Licht und Raum, Außen und Innen, Tages- und Kunstlicht: Vor den Toren Münchens entstand ein radikal moderner Kirchenneubau, für den die Lichtplaner von Lunalicht ein konsequent integratives und ganzheitliches Gestaltungskonzept realisieren konnten.
Autor Martin Krautter
Neue Sakralbauten sind inzwischen eine Seltenheit als Bauaufgabe. In der Gemeinde Poing jedoch, im schnell wachsenden Außenbezirk von München, wurde eine Kirche als stadträumliche und spirituelle Mitte benötigt.
Mit dem neuen Kirchenzentrum gelang dem kürzlich überraschend verstorbenen Architekten Andreas Meck mit seinem Team ein Kirchenbau von großer Klarheit und archaischer Symbolik, die von der Lichtplanung des Büros Lunalicht aus Karlsruhe unterstrichen wird: Licht wird hier nicht in einem additiven Element sichtbar, sondern ist integraler Teil der architektonischen Struktur.
Skulpturale Großform
Der Baukörper erhebt sich auf einer Bodenplatte aus Nagelfluh. Das Sockelgeschoß aus dem gleichen Material trägt ein skulpturales, in geometrischen Großformen gefaltetes Dach.
Seine Wirkung wird noch verstärkt durch eine Dachhaut aus weißen Keramikfliesen, deren dreidimensionales Relief sich wie ein Architekturmodell auf die Geometrie des Lichtraums im Inneren bezieht – ein raffiniertes Spiel mit Maßstäben.
Außen und Innen
Die Außenbeleuchtung gewährleistet den sicheren Zugang über den neu geschaffenen Platz und die moderate Aufhellung des Gebäudekörpers im Stadtraum. Schon hier zeigt sich ein durchgängiges Merkmal des Lichtkonzepts: Die Technik ist weitgehend verborgen oder aus dem Blickfeld gerückt.
Fassadenstrahler auf Masten sind auf die Nord-, Ost-, und Westfassade gerichtet. Die Südfassade wird durch Strahler auf dem Vordach des angrenzenden Gebäudes aufgehellt. Der goldene Hahn auf der Spitze des Gebäudes erhält Licht aus dem Innenraum, wenn die Kirche in Benutzung ist.
Dach als Kreuz
Ein gebautes Paradox: Dem Besucher öffnet sich nach dem niedrigen Eingangsbereich ein trotz der kantigen, klaren Formen und Flächen in seiner Haltung barock anmutender, zum Himmel strebender Raum aus Licht. In Analogie zur Dreifaltigkeit prägen drei große Lichtöffnungen den Raum und unterstützen durch ihre jeweilige Lichtführung die liturgischen Orte und Handlungen.
Die Decke, konstruktiv ein Raumkreuz, bildet vier Bereiche aus, von denen sich drei als tiefe Trichterformen in verschiedene Richtungen nach außen hin öffnen. Das Tageslicht, das gefiltert eintritt, wird zu einem entscheidenden Teil der architektonischen Komposition.
Eingefangenes Tageslicht
Gelenkt durch die überdimensionalen Trichter fließt das diffuse Licht aus verschiedenen Richtungen ins Innere und schafft unterschiedlich belichtete Bereiche für das liturgische Geschehen: Das Licht der vertikalen Zenitöffnung über dem höchsten Punkt der Kirche trifft auf Altar und Tabernakel. Ein Seitenlicht betont den Ort der Taufe.
Das Morgenlicht der dritten Öffnung füllt zusammen mit der Musik den Raum und fällt auf den Altar. Eine besondere Behandlung der Wandoberflächen und diffus gestreutes Licht führen zu einer Raumatmosphäre der Transzendenz.
Unsichtbare Lichtquellen
In den Abendstunden wird Kunstlicht auf den gleichen Wegen in den Raum geleitet. Dafür sind hinter den Tageslichtöffnungen auf Unterkonstruktionen Linearstrahler so angebracht, dass die Membrane gleichmäßig hinterleuchtet werden.
Alle Technik ist den Blicken entzogen. Wirksam bleiben nur Licht und Raum. Bei sämtlichen Leuchten im Innenbereich handelt es sich um Sonderleuchten, die von den Lichtplanern spezifiziert wurden.
Die technischen Details
In den seitlichen Öffnungen, von außen als Fenster sichtbar, sind die Linearstrahler verdeckt in den Laibungen und Pfosten integriert. Das vierte Segment der Decke, oberhalb der Empore, ist nicht als Trichter, sondern als schräge Fläche ausgebildet. Hier sorgt ein Evolventen-Lichtprofil entlang der Boden-Wand-Kante für gleichmäßige Aufhellung der Decke und für die Beleuchtung der Empore.
Eine DALI-Anlage erlaubt die individuelle und szenische Steuerung der Lichtkomponenten. Die maximale Lichtstärke auf Höhe der Sitzbänke beträgt rund 300lx.
Licht und Materialität
Die Basis der Kirche ist als massiver Sockel aus Nagelfluh, dem lokaltypischen Konglomeratstein gemauert – auch im Bereich des Foyers unterhalb der Empore aus Sichtbeton.
Die hier eingesetzten Downlights in Eingießgehäusen sind ebenfalls Sonderanfertigungen: Ihre kreisrunde Öffnung im Beton ist 80mm tief und sorgt für einen extrem hohen Abblendwinkel von 75°.
Das Medium der Transzendenz
Seit der Antike dient Licht in Sakralbauten als Medium von Spiritualität und Transzendenz – vom Pantheon in Rom über die gotischen Kathedralen und barocken Klosterkirchen bis zu Le Corbusiers Kapelle in Ronchamps.
Die Kirche Seliger Pater Rupert Mayer, die übrigens für den Deutschen Lichtdesignpreis 2020 nominiert wurde, zeigt einen Weg, diese Gestaltungstradition technisch raffiniert und frei von Kitsch für das 21. Jahrhundert weiterzuentwickeln.
Factsheet
Projekt: Katholisches Kirchenzentrum „Seliger Pater Rupert Mayer“
Standort: Gebrüder-Asam-Straße 2, 85586 Poing
Bauherr: Erzbischöfliches Ordinariat München
Architekten: meck architekten gmbh, Andreas Meck, Axel Frühauf
Mitarbeiter: Wolfgang Amann (Projektleitung), Martina Frieling, Tobias Jahn (Projektleitung), Vivian Krieg, Benjamin Nejedly, Carlos Wilkening, Stefan Zöls
Baudurchführung: Rudolf+Sohn Architekten
Lichtplanung: LUNALICHT Karlsruhe, Prof. Matthias Friedrich, Stefan Lotze, Florian Jäger
Planungs- und Bauzeit: 2011 – 2018
Wettbewerb: 1. Preis, 2011
Planungsbeginn: 2011
Baubeginn: Juli 2015
Fertigstellung: Juni 2018
Produkte:
Innenleuchten: hatec Lichttechnik GmbH, Rentex Wand- und Deckensysteme GmbH
Außenleuchten: Meyer&Sohn GmbH, Bergmeister Leuchten, BEGA