1 Monat GRATIS testen, danach für nur 7,50€/Monat!
Home » Menschen » Unternehmer »

Hannes Bäuerle: Der Berufsweg des Materialexperten und Unternehmers

Der Berufsweg des Materialexperten und Unternehmers
Hannes Bäuerle

So vielfältig wie die Menschen sind, die Innenarchitektur studieren, so vielfältig sind ihre Berufswege. In dieser Serie stellen wir verschiedene Spezialisierungen vor. In der jetzigen Folge: Ein Materialfetischist, der mit seiner Agentur Raumprobe Hersteller und Gestalter matcht.

Autorin Katharina Feuer

Als Zickzack bezeichnet Hannes Bäuerle seinen Lebenslauf. Im Gespräch zeigt sich aber, dass viele seiner Entscheidungen – das vermeintliche Zickzack – rückblickend doch ein stimmiges Gesamtbild ergeben, einen roten Faden: Schülerjobber bei einem Tischler, Fahrradnerd, Materialfetischist, Modellbauer in der Zivildienstzeit, ein abgebrochenes Maschinenbaustudium, Innenarchitekturstudent, Carbonfan, Büro- und Agenturgründer, Eigenheimumbauer, Referent, Reisender.

Der Schwabe ist ein Schaffer

Hannes Bäuerle ist in Stuttgart geboren und wenn man seinen Ausführungen folgt, drängt sich der Eindruck auf: Der Schwabe ist ein Schaffer(le). Er kennt keinerlei Berührungsängste mit der Arbeit, sei es konzeptionell, kreativ oder auch beim Ärmel hochkrempeln. Das fing in der Schulzeit mit seinem Job in der Tischlerei an und ist bis heute so geblieben.

Wie kommt man auf die Idee, eine Materialausstellung als Geschäftsidee zu entwickeln? Und das in einer Zeit, 2005, als viele prognostizierten, dass bald alles nur noch digital ist. „Wir waren davon überzeugt, dass man weiterhin Werkstoffe sinnlich und haptisch erleben muss. Damals lasen wir auf der Autobahn an einer Lkw-Plane den Spruch: „Solange Äpfel nicht digital verschickt werden können, musst du hinter meinem Lkw herfahren“. Den haben wir umgemünzt: „Solange Äpfel nicht digital genossen werden können, muss Material begriffen werden“, erinnert sich der Experte.

Seinen Büropartner Joachim Stumpp, Architekt und ebenso Materialfreak, lernte er durch eine gemeinsame Bekannte kennen. Die Chemie stimmte von Anbeginn. Bei einer gemeinsamen Fahrradtour sponnen die beiden Männer erste Ideen. Sie ergänzen sich bis heute in ihren Schwerpunkten und Fähigkeiten gut: Hannes Bäuerle ist der kreative, neugierige Sammler, der über ein riesiges Netzwerk verfügt, und Joachim Stumpp sieht zu, dass das Geschäft auch wirtschaftlich ist.

Akustikmaßnahmen in Arbeit

Das Wissen kommt zu ihm

Die Grundlage für die Geschäftsidee ist noch älter. Hannes Bäuerle hatte in seinem Innenarchitekturbüro eine beachtliche Ansammlung von Werkstoffproben. Sein Umfeld erkundigte sich bei ihm regelmäßig nach Neuheiten und Besonderheiten. Ohne dies gezielt verfolgt zu haben, hatte der Sammler sich ein Wissen angeeignet, das andere zu schätzen wussten.

Von Herstellerseite war klar, dass sie Probleme hatten, ihre Neuheiten und Entwicklungen Innenarchitekten und Architekten zu vermitteln. Eine Schnittstelle fehlte. Diese Lücke füllt seit 2005 die Agentur Raumprobe. Die Idee dahinter: Unternehmen und Hersteller zahlen dafür, dass ihre Produkte, Oberflächen, Textilien, Materialinnovationen und -entwicklungen in einem angemessenen analogen wie digitalen Umfeld präsentiert werden.

„Wir haben Hersteller, die tatsächlich von Anbeginn dabei sind“, staunt er selbst. Treue Kunden, die den Mehrwert der Agentur erkannt haben. „Es ist ein weiteres Marketingtool für die Produzenten und eine hilfreiche Plattform für Gestalter.“

Streichelzoo für Architekten

Bäuerle kreiierte in diesem Kontext den Begriff „Streichelzoo für Architekten“. Das ursprüngliche Büro am Pragsattel mit 350 m² war schnell zu klein und so folgte vor einigen Jahren der Umzug in die Dieselstraße. Aber selbst hier wird es langsam eng.

„Wenn wir vorher gewusst hätten, was auf uns zukommt, hätten wir das nie gemacht“, konstatiert der Vorgesetzte von mittlerweile zehn Mitarbeitern unverdrossen. Dennoch hat man nicht das Gefühl, dass er es bereut. Nach wie vor bildet die Materialdatenbank das Hauptstandbein, obwohl seither vieles dazugekommen ist. Es gibt einen Preis, der im Wechsel an innovative Materialentwicklungen und an hervorragende Einsätze im Projekt vergeben wird, Bücher, Seminare, Workshops und Führungen runden den Kosmos der Raumprobe ab.

Er ist ein begeisterungsfähiger Mensch mit vielen Passionen. Seine älteste ist das Fahrrad. Gern wäre er Entwickler für Mountainbikes geworden. Konstruktionsdetails und Materialeigenschaften hätten ihn schon immer fasziniert. Erst kürzlich sei er bei einem Titanrad schwach geworden. Deswegen habe er auch das Maschinenbaustudium begonnen. Die Verbindung von Konstruktion und Design habe ihn interessiert. Die Wende kam dann im 4. Semester. Er sollte ein Vogelhaus entwerfen, mit automatischer Essensausgabe. „Das war dann doch zu wenig Design!“

Lehrjahre und Gründung

Während seines Zivildienstes wohnte er im Studentenwohnheim und half den Architekturstudenten beim Modellbau. Schon damals weckte das seine Begeisterung für Architektur. Als eine gute Freundin direkt nach ihrem Innenarchitekturstudium das erste Projekt, einen Brillenladen, realisierte, fragte sie ihn, ob er nicht Lust habe, sie zu unterstützen. Seine Erfahrungen durch die Arbeit beim Schreiner und im Modellbau halfen ihm.

Statt Maschinenbau studierte Hannes Bäuerle nun Innenarchitektur. Erst in Trier, später in Stuttgart. Dazwischen packte er ein einjähriges Praktikum im Stuttgarter Büro von Raiser Lopez. Seit damals baut er Stück für Stück sich ein Netzwerk auf. Am Ende des Studiums folgte direkt die Gründung seines Büros Linie Zweii Innenarchitektur mit seiner Kommilitonin und Partnerin Claudia Miller. Zunächst in Stuttgart-Bad Canstatt, auf einer Fläche mit anderen Kreativen – ein interdisziplinärer, auf Austausch basierender Schmelztiegel.

Standfest in der Materialwelt

„Diese Zeit war extrem wertvoll. In meinem jetzigen Job zahlen sich die ganzen Themen aus, die ich probiert und durchgemacht habe. Wir sind ja eine Art Materialprüfungsanstalt.“ Hannes Bäuerle steht mit beiden Beinen in der Materialwelt und macht Suchende glücklich. Der Rest ist Geschichte. Eine Frage muss am Ende doch noch sein. Hat er ein Lieblingsmaterial? „Auf die Frage bin ich mittlerweile vorbereitet“, grinst er: „Die Haut!“.


©_Annette_Cardinale,_DEU;_Stuttgart,_2021
Foto: Raumprobe

Hannes Bäuerle (Jg. 1974) studierte zunächst Maschinenbau, wechselte dann erst in Trier, später in Stuttgart ins Gestaltungsfach, wo er 2002 als Dipl.-Ing. (FH) Innenarchitektur abschloss. Mit seiner Partnerin Claudia Miller gründete der gebürtige Stuttgarter 2002 das Büro Linie Zweii. 2005 folgte die Agentur Raumprobe. Gemeinsam mit Joachim Stumpp bietet er Beratung, Ausstellung und eine Datenbank rund um Materialien an. Bäuerle ist zudem als Dozent, freier Journalist und Fachreferent tätig.

www.raumprobe.com

Weitere Porträts finden Sie hier

Anzeige
Top-Thema
Anzeige

Neueste Beiträge
Titelbild md 03-04
Ausgabe
03-04.2024 kaufen
EINZELHEFT
ABO

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de