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Vincent van Dijk

Trendwatcher
Vincent van Dijk

Vincent van Dijk übernachtete ein Jahr lang jede Nacht in einem anderen Hotel in Amsterdam. md im Gespräch über Hosenpressen und Bettwanzen.

Die Fragen stellte Anneke Bokern

Anneke Bokern: Sie haben Ihre Wohnung aufgegeben, um ein Jahr lang täglich in einem anderen Amsterdamer Hotel zu schlafen und dann ein Buch darüber zu schreiben. Wie sind Sie darauf gekommen?
Vincent van Dijk: Ich habe vorher zehn Jahre in Den Haag gewohnt. Als mein Büro nach Amsterdam umzog, erwies es sich als unheimlich schwierig, dort eine nette Wohnung zu finden. Außerdem hatte ich schon immer eine Schwäche für Hotels, und ich wollte immer schon ein Buch schreiben.
Was mögen Sie denn an Hotels?
Vincent van Dijk: Ich finde Hotels als Umgebung sehr angenehm und verabrede mich auch gerne dort. Die Energie, die Dynamik, die internationale Atmosphäre sprechen mich an. Es kam also alles zusammen. Ich dachte: Wieso schreibe ich nicht einfach ein Buch über Hotels? Vielleicht wären die Hotels dann bereit, mir gratis Übernachtungen zu spendieren. Ich rief also ein paar Hotels an, und die meisten waren gleich begeistert. Ehe ich mich versah, war der erste Monat geregelt.
Heißt das, dass Sie alle Übernachtungen im voraus gebucht haben?
Vincent van Dijk: Nein, nur für den ersten Monat. Ich wollte nicht gleich das ganze Jahr vollplanen. Es wäre zu langweilig geworden, wenn ich immer schon gewusst hätte, wo ich in drei Monaten schlafen werde.
Was für Zimmer haben Sie von den Hotels bekommen: die besten oder die schlechtesten?
Vincent van Dijk: Das kam ganz darauf an. Wenn die Hotels mitmachten, haben sie mir meistens das beste Zimmer gegeben und mich auch noch zum Abendessen eingeladen. Es gab aber auch Hotels, die nicht mitmachen wollten. Da habe ich einfach selber ein Zimmer reserviert und oft das kleinste und billigste genommen, im Keller oder unter dem Dach. Aber das macht das ganze natürlich auch spannend. Wenn ich nur in Präsidentensuiten übernachtet hätte, wäre das Buch ziemlich uninteressant geraten.
Hätten Sie nicht einen realistischeren Eindruck bekommen, wenn Sie überall inkognito übernachtet hätten?
Vincent van Dijk: Darüber habe ich auch nachgedacht. Ich schreibe nämlich auch für einen Restaurantführer und gehe täglich essen.
Jeden Tag?
Vincent van Dijk: Ja, seit neun Jahren.
Ach, deshalb macht es Ihnen nichts aus, im Hotel zu wohnen. Eine eigene Küche vermissen Sie dann wohl nicht.
Vincent van Dijk: Nein. In meiner Küche in Den Haag stapelten sich immer nur Kleider und Papierkram. Wenn ich ein Restaurant teste, mache ich das jedenfalls immer inkognito. Aber bei den Hotels ging das nicht, denn ein besseres Hotelzimmer kostet in Amsterdam gut und gerne 300 Euro. Das hätte ich kein Jahr lang bezahlen können.
Vor dem Hoteljahr haben Sie sich all Ihrer Besitztümer bis auf einen Koffer voll Kleidung entledigt. Haben Sie die Sachen verkauft oder nur irgendwo eingelagert?
Vincent van Dijk: Nein, ich habe sie nicht verkauft, sondern alles weggegeben, an Freunde verschenkt.
Dann waren Sie sicher jemand, der ohnehin nicht viel besaß, oder?
Vincent van Dijk: Na ja, ich war recht minimalistisch eingerichtet, und ich hänge auch nicht sehr an Erinnerungen. Außerdem mag ich Service. Es ist doch prima, wenn jemand einem Kaffee bringt und das Bett macht? Eigener Besitz ist mir dagegen, wie ich im Hoteljahr feststellte, nicht so wichtig. Ehrlich gesagt fühlte es sich sogar gut an, nichts außer einem Koffer voller Kleider zu besitzen. Das müsste eigentlich jeder mal ausprobieren, denn es wirkt unheimlich befreiend. Plötzlich kann man überall wohnen. Ich brauchte mir auch gar keine Sorgen zu machen, wo ich nach dem Jahr hin könnte. Schließlich gibt es so viele Hotels.
Hatten Sie nach dem Jahr denn noch Lust, in Hotels zu übernachten? Oder hatten Sie erstmal die Nase voll?
Vincent van Dijk: Nein, gar nicht. Als ich am 31. Dezember fertig war, wollte ich das Buch auf jeden Fall in einem Hotel fertig stellen. Also habe ich das netteste Hotel gefragt, ob ich noch ein oder zwei Monate bleiben dürfte. Das war CitizenM am Flughafen Schiphol. Dort fühlte ich mich so wohl, dass ich bis Ende August blieb – also fast noch ein Jahr.
Was macht CitizenM denn zum nettesten Hotel in Amsterdam?
Die Leute, die dort arbeiten.
Es geht also gar nicht um die Zimmer, das Serviceangebot oder das Design?
Vincent van Dijk: Die Zimmer sind schon super. Sie sind klein, aber sehr komfortabel, selbst wenn man dort monatelang wohnt. Aber eigentlich sind in allen Hotels die Angestellten das wichtigste. Das allerwichtigste ist, dass man als Gast wahrgenommen wird, und zwar nicht auf so eine steife Art. Ob ein Hotel gut oder schlecht ist, merkt man gleich beim Betreten. Mit Sternen hat das nichts zu tun. Es gibt eine Menge Luxushotels, in denen die Atmosphäre nicht stimmt: Da trauen sich die Mitarbeiter nicht zu reagieren, wenn man einen Witz macht, weil der Chef mithören könnte. Gleichzeitig gibt es 1-Sterne- Hotels, die wahnsinnig nett sind, auch wenn die Matratzen aus der Vorkriegszeit stammen.
Haben Sie auch in vielen wirklich schlechten Hotels geschlafen?
Vincent van Dijk: Oh ja. Rund um den Amsterdamer Hauptbahnhof gibt es jede Menge davon. Wenn ich jetzt durch die Stadt gehe und die Hotelschilder sehe, muss ich sofort an dreckige Handtücher oder Bettwanzen denken.
Bettwanzen? Das ist nicht Ihr Ernst.
Vincent van Dijk: Doch, in rund einem Dutzend Hotels gab es Bettwanzen. Manchmal war ich von Kopf bis Fuß voller roter Pusteln. Im Sommer habe ich meine Kleider jeden Tag bei 60°C gewaschen, weil ich solche Angst hatte. Die Biester nisten sich im Koffer ein. Ich habe sogar mal in der Badewanne geschlafen, weil ich mich nicht mehr auf die Matratze getraut habe.
Sie sind doch jetzt sicher Hotelexperte. Was macht denn ein gutes Hotelzimmer aus?
Vincent van Dijk: Es braucht nicht sehr groß zu sein. Selber mag ich modernes Design, aber ich kann auch in einem klassisch eingerichteten Zimmer glücklich sein. Am wichtigsten ist die Sauberkeit: Man muss sich fühlen, als sei man der erste Gast. Man darf nicht merken, dass vorher schon hunderte andere im Zimmer geschlafen haben, Sex hatten oder gestorben sind. Ein gutes Bett und eine gute Dusche, mehr brauche ich nicht. Wichtig ist auch, dass ein Zimmer effizient eingerichtet ist. Es gibt so viele Hotels, wo man keine Steckdose in der Nähe des Bettes findet. Dabei hat doch heutzutage jeder ein Laptop und ein Telefon dabei. Drahtloses Internet ist auch so etwas: Seltsamerweise bieten viele billige Hotels einen kostenlosen Internetzugang, während man in den Luxushotels absurd viel für eine schlechte Verbindung bezahlen muss.
Was halten Sie von unkonventionellen Zimmerkonzepten mit Durchgangsbädern und ähnlichem? Das finde ich klasse. Das macht ein Hotel zu etwas Besonderem und verleiht ihm Charakter.
Aber ausgerechnet Ihr Lieblingshotel CitizenM ist Teil einer Kette und beruht auf einer Formel, die sich überall auf der Welt wiederholen lässt. Es hat überhaupt kein Lokalkolorit. Stört Sie das nicht?
Vincent van Dijk: Nein, wieso? Wenn ich in einer Stadt bin, will ich doch so wenig Zeit wie möglich im Hotel verbringen. Es muss vor allem effizient sein. Natürlich gibt es in Amsterdam viele Hotels, die ihre Wände mit Fotos von Fahrrädern und Grachten schmücken. Aber ich mag eigentlich gerade das Internationale an Hotels.
Gibt es außer lokalem Dekor noch andere Dinge in Hotelzimmern, die Sie überflüssig finden?
Vincent van Dijk: Ja, zum Beispiel die allgegenwärtige Hosenpresse. Ich weiß nicht einmal, wie man so ein Ding bedient. Ich glaube, das ist eine Art riesiges Waffeleisen. Wer benutzt so etwas noch?
Was für einen Einfluss hatte das Hoteljahr auf Ihr soziales Leben? Was hielten Ihre Freunde von dem Experiment?
Vincent van Dijk: Viel Zeit hatte ich nicht für meine Freunde, weil ich jeden Tag schreiben und Leute interviewen musste. Andererseits haben sehr viele Freunde beobachtet, was ich tat. Sie konnten auf Facebook und Twitter lesen, wo ich war. Früher wussten sie nie, wann ich zu Hause war. Jetzt sahen sie auf einmal, wo ich gleich Einchecken würde, und wenn es ein Luxushotel war, kamen sie spontan vorbei. Dann kam ich in die Bar, und dort saß bereits ein Freund mit einer Flasche Champagner, die er auf meine Rechnung bestellt hatte. Bei den wirklich schlechten Hotels, wo ich meine Freunde gebraucht hätte, kam dagegen nie jemand vorbei.
Würden Sie das Experiment wiederholen?
Vincent van Dijk: Nicht in dieser Form. Es war ganz schön schwer.
Gab es Momente, in denen Sie aufgeben wollten?
Vincent van Dijk: Ja, ein paar Mal dachte ich wirklich, dass ich es nicht mehr aushalte. Das Schlafen in schlechten Betten und das Kofferschleppen auf den steilen Treppen in den Amsterdamer Hotels hat meinen Rücken so kaputt gemacht, dass ich zur Physiotherapie musste. Und im Sommer war ganz Amsterdam ausgebucht, so dass ich manchmal noch um elf Uhr abends durch die Straßen gelaufen bin, auf der Suche nach einem Zimmer. Einmal habe ich tatsächlich im Park geschlafen, weil kein Zimmer mehr zu bekommen war.
Achten Sie jetzt auf andere Dinge als vorher, wenn Sie ein Hotel buchen?
Vincent van Dijk: Ja, ich habe das Spiel ein bisschen durchschaut, glaube ich. Wann man buchen muss, um einen guten Preis zu bekommen, und dass man eigentlich immer Handeln kann. Ich würde nie mehr blind ein Hotel buchen, nur weil es vier Sterne hat. Es muss auch kein Luxushotel mehr sein, denn ich habe die Rückseite des Glamour gesehen. Dafür lege ich keine paar Hundert Euro pro Nacht mehr hin.
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