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André Backemeier über Luxus als Geschäftsmodell

Über Luxus als Geschäftsmodell
André Backemeier

Die Definition von Luxus ist subjektiv. Für den Küchenmöbelhersteller Siematic ist Luxus das Geschäftsmodell – in der Vergangenheit wie auch in der Zukunft. Creative Director André Backemeier erläutert, wie man mit der Zeit geht.

Interview Katharina Feuer

Wie definieren Sie Luxus?

André Backemeier: Für mich liegt Luxus abseits des Standards. In allen Bereichen. Das kann ein kleines Essen mit einem guten Glas Wein sein, das herausragend ist. Oder ein besonderes Erlebnis mit Freunden und Familie. Luxus heißt, sich herauszuschälen aus dem Mittelmaß. Dafür steht auch Siematic. Es ist eine Auffassung, wie wir Dinge angehen. Aber jeder muss Luxus für sich selbst definieren.

Welche Bedeutung hat eine Küche im Luxussegment?

André Backemeier: Sie war lange ein Statussymbol, mit dem man zeigen konnte, was man sich monetär leisten kann. Mittlerweile fungiert sie mehr als ein Spiegelbild des Besitzers. Die Küche ist eine Möglichkeit, seine eigene Persönlichkeit auszudrücken. Egal, ob Sterne- oder Hobbykoch — jeder stellt sich seine Küche nach seiner Façon zusammen. Ich glaube, das Erlebnishafte hat seinen Höhepunkt bereits erreicht. Bald wird sich die Definition von Luxus wieder ändern.

In welche Richtung geht es dann?

André Backemeier: Ich nenne es Sinn-Luxus. Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaerwärmung spielen in diesen Tagen eine immer größere Rolle. Selbst wenn in Zukunft ein Hersteller ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten sollte, aber die Werte nicht passen, werden die Kunden wegbleiben. Man wird bestimmte Fragen zum Thema Nachhaltigkeit beantworten müssen.

Inwieweit ändert sich mit der neuen Definition der Kundenstamm? Gibt es überhaupt den klassischen Kunden?

André Backemeier: Unsere Kundschaft kam bisher aus dem traditionell gutbetuchten Milieu. Unsere Marke ist tendenziell elegant, subtil, zurückhaltend und den Status darstellend. Hinzu kommt nun eine Generation und Zielgruppe mit neuem Mindset im Premium-Luxusbereich. Oft sind das jüngere Käufer aus dem postmateriellen und kreativen Milieu, die wir bisher gar nicht so im Fokus hatten — für diese wollen wir ebenso attraktiv sein.

Können Sie ein Beispiel nennen?

André Backemeier: Eine Episode aus England: ein Paar, beide Mitte dreißig, betritt den Showroom. Sie war trendig und sehr elegant gekleidet. Er war eher lässig, kreativ gekleidet, die Kappe nach hinten gedreht, die Hose tief im Schritt hängend. Diese zwei haben eine Küche für 85 000 Pfund gekauft.
Aufgrund des Erscheinungsbildes hätte man das nicht erwartet, aber dieser optische Abgleich — wer ist solvent, wer nicht — funktioniert nicht mehr. Dies ist auch deutlich erlebbar im Automobil- oder Schmuckbereich. Bald wird diese Zielgruppe 60 % der Käuferschicht ausmachen. Das ist ein riesiger Spagat, den Marken zukünftig leisten müssen.

Ist die Siematic ‚Mondial‘ die Antwort für diese Zielgruppe?

André Backemeier: Wir werden deswegen nicht plakativ oder reagieren auf modische Trends. Aber die Materialien sind expressiver mit Metallen, Naturstein, Hölzern, Farben und Oberflächen. Die ‚Mondial‘ ist opulenter, aufwendiger, extrovertierter in der Formensprache. Wir geben dem Kunden einen Baukasten mit einzelnen kuratierten Elementen zur Hand. Der Kunde ist sehr selektiv.
Die Entscheidungen der Käufer sind mittlerweile stark emotional geprägt und Zeichen einer gewissen Extrovertiertheit. Ein Beispiel dafür: Viele Kunden bringen ihre Persönlichkeit auch durch Bärte oder Tattoos zum Ausdruck. International ist das Gang und Gäbe. Auch im Luxussegment.

Als Creative Director sollen Sie die Marke zukunftsfähig machen. Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

André Backemeier: Ich habe einen entsprechenden Kreis, um mich auszutauschen, eine große internationale Community, die sehr inspirierend ist. Privat bin ich nicht mehr auf Social-Media-Kanälen unterwegs. Das wurde mir irgendwann zu viel, mit zu wenig Inspiration. Aber ich nehme bei meinen Reisen alle Eindrücke auf. Zudem arbeiten wir mit internationalen Agenturen und Partnern zusammen, beschäftigen uns mit Trendstudien und sind im Team permanent im Austausch.

Wie unterscheiden sich Luxusküchen international?

André Backemeier: Der Kunde im Nahen Osten und Asien mag es opulenter, als die Menschen in Nordeuropa mit einem eher minimalistischen Stil. Und die Kochgewohnheiten unterscheiden sich zum Teil deutlich. Die Kunst ist es, den Wünschen der Kunden weltweit gerecht werden.

Nachhaltig wäre es, eine Küche fürs Leben zu kaufen. Das beißt sich mit den Umsatzzielen eines Unternehmens. Welchen Anspruch haben Sie an die Lebensdauer Ihrer Produkte?

André Backemeier: Unsere Kunden schicken uns schon Fotos von ihren Küchen, die bereits Jahrzehnte im Einsatz sind und trotzdem zeitgemäß wirken. Das ist für uns die beste Form von Nachhaltigkeit.
Aber wir müssen uns diesen Dingen stellen, ganz klar. Es gibt viele Ideen. Recycelte Werkstoffe im Luxussegment? Können wir das verkaufen? Erfüllen sie unsere Erwartungen an Qualität und Langlebigkeit? Die Frage ist, wie und wo wird produziert? Wie verhalte ich mich als Unternehmen? Können wir dem Wertesystem der Zielgruppen entsprechen? Schwerpunkte legen wir zurzeit beim Thema Holz und der Wiederverwertung von Kunststoff. Daraus entsteht eine andere Ästhetik. Aber das Schönheitsempfinden ist unterschiedlich. Doch unser Anspruch ist gesetzt: Wir stehen für Qualität und Langlebigkeit.

Wenn man so viel Geld in die Hand nimmt, warum lassen sich die Kunden nicht gleich vom Schreiner eine maßgeschneiderte Küche einbauen?

André Backemeier: Ein Schreiner kann alle Komponenten frei wählen und individuell fertigen. Aber die wenigsten haben echtes Küchen-Know-how. Das haben wir und eine Vielzahl von Abmessungen und Speziallösungen. Dabei gibt es immer auch individuelle Möglichkeiten und Maßänderungen. Auf der anderen Seite kann der Schreiner die Keramik-, Metall- und Glasverarbeitung nicht leisten. Eine industrielle Prägung. Mein Fazit: Handwerklich ist viel möglich, aber die Präzision und spezielle Technologien sind nicht vorhanden.


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Foto: Siematic

André Backemeier (Jg. 1967) hat sein Berufsleben der Küche verschrieben. Nach der Ausbildung zum Möbeltischler und dem Studium der Innenarchitektur in Detmold arbeitete er lange bei Bulthaup. Es folgten leitende Kreativpositionen bei Siematic und Poggenpohl, bevor Backemeier 2019 erneut zu Siematic wechselte. Jetzt verantwortet er als Creative Director die globale Neupositionierung der Marke am Markt.

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