Wie lassen sich Arbeitsplätze in agilen Strukturen so gestalten, dass Menschen sich wohlfühlen? Das und wie man in solchen Strukturen führt, war Thema der Jahrestagung des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung Deutschland (iafob).
Autorin: Gabriele Benitz
Die Jahrestagung des iafob Deutschland stand unter dem Motto „Go with the flow – Arbeiten, wie es unserer Natur entspricht“. Der Veranstaltungsort – bei Accenture im Campus Kronberg nahe Frankfurt am Main – gab ein gutes Beispiel für ein Open Space, das kollaboratives und konzentriertes Arbeiten ermöglicht.
Dieter Boch, geschäftsführender Gesellschafter der iafob Deutschland GmbH, führte in den Tag ein. Er nannte die vier Begriffe „Sinnhaftigkeit von Arbeit“, Wohlfühlen am Arbeitsplatz“, „Kooperation“ und „Deep Work“ und damit die Themengebiete des Tages.
Mit dem Thema „Kooperation“ setzte sich unter anderem Ines Gensinger in ihrem Vortrag „Netzwerk schlägt Hierarchie – Coaching als Mindset in der neuen Arbeitswelt“ auseinander. Sie führt die Abteilung Global Corporate Communications der Global Legal Identifier Foundation (GLEIF), einer Organisation, die ein offenes System zur Identifikation von Rechtsträgern verwaltet, das Informationen über die Eigentumsstruktur von Unternehmen enthält.
Prozesse statt Aufgaben
Eine ihrer Thesen: Die Führungskultur innerhalb der Digitalisierung stellt neue Herausforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter. Sie plädiert in diesem Zusammenhang für ein „interdisziplinäres Netzwerk anstatt Silos“. Es gehe um Prozesse statt Aufgaben und darum, dass heterogene Teams effektiver sind als homogene. Das stelle neue Anforderungen an die Führungskräfte. „Sie können nicht auf alles die richtige Antwort haben“. Vielmehr müssten sie sich selbstkritisch hinterfragen anstatt Allwissenheit für sich zu reklamieren. Also coachen statt führen.
Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt der Berater Matthias Mölleney, Direktor des Future Work Forum London. Der Titel seines Referats: „Führen in agilen Strukturen: Followership ist das neue Leadership“. Demnach gibt es in agilen Strukturen keine rein vertikalen Führungsbeziehungen. Vielmehr arbeiten alle Beschäftigten in netzwerkartigen und in der Regel wechselnden Strukturen, die autonom oder teilautonom gesteuert werden.
„Führungskräfte sind dabei nicht mehr die Superhelden, die alles wissen, alles können und alles entscheiden. Sie sind vielmehr Enabler, Coaches, Facilitators, Moderatoren.“ Außerdem müssten sie eine Kultur der psychologischen Sicherheit schaffen, das heißt ein Umfeld, in dem sich alle Teammitglieder frei äußern, ohne persönlich negative Konsequenzen befürchten zu müssen.
Ein konkretes Beispiel für den Aufbau vertrauensvoller Rahmenbedingungen gab Samir Ayoub in seinem Referat „Raum wirkt – Multispace wirkt“. Der Geschäftsführer des Planungs- und Einrichtungsunternehmens Designfunktion hatte sein eigenes Büro bei Abwesenheit allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Doch anfangs nutzte keiner das Angebot. Erst als neue Möbel angeschafft und persönliche Dinge aus dem Raum entfernt wurden, trauten sich die Angesprochenen, den Tisch und Raum zu nutzen.
Agile Strukturen: Mitarbeiter in Entscheidungen einbeziehen
Damit leitete Ayoub zur von seinem Unternehmen beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation beauftragten Studie über. Der Titel der Studie: „Transformation von Arbeitswelten – Faktoren für einen erfolgreichen Wandel in Organisationen“. Die Untersuchung kommt zu folgenden Ergebnissen: Die oberste Führungsebene ist die treibende Kraft der geplanten Veränderungen.
Der Wandel kann umso besser gelingen, je stärker die Menschen die Arbeit mitgestalten und ihre Arbeitsanforderungen einfließen. Sie sollten in Entscheidungen, die das gesamten Unternehmen betreffen, einbezogen werden.
Mit dem organisatorischen und räumlichen Arbeitsumfeld beschäftigte sich auch Hartmut Schulze, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Das Referat des Arbeits- und Organisationspsychologen lautete: „Behavior Settings im Büroraum – eine Methode zur Beteiligung von Mitarbeitenden an der Planung von Büroumgebungen“. Unter einem Behavior Setting versteht er Rahmenbedingungen, die für eine produktive Arbeitsumgebung sorgen.
Dazu zählten folgende Kriterien: erkennbar machen, welche tätigkeitsbezogenen Ansprüche das Setting unterstützt und für welche Aufgaben es sich eignet; Arbeitsmodus und Bedürfnis nach Privatheit; erwünschte oder unerwünschte Verhaltensweisen, personenbezogene Bedürfnisse wie Rückzug und Kontrolle sowie Territorialität. Hinzu kommen Kriterien, welche technischen Möglichkeiten das Setting anbietet und welchen symbolischen Gehalt und welche Botschaft es vermittelt.
Mit den Rahmenbedingungen in ihrer praktischen Ausführung befasst sich Stefan Camenzind vom Architektur- und Designbüro Evolution Design. Seinen Vortrag „Gesamtheitliche Arbeitskonzepte kreieren, die alle Mitarbeiter unterstützen“ untermauerte er mit Best Practises. Als ein Beispiel von mehreren präsentierte er das von seinem Büro gestaltete Schaeffler Digital Transformation Centre in Herzogenaurach.
Die Zielsetzung des Bauherrn: Das Centre soll eine Startup-Atmosphäre ausstrahlen, ein attraktives und repräsentatives Umfeld für Digital-Experten bieten sowie kreatives, flexibles und agiles Arbeiten ermöglichen. Die Pläne zeigten, dass das Bürolayout die Vorgaben abbildet – mit Ruhezonen, solchen für fokussiertes Arbeiten, Bereiche für Team- und Projektarbeiten und für die Kommunikation.
Das Programm rundeten Vorträge verschiedener Referenten ab, die die Herstellerseite repräsentieren: Zum Thema „gesundes Arbeiten“ trugen bei:
- Burkhard Remmers, Verantwortlicher für Internationale Kommunikation und Public Relations beim Büromöbelhersteller Wilkhahn. Sein Vortrag: „Pause reloaded – warum wir Pausen neu denken sollen“.
- Josef Glöckl, Geschäftsführer des Bürositzmöbelherstellers Aeris mit dem Referat: „Im Büro arbeiten wie es unserer Natur entspricht“.
- Stefan Schütz, Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft von Création Baumann, mit „Ruhezonen schaffen. Für weniger Dezibel und mehr Kreativität“
- Rainer Höhne, Bereichsverantwortlicher Beratung und Vertrieb für Feco-Systemtrennwände bei Feco-Feederle. Sein Vortragsthema: „Zukunft braucht Raum: Orte für Konzentration und agilen Austausch im Team“
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