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Axel Buether - Hochschullehrer im Porträt

Hochschullehrer im Porträt: Farbforschung
Axel Buether

Am Wuppertaler Institut für Farbpsychologie stellt Architekt Axel Buether die Farbforschung auf eine wissenschaftliche Grundlage. Ihn beschäftigt, wie stark uns Farben bewegen, wie sie uns direkt oder indirekt steuern.

Autor Oliver Herwig

Woher stammt seine Begeisterung für das Thema? Der promovierte Architekt Axel Buether erinnert sich an einen bestimmten Moment: Er lag auf einem Gerüst, knapp unter der Decke einer gotischen Kirche und setzte einen Werkstein ein. Da brach Morgenlicht durch die Fenster. „Plötzlich wurde mir klar, dass der Stein nur Mittel zum Zweck ist. Um ihn geht es gar nicht. Sondern darum, dass Menschen von dieser Atmosphäre zu Gott emporgehoben werden. Die ganzen Skulpturen, Bildnisse und Menschen sind nur Teil einer großen Inszenierung.“ Schnell erkannte Buether, dass ihn die Inszenierung selbst fasziniert, und damit die Frage, was eigentlich atmosphärische Räume ausmacht.

Wahrnehmung und Einschätzung

Danach gab es kein Zurück mehr: „Entweder studiere ich noch Restaurierung. Oder ich gehe in die moderne Architektur und versuche, Räume in einer zeitgemäßen Form zu entwickeln.“ Buether entschied sich für das Architekturstudium und machte sich auf die Suche, wie Menschen Farben wahrnehmen. Am Ende stand eine Promotion zur „Semiotik des Anschauungsraums“. Heute untersucht er mit seinem Institut für Farbpsychologie grundlegende Fragen der Wahrnehmung. Er ist immer wieder überrascht, wie stark Wahrnehmung und Einschätzung, selbst von Experten, von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen abweichen können. Eher schockiert als amüsiert berichtet Buether von Vorschlägen und Ansichten, dass Rot mehr motiviere als Grün, welches wiederum eher beruhigend wirke.

„Aber so einfach ist das mit den Farben nicht. Es gibt sehr giftige Grüntöne, mit denen man es keine Sekunde im Raum aushält und es gibt beruhigende Grüntöne.“ In dieser Differenzierung sieht Buether die Aufgabe der Forschung. Es sei eben ein Unterschied, ob nur eine Wand grün ausfalle oder der Fußboden oder die Möbel oder ob der ganze Raum irgendwie in Grün erstrahle. „Differenzierung ist sehr wichtig.“ Da sei gar kein Know-how mehr vorhanden, auch nicht in der Architektur. „Das ist komplett verloren gegangen.“

Empirischer Ansatz

Denn nach dem Krieg standen andere Dinge an: schneller Aufbau der Städte, viele Quadratmeter auf einen Schlag. Da ging es um technische Parameter, die sich in Normen niederschlugen. Wie so oft ging es um Zahlen und Statistiken. Funktionalität wurde dabei „viel zu stark auf technische Parameter verengt“. Das aber war dem gelernten Restaurator viel zu wenig. Schließlich können Menschen rund 20 Millionen Farbtöne wahrnehmen.

Ein wichtiges Feld für Axel Buether ist inzwischen „Healing Architecture“: Kliniken und Krankenhäuser, die nicht mehr als Maschinen geplant werden, sondern Menschen in den Mittelpunkt rücken. In einer großen Studie mit Dr. Gabriele Wöbker, Chefärztin der Wuppertaler Klinik für Intensivmedizin, untersuchte er die Atmosphäre von Krankenzimmern auf den Intensivstationen. „Welche psychologische und gesundheitliche Wirkung haben Farbe und Licht auf Patienten und Personal im Bereich der Intensivmedizin?“ Zwei Jahre forschten sie zu Arbeitsmotivation und Wohlbefinden sowie den Medikamentenverbrauch.

Das Ergebnis verblüfft. Die Genesenden kamen mit rund 30 % weniger Neuroleptika aus. Auch das Pflegepersonal fühlte sich entspannter, die Zufriedenheit mit der Arbeit stieg um 12 %. „Der von den Betroffenen als ‚Wohlfühlatmosphäre‘ bezeichnete Raumeindruck der Aufenthaltsräume und Patientenzimmer sorgt für eine effektivere Pflege“, heißt es in der von 2017 bis 2018 durchgeführten Studie. Buether macht klar, dass es sich dabei keineswegs um Wellnesslandschaften handeln müsse. Das Wohlfühlen in einer Schule, in einem Büro oder einem Pflegeheim könne jedes Mal ganz anders aussehen. „Das bedeuted natürlich nicht bunt, sondern muss zweckgerichtet sein und das, was in den Räumen passiert, wirksam unterstützen.“

Leitwissenschaft der Farbtheorie

Mit seiner Arbeit verfolgt der Hochschullehrer einen empirischen Ansatz. Er fragt systematisch nach, wie Menschen ihre Umgebungen empfinden. Die wenig überraschende Feststellung: Farben beeinflussen, wie wir uns fühlen, wie wir Räume wahrnehmen und wie wir mit anderen umgehen. Was er als Gestaltungsvorschläge erarbeitet, wird naturwissenschaftlich abgeleitet. Vor allem aus der Biologie, ein Paradigmenwechsel, wie Buether betont, weil jahrhundertelang versucht wurde, die Physik als Leitwissenschaft der Farbtheorie heranzuziehen – von Goethe bis Newton.

In seinem populären Buch „Die geheimnisvolle Macht der Farben“ zeigt er, wie sehr unser Farbempfinden als Teil der Co-Evolution mit unserer Umwelt entstand. Farbe bildet das größte Kommunikationssystem der Erde: Sie gibt Orientierung, stärkt die Gesundheit, warnt vor Umweltfaktoren, fördert die Kunst des Verschwindens und ist Ausdruck einer individuellen Persönlichkeit.

Erweiterung des Raums

Kurzum: Wir nutzen Farbe zur Verständigung. Daher ist weiße Architektur ein eher simpler Ausweg. Kolorierung gehöre einfach zum Wohlfühlen dazu. „Und wir haben einen sehr guten natürlichen Instinkt dafür“, sagt Buether. Viele soziale Probleme entstünden, wenn solche Bedürfnisse ignoriert würden: „Wir möchten in einem natürlichen Habitat leben. Das heißt nicht, dass es bunt sein muss, aber dass wir eine gesunde Farbigkeit um uns herum haben möchten.“ Das zeigt sich bei jeder Mahlzeit, bei der „engen Verbindung von visueller und gustatorischer Wahrnehmung.“ Das Auge isst eben doch mit. An seinem Lehrstuhl für Didaktik der Visuellen Kommunikation geht der 1967 geborene Wissenschaftler systematisch daran, unsere Umwelt zu untersuchen.

Fragen der visuellen Kommunikation verlagert Buether, der gerne Erkenntnisse aus Werbung und Marketing in seine Arbeit mit einbezieht, aus dem Zweidimensionalen in die nächste Dimension. Über Kolorierung wurde in diesem Bereich viel geforscht, bis hin zu messbaren Verkaufszahlen oder Unternehmenswerten. Aber in der Architektur sei das bislang nicht angekommen. Genau das möchte der Herausgeber der Plattform Farbe (www.colour.education) ändern. Der von ihm mitbetreute Studiengang „Public Interest Design“ ermuntert alle, sich „an der Entwicklung der Gesellschaft zu beteiligen, relevante Fragen zu stellen und durch Projekte am steten Wandel von Gesellschaft und Stadt teilzuhaben.“

Atmosphären und Wahrnehmungspsychologie

Dahinter steht die Hoffnung, „durch Design an der Gestaltung der Gesellschaft und den öffentlichen Angelegenheiten teilhaben zu können, in Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft Einfluss zu nehmen und über eigene Projekte der Öffentlichkeit Gestalt zu geben.“ Es geht um Atmosphären und Wahrnehmungspsychologie.

Praktische Einrichtungstipps sollte man hier weniger erwarten. Oder doch? Da gibt Buether doch noch ein Beispiel: „Wenn wir einen ganzen Raum rot streichen, halten wir es nicht lange aus, denn wir kennen diese Farbe selten raumfüllend, sondern immer nur in kleineren Mengen. Das sollten Gestalterinnen oder Gestalter wissen.“ Und entsprechend einsetzen. Bei rund 20 Millionen Farbtönen dürfte die Arbeit auch nicht so schnell ausgehen.


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Foto: © Bergische Universität Wuppertal

Bergische Universität Wuppertal, Fakultät für Design und Kunst

Master-Studiengang: Public Interest Design

Studienbeginn: jeweils zum Wintersemester

Abschluss: Master of Arts (M. A.)

Dauer: 4 Semester

Zugang: Eignungsfeststellungsverfahren, abgeschlossenes Hochschulstudium, fachspezifische Zugangsvoraussetzungen, zulassungsfrei (ohne NC)

Workload: 120 ECTS

www.uni-wuppertal.de


Am Wuppertaler Institut für Farbpsychologie stellt Architekt Axel Buether die Farbforschung auf eine wissenschaftliche Grundlage.
Axel Buether forscht mit seinem Institut für Farbpsychologie an grundlegende Fragen der Wahrnehmung. Foto: Martin Jepp

Axel Buether

Nach einer Ausbildung zum Steinmetz sowie der Arbeit als Restaurator und freier Steinbildhauer studierte Axel Buether Architektur an der TU Berlin, der UdK Berlin sowie der Architectural Association London. Von 1999–2005 wirkte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lehrgebiet „Entwerfen Wohn- und Sozialbauten“ der Universität Cottbus. Er promovierte zur „Semiotik des Anschauungsraums“. Seit 2012 bekleidet er die Professur für „Didaktik der visuellen Kommunikation“ im Fachbereich Design und Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal.

Webseite des Architekten

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