Wie sieht die Zukunft des Einkaufens aus? Wie die der entsprechenden Gebäudetypologien, wenn Waren zunehmend im Internet bestellt werden? Inwieweit müssen Marken ihre Verkaufsmodelle überdenken? Inmitten der Covid-Pandemie entstand mit ‚The Playhouse‘ ein spannendes Konzept, das diese Fragen adressiert.
Steter Wandel
Die Architektur ist von der Idee des Theaters und der Performance inspiriert, bewegliche Elemente ermöglichen Verwandlung und Anpassung an unterschiedlichste Aktivitäten. Das Konzept von Pan Projects und Haruki Oku Architects trägt der Erkenntnis Rechnung, dass physische Geschäfte nur dann relevant bleiben, wenn sie Kunden ansprechen, die nicht nur kaufen, sondern auch etwas erleben wollen.
Dies gilt insbesondere für den Stadtteil Aoyama, der die früher in diesem Gebiet vorherrschende Jugendkultur langsam verdrängte. Die Vermietung von Flächen für andere Aktivitäten als nur die Warenpräsentation könnte ein gangbarer Weg sein, um Einnahmen zu erzielen und gleichzeitig Kultur zu fördern.
Losgelöst von der Fülle an Produkten, die normalerweise Ladenflächen besetzen, erleben die Besucher im Playhouse eine sich immer wieder radikal verändernde räumliche Anordnung für Pop-up Shops junger Unternehmen, welche die Essenz der ausgestellten Marken auslotet. Modenschauen, Workshops, Vorträge und Konzerte sind in das Einkaufserlebnis eingeflochten und werden durch die adaptierbaren Gestaltungselemente dynamisch unterstützt.
Vorhang auf
Auch der Auftritt von ‚The Playhouse‘ im Straßenbild ist performativ: Ein über zwei Stockwerke drapierter silberner Vorhang, der in Kooperation mit dem Studio Onder de Linde entworfen wurde, bespielt den Eingangsbereich und ersetzt eine Auslage.
Er verweist auf das Dahinter und macht neugierig. Als temporäre Bühne kann dieser Ort für Veranstaltungen mit bis zu 50 Personen genutzt werden. Drehbare Wandelemente strukturieren das Erdgeschoss. Die rauen Oberflächen der Betonkonstruktion des Gebäudes sind freigelegt und mit einem neu eingebrachten Betonboden ergänzt. Die technische Infrastruktur ist sichtbar und zugänglich und unterstützt so wandelbare Szenarien.
Frei im Raum stehen kulissenartige Drehwände. Auf einer Seite sind sich vertikale Befestigungsprofile für das Einhängen von Regalen angebracht. Die andere Seite ist mit Metallpaneelen aus Kupfer, Messing und Aluminium belegt.
Im Zusammenspiel ergibt sich durch die glänzenden und matten Oberflächen und die changierenden Farbtöne ein spannender und zugleich harmonischer Rhythmus im Raum, der temporäre Präsentationen zu einer Einheit verbindet.
Variable Abtrennungen
Im ersten Stockwerk befindet sich eine weitere Ausstellungsfläche für Produkte, die zu den festen Marken des Ladens gehören. Im zweiten Stock ist eine große multifunktionale Halle angesiedelt. Eine Schichtung semitransparenter Vorhänge im Raum sorgt hier für variable Abtrennungen, um Veranstaltungen unterschiedlicher Größe zu ermöglichen. Für Unternehmensevents, aber ebenso für private Feiern wie Geburtstage oder Hochzeiten können die Räume gemietet werden.
Das inhaltliche Konzept reagiert mit adaptivem Design auf die zunehmende Etablierung des Onlineshoppings, die sich – beschleunigt durch die Pandemie – auch auf die Innenstädte auswirkt. Das Gebäude ist ein Statement, über neue Funktionalitäten nachzudenken und durch die Überlagerung von Aktivitäten bisher monofunktional ausgerichtete Viertel wieder nachhaltig zu beleben.
‚The Playhouse‘ liegt in Tokios bekanntestem Shoppingviertel Aoyama. Hier reiht sich Luxusboutique an Luxusboutique, die Grundstücks- und Mietpreise sind entsprechend hoch. Dieses Konzept der Produktpaläste hinterfragt das Projekt von Pan Projects und Haruki Oku Architects.
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Fakten
Projekt: ‚The Playhouse‘
Ort: 5-Chome-8-5 Minamiaoyama, Minato City, Tokio, Japan
Architektur: Pan-Projects, Yuriko Yagi, Kazumasa Takada, London; Haruki Oku, Tokyo
Auftraggeber: Crazy Inc. & BLBG Inc.
Fertigstellung: Oktober 2020
Fläche: 1 356 m²
Materialien:
Silberner Vorhang: Studio Onder de Linde, Stoff Tesoro, Sekisui Nano Coat Technology
Böden EG und 1. OG: Betonboden mit Staub bindendem Anstrich
Böden 2. OG: gewachstes Holz
Wandpaneele: geöltes Sperrholz, Alpolic Metallverbundplatten mit Kunststoffbeschichtung
Möblierung: Tische: ‚Cph 30 Table‘ von Hay; Stühle: ‚Cross Chair‘, ‚Soft Lounge Chair‘, ‚Soft Chair‘ und ‚Arc Chair‘ von Takt
Autorin Christiane Sauer
Die Architektin und Materialspezialistin lehrt als Professorin für Materialentwurf an der Weissensee Kunsthochschule Berlin.