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Werkstoffkreislauf

Pentatonic entwickelt Produktkonzepte für das Recycling
Werkstoffkreislauf

Wiederverwertbaren Materialien haftet das Stigma des zweitklassigen Abfalls an. Eine Fehleinschätzung, wie das Entwicklungsbüro Pentatonic beweist: mit Produkten aus Smartphone-Gläsern, wiederaufbereitetem PET oder Gold aus Elektroschrott. Ein Beitrag zum Werkstoffkreislauf.

Autor: Armin Scharf

Unser Ressourcenverbrauch ist viel zu hoch. Durchschnittlich 30 t Materialien werden in Deutschland pro Kopf und Jahr verbraucht. Diesen Wert hat das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie bereits 2017 ermittelt – und das Ziel gleich mit. Will die Gesellschaft wirklich nachhaltig sein, müssen 8 t reichen. Der Werkstoffkreislauf kann einen Beitrag dazu leisten.

Werkstoffkreislauf, Pentatonic
Starbucks Roastery Accessories. Foto: Pentatonic

„Ressourcenleichtigkeit“ nennt Institutsleiter Uwe Schneidewind im Buch „Die Große Transformation“ den anzustrebenden Zustand. Der setzt eine funktionierende Kreislaufwirtschaft voraus – und „Produkte, die mit einem transformativen Design ressourcenleichte Lebensstile unterstützen“.

Gerade daran und einem funktionierenden Werkstoffkreislauf mangelt es nach wie vor. Besonders Konsumprodukte folgen fast ausnahmslos dem linearen Verbrauchsprinzip, an dessen Ende die Entsorgung, vulgo Wegwerfen, steht.

Bruchteil zurück im Werkstoffkreislauf

Nur ein Bruchteil gelangt heute wieder in den Werkstoffkreislauf zurück. Das zu ändern, haben sich nicht nur diverse Initiativen und Forschungsprojekte vorgenommen, auch Unternehmen arbeiten daran.

Werkstoffkreislauf, Pentatonic
Zusammen mit dem Designbüro Snarkitecture entstand ‚Fractured‘, eine Bank und ein Tisch auf Basis des ‚AirTool-Systems‘ von Pentatonic. Foto: Pentatonic

Etwa das Berliner Büro Pentatonic. Das 2017 gegründete Team entwickelt unterschiedliche Produkte auf Basis von kreislauftauglichen Werkstoffen. Dazu gehört zum Beispiel das Tisch-Stuhl-System ‚Airtool‘ aus wiederverwertetem Aluminium, Polycarbonat und PET.

Nach Gebrauch ist es sortenrein trenn- und recycelbar. Damit der „Closed Loop“ auch funktioniert, nimmt Pentatonic die in Eigenregie vertriebenen Möbel wieder zurück.

Viel wichtiger in puncto Werkstoffkreislauf sind für die beiden Geschäftsführer Johann Bödecker und Jamie Hall jedoch Projekte für externe Kunden. „Wir entwickeln aktuell stark für etablierte Marken“, sagt Bödecker. Adidas hat schon angeklopft. Das gilt ebenso für Stella McCartney und Starbucks.

Werkstoffkreislauf, Pentatonic
Detail des Tischs auf Basis des ‚AirTool-Systems‘ von Pentatonic. Foto: Pentatonic

Sitzmöbel mit neuem Aufbau

Für die US-Kaffeekette machte man sich an das Re-Engineering des Sessels ‚Bean‘ und baute ihn komplett neu auf. Äußerlich kaum verändert, steckt das Pentatonic-Know-how im Inneren – und im Material.

Sowohl die neue, wabenähnliche Struktur als auch die Polsterung und das textile Gewebe bestehen aus recyceltem PET-Kunststoff. Auch dieses Material lässt sich wieder in die Kreislaufwirtschaft einspeisen – allerdings nicht ohne Qualitätsverlust.

„Bei mechanischem Recycling ist das Material nach ungefähr zehn Zyklen verbraucht“, erklärt Bödecker. Mechanisch bedeutet: Schreddern des Sammelgutes, Einschmelzen und Extrudieren. Chemisches Recycling kennt diese Probleme nicht. „Die Depolymerisierung und Neusynthetisierung rechnet sich allmählich.

Außerdem ist es einfacher, aus einem vorhandenen Polymer ein neues zu erstellen als dieses aus Rohöl zu synthetisieren.“ Wie das geht, zeigt beispielhaft die Bodenbelagsindustrie: Altes Floor-Material aus Polyamid wird zur neuen Econyl-Faser.

Werkstoffkreislauf
Re-Engineering mit Recycling-PET: Der Starbucks-Sessel ‚Bean‘ besteht inklusive der Wabenstruktur aus einem Material und kann flach demontiert transportiert werden. Foto: Pentatonic

Interdisziplinäres Denken

So vielversprechend diese Ansätze sind, dem Kreislaufprinzip fehlt nach wie vor die Eigendynamik. „Das mag etwas täuschen, denn es geht gar nicht so langsam, betrachtet man die teils über zehn Jahre laufenden Entwicklungszyklen in der Industrie.“ Außerdem, so beobachtet der Chef von Pentatonic, seien Unternehmen nach wie vor nicht wirklich interdisziplinär ausgerichtet, das Wissen zu segmentiert.

Sein kleines und agiles, Unternehmen versammelt hingegen Industriedesigner, Maschinenbauer, Werkstoffexperten und Einkäufer – und bildet damit alle wichtigen Disziplinen der Kreislaufwirtschaft in Form eines externen Innovationsteams ab.

„Auch Einkäufer sind wichtig, wie wir festgestellt haben.“ Schließlich entwickelt Pentatonic industriell nutzbare Lösungen, die skalierbar und ökonomisch sinnvoll sind. Materialqualitäten und -verfügbarkeiten, Liefer- und Prozessketten gelten da als wesentliche Faktoren.

Werkstoffkreislauf, Pentatonic
Ein Haufen Schrott? Weit gefehlt. Aus den kaputten Handydisplays können neue, hochwertige Produkte entstehen. Foto: Pentatonic

Mitunter führt das dann auch zu Materialquellen, die noch niemand auf dem Schirm hatte, etwa zu Smartphone-Gläsern. Die Qualitätsanforderungen sind so hoch, dass auf jedes eingebaute Glas sechs bis acht Ausschussscheiben kommen. Diesen „Riesenberg“ an hochwertigem Abfall nutzt Pentatonic als Basis für Trinkgläser.

Bödecker dazu: „Wir verstehen uns als Ermöglicher des Kreislaufs und schauen in andere Bereiche.“ Zwischen einzelnen Industrien werde künftig noch viel mehr passieren. Sprich: Des einen Ausschuss dient dem anderen als Rohstoff.

Werkstoffkreislauf, Pentatonic
Produkten aus Smartphone-Gläsern. Foto: Pentatonic

Gesamte Wertschöpfungskette analysiert

„Oft nimmt man an, dass nachhaltige Produkte immer teurer als konventionelle sind. Das stimmt so nicht.“ Zumindest dann nicht, wenn man die gesamte Wertschöpfungskette analysiert und das Gesamtprodukt betrachtet.

„Kann man nachweisen, dass Kreislaufprodukte nicht nur besser, sondern auch kostenseitig interessant sind, gewinnt man sogar skeptische Finanzverantwortliche für die Sache“, stellt Bödecker fest.

Auf Pilotprojekte folgen größere Pläne

Oft gelinge das mit kleinen Pilotprojekten, die als „Proof-of-Concept“ dann als Initialzündung für größere Vorhaben dienen. Grundsätzlich unterscheidet Bödecker drei unternehmerische Motivationsansätze für den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft.

Erstens: Das Portfolio enthält problematische Erzeugnisse, die hinterfragt werden sollen, um künftige Produkte zu optimieren.

Zweitens: Das Produktportfolio soll grundsätzlich im Kreislaufsinn neu aufgesetzt werden.

Die dritte Variante ist meist marketingorientiert und zielt darauf ab, ein Produkt schnell umzusetzen und auf den Markt zu bringen, um bei Erfolg weitere folgen zu lassen.

Dazu sagt der Pentatonic-Chef: „Das wird in den USA gerne praktiziert. Dort geht man stark von den Chancen aus, die Innovationen am Markt haben können. Deshalb arbeiten wir auch häufig mit US-Firmen zusammen.“

Werkstoffkreislauf
Pentatonic vertreibt den ‚O.P.E.‘-Halsschmuck von Johnny Hoxton aus recyceltem Silber. Foto: Pentatonic

Gänzlich von Rezyklaten ausgehende Neuentwicklungen sind aber noch die Ausnahme – siehe die Smartphone-Gläser oder der ‚O.P.E.‘ genannte Halsschmuck, den Pentatonic ebenfalls vertreibt. Von Johnny Hoxton in Form eines Recycling-Logos gestaltet, wird dafür entweder neunkarätiges Gold oder 925er-Silber benutzt – gewonnen aus Kabeln, Platinen oder Prozessoren ausgedienter Elektronikgeräte.

Zur Website von Pentatonic
Ein weiterer Artikel über Recyclingmaterialien auf www.md-mag.com

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