten Jahren einem Schreiner als Werkstatt. Die Architekten vom Stuttgarter Architektenbüro Fischer Rüdenauer Architekten PartmbB planten, die Raumhöhe zu erweitern, um im Inneren eine partielle Zweigeschossigkeit zu erzielen.
Die hölzerne Fassade konnte aufgrund der geänderten Dimensionen nach der neuen Dämmung der Außenhülle nicht mehr verwendet werden, wurde aber lattenweise feinsäuberlich demontiert, um im Innenbereich beispielsweise für die Kücheninsel wiederverwendet zu werden. „Für die übrigen Hölzer fanden sich Käufer aus der Nachbarschaft“, ist Fischer dankbar den wertvollen patinierten Werkstoff weiterhin im Kreislauf zu wissen.
Für die neue Verkleidung wählte das Architekturbüro vorpatinierte Weißtanne von Trautwein aus Kressbronn (Fabrikat Häussermann, ausführende Firma Trautwein). „Wir hatten auch über das momentan sehr trendige, nach der japanischen Shou-Ban-Technik geflammte Holz nachgedacht. Aber Schwarz wäre zu hart gewesen, deshalb haben wir uns für eine spezielle witterungsbeständige Lasur in Erdgrau, das der über viele Jahrzehnte entstandenen Patina nahekommt, entschieden“, erläutert Oliver Fischer die Überlegungen, das Gebäude äußerlich so wenig wie möglich zu verändern.
Modernisierung im Verborgenen
Die beiden großen bodentiefen Fensteröffnungen an den Längsseiten wurden in Größe und Positionierung den ursprünglichen Scheunentoren authentisch nachempfunden. Zusätzlich bereichern heute beide Giebelseiten ähnliche Fensterflächen, die großzügige Durchblicke quer durch das Haus zulassen und dem Inneren seine lichte, offene Atmosphäre geben. Für nötige Privatsphäre und um die optische Unversehrtheit der Scheune zu bewahren, sorgen Schiebetore vor allen vier Glasfronten.
Mit ihrer lamellenartigen Lattenkonstruktion produzieren sie im geschlossenen Zustand stimmungsvolles Streiflicht im Inneren, während das Gebäude so von außen kaum von anderen Schuppen der Umgebung zu unterscheiden ist. „Das größte Kompliment, dass wir für das Haus bekommen haben, war der Kommentar von regelmäßigen Besuchern der Gastwirtschaft, dass sie gar keine Veränderung bemerkt hätten. Damit haben sie mir die Bestätigung geliefert, unser Ziel erreicht zu haben. Die Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum, der sich in keinster Weise exponiert, sondern perfekt in den Bestand einfügt“, so der Oliver Fischer.
Dunkle Schale, heller Kern
Zur erdig-grauen Fassade gestaltete das Team von Fischer Rüdenauer Architekten das Interieur hell und klar. Als Hauptwerkstoff kam dabei überwiegend Fichte zum Einsatz. Das von Natur aus weißliche Holz wurde nicht geölt, sondern mit einem leicht pigmentierten UV-Lack behandelt, um die typische Gelbfärbung durch Sonnenlicht zu vermeiden.
Abriebfest schützt er zudem auch das ansonsten empfindliche Holz insbesondere an strapazierten Stellen wie den Türen oder in der Küche. Statt Einzelmöbel wurde zugunsten der minimalistischen Aufgeräumtheit eine Schalung geschaffen, die sowohl Schränke als auch die Garderobe, einen Abstellraum und den Elektroverteiler hinter glatten Fichtenfronten beherbergt.
Fischer Rüdenauer Architekten kreieren optische Ruhe
„Der Grundriss ist größer als die sichtbare Fläche, aber dafür kehrt optisch Ruhe ein“, erklärt Oliver Fischer das Prinzip der bündigen Flächen, die auch Türen und sogar die Treppe nach oben umfasst. Für die entsprechende Wirkung empfiehlt der Experte, der Richtung von Maserungen, präzisen Fugen und der unsichtbaren Montage besonderes Augenmerk zu schenken. „Damit alles so simpel und schlicht wirkt, ist viel Detailarbeit gefragt“, konstatiert er.
Glatt und unprätentiös präsentiert sich auch der Bodenbelag. Angelehnt an den ursprünglichen Nutzboden wählten die Architekten simplen geschliffenen Estrich. Dass sich darunter eine moderne Fußbodenheizung verbirgt, entspricht einmal mehr dem Konzept des Hauses, Komfort ohne Aufsehen zu bieten. Mieter des Objekts sind übrigens Freunde der Bauherrin, die damals in einer Bierlaune den Anstoß für dieses in jeder Hinsicht nachahmenswertes Projekt geliefert haben.
Materialien
Parkett: Fichte, Adler Parkett
Sichtestrich: Creafloor Design-Estrich, Firma Meschenmoser
Fenster, Haustürelement: Holz-/Alu, Josko
Sanitär: Villeroy + Boch, Hansgrohe, Duravit
Leuchten: Delta Light, Flos, Toplight, Bega
Türdrücker: Griffwerk
Innenausbau: Fichte, Dreischicht
Fassade: Weißtanne, vorpatiniert, Häussermann
Dachdeckung, Sockel: Kupfer
Schalterprogramm: Berker ‚1930‘
Schreiner Innenausbau: Michael Klocker, Schreinerei, Hirrlingen
Konstruktiver Holzbau, Fassade, Schiebeläden: Firma Trautwein Holzbau, Kressbronn
Architektur: Fischer Rüdenauer Architekten PartmbB, Webseite der Architekten; Dipl. Ing.(FH) Oliver Fischer, Freier Architekt BDA
Projektarchitektin: Annika Gapp
Tragwerksplaner: Merz Kley Partner GmbH, Dornbirn
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