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Die Zukunft des Büros aus der Sicht der Architekten. Interview

Die Zukunft des Büros aus der Sicht der Architekten
Remote wird Standard

Covid-19 krempelt die Welt um – als biologischer Disruptor ist das Virus Zerstörer und Erneuerer zugleich. Wie sieht die Zukunft des Büros aus? Wird es eine Rückkehr in die gewohnten Bürostrukturen geben? Wohl kaum. Gehört dem Homeoffice die Zukunft? Jein.

Gesprächsführung Armin Scharf

Es wird nichts mehr so sein, wie es war. Diese These ist nicht nur steil, sondern auch abgenutzt und meist nicht haltbar. Auch nicht im Angesicht der Pandemie, die Covid-19 ausgelöst hat.

Es wird sich vieles verändern, gewiss. Aber es wird ebenso vieles bleiben, wenn auch an die neuen Bedingungen adaptiert. Das gilt auch für das Büro. Durch den Lockdown schlagartig verwaist, wartet es auf seine Wiederbelebung und auf die Rückkehrer aus dem Homeoffice.

Doch so einfach und so schnell geht das nicht, das post-pandemische Büro wird ein anderes sein. Der Wandel aber greift viel weiter: Die städtischen Strukturen könnten, werden, müssen sich verändern. Und unser Verständnis von Arbeit.

Wir haben drei Planungsbüros gebeten, für Sie zu beschreiben, wie die Zukunft des Büros aussehen kann.


Die Zukunft des Büros aus Sicht von Stefan Behnisch

Die Corona-Pandemie wird uns mehr Umbrüche bringen als wir derzeit absehen können. Eine Rückkehr zu Vor-Corona-Zeiten gibt es nicht, weder im privaten Bereich noch auf Unternehmensebene.

Das Homeoffice, beziehungsweise das Remote-Arbeiten, wird zu einer relevanten Arbeitsform. Was wir als schleichende Entwicklung in den letzten 15 Jahren beobachten konnten, wurde nun innerhalb von nur vier Monaten umgesetzt – die Pandemie hat beschleunigend gewirkt.

Nach dem erzwungenen Umstellen auf das Homeoffice beginnen Unternehmen nun, sich systematisch mit dem Thema zu beschäftigen. Einer unserer Bauherren hat die Planungen für ein neues Meeting-Gebäude gestoppt, um langfristige Folgen und eventuelle Anpassungen zu prüfen. Wir beobachten das auch in den USA, wo ein neues Headquarter erst gar nicht bezogen wird.

Ich gehe davon aus, dass wir auch in Deutschland dank systematischem Remote Working künftig 20 bis 30 % weniger Büroflächen benötigen werden. Wir können also über die Konversion von Büro- in Wohnraum nachdenken, besonders die Bürobauten aus den 1980er-Jahren sind dafür gut geeignet. Dies und das Remote Working nimmt den Druck auf den Wohnungsmarkt in den Großstädten, eigentlich eine positive Sache. Auf der anderen Seite müssen wir intensiv über den Wohnbau nachdenken, denn das Homeoffice setzt mehr Flexibilität voraus, als Wohnungen dies heute bieten.

Der Bedarf wird sich ändern, auch im sozialen Wohnungsbau übrigens, dessen rigide Rahmenbedingungen das Homeoffice faktisch unmöglich machen. Wir müssen das Thema pragmatisch angehen, auch was die Standards für die Ausstattung betrifft. In den USA gibt es bereits Wohngebäude mit gesonderten Arbeitsetagen für die Bewohner, sogenannte Working Lounges. Das könnte ein Ansatz sein.

Das Büro im Unternehmen wird natürlich nicht ganz verschwinden, denn nach wie vor ist die persönliche Ebene wichtig. Wer im Homeoffice arbeitet, muss sich an einem oder an zwei Tagen pro Woche intensiv abstimmen, das kann sehr konzentriert per Video ablaufen oder auch physisch.

Großräume werden übrigens nicht zwangsläufig verschwinden, denn Abstandsregeln lassen sich auch hier relativ gut umsetzen. Größere Probleme hingegen bereiten Sanitärräume, Kantinen, Wartebereiche oder jene vollklimatisierte Arbeitsumgebungen, die bislang als Privileg galten und sich nun als höchst problematisch erweisen.

Stefan Behnisch, Behnisch Architekten. Foto: Christoph Söder

Stefan Behnisch

Partner bei Behnisch Architekten Partnerschaft mbH

www.behnisch.com


Die Zukunft des Büros aus Sicht von Eva Boss

Dank Corona redet alle Welt über das Homeoffice – ist das neu für Sie?

Keineswegs. Wir haben bereits 2018 für einen Kunden ein Konzept entwickelt, das Desksharing mit Homeoffice kombiniert. Wir selbst arbeiten seit mehreren Jahren papierlos, also ausschließlich digital und bieten damit unseren Mitarbeitern die Flexibilität, von jedem Ort aus arbeiten zu können. Das hat sich in der aktuellen Situation bestens bewährt.

Nicht jede Wohnung bietet dafür ausreichend Platz …

Stimmt, aber es geht auch nicht um das klassische Arbeitszimmer, sondern um freieres Arbeiten an wechselnden Orten. Sie werden zu Hause nicht stundenlang an einem Platz sitzen, sondern mobiler sein und am legendären Küchentisch genauso arbeiten wie auf dem Balkon, im Garten, auf der Couch. Oder in einem Coworking-Space. Dafür benötigen Sie dann keinen voll ausgerüsteten Arbeitsplatz, der für viele Unternehmen ohnehin nicht finanzierbar ist.

Lässt sich in diesem Kontext produktiv sein?

Wir werden die Arbeitszeiten neu denken, den Nine-to-Five-Job wird es so nicht mehr geben, die Arbeitszeiten sind flexibler zu begreifen, mit anderen Rhythmen und Unterbrechungen beispielsweise.

Dabei wird man nicht ineffizienter, im Gegenteil. Viele Umfragen deuten darauf hin, dass im Homeoffice eher zu viel gearbeitet wird.

Aber nochmals: Die frei einteilbarere Zeit bekommt eine andere Wertigkeit, die Arbeit selbst wird selbstbestimmter. Hierarchisch strukturierte Unternehmen haben da noch eine steile Lernkurve vor sich.

Führt das Arbeiten zu Hause nicht zu Vereinsamung?

Drei viertel der jetzt daheim Arbeitenden gab bei Umfragen an, die Kollegen vermisst zu haben. Das reale, interaktive Miteinander bleibt also essenziell, für die Projektarbeit wie für die sozialen Kontakte. Deshalb stellen wir dem Homeoffice den Multispace im Unternehmen zur Seite, mit Interaktionsmöglichkeiten und den notwendigen Hygienebedingungen.

Das erfordert mehr Fläche, oder?

Multispaces sind großzügiger angelegt, das ist richtig. Aber auch wenn die Verhältnisse das nicht hergeben, kann man immer noch Mischformen des Austausches implementieren, teils befinden sich die Menschen im Office, teils werden sie digital dazugeschaltet. Unter dem Strich wird aber weniger Bürofläche benötigt, wir können uns also Gedanken machen, wie man mit den frei werdenden Immobilien in bester Stadtlage umgeht. Mischformen zwischen Arbeiten und Wohnen können sehr interessant sein. Daraus ergibt sich noch ein großes Thema und viele Chancen.

Was müssen die verbleibenden Büroflächen bieten?

Mehr Kollaborationsflächen, mehr Kommunikationsmöglichkeiten. Und das Office muss die Unternehmenskultur erlebbar machen, also in den Raum umsetzen. Es geht darum, die Identifikation mit dem Ganzen zu stärken, auch wenn man überall arbeitet.

Eva Boss ist Gesellschafterin und Head of Design des Innenarchitkturstudios bkp.

Eva Boss

Gesellschafterin bkp GmbH in Düsseldorf

www.b-k-p.net


Die Zukunft des Büros aus Sicht von Karim El-Ishmawi

Sind bereits Kunden auf Sie zugekommen, die ihre Büros pandemiesicher machen möchten?

Ganz konkret bislang nicht. Die meisten Unternehmen befinden sich ja noch in der Phase der Büro-Rückkehr, die Fragestellungen werden aber kommen. Andererseits prüfen Unternehmen, die gerade neue Büros planen, ob der Flächenbedarf noch so stimmt.

Mehr Abstände bedeuten doch zunächst mehr Fläche?

Schon, aber durch die Umstellung auf das Homeoffice benötigen sie weniger fixe Arbeitsplätze im Unternehmen selbst. Standard-Arbeitsplätze in großer Dichte werden nicht mehr gebraucht. Die klassischen Vierer-Blöcke sind die Verlierer der Pandemie. Denn sie eignen sich weder für konzentriertes Allein-Arbeiten noch für Teamarbeit. Die Zukunft verlangt mehr Variationsmöglichkeiten, auch um virtuelle Arbeitsformen abzubilden. Ob das am Ende weniger oder mehr Fläche notwendig macht, ist fraglich.

Aus Sicht eines Virologen wäre sicherlich das Einzelbüro die Ultima Ratio.

Mag sein, aber es wird ganz sicher keine Rückkehr dorthin geben. Erstens kann sich heute kein Unternehmen die ineffiziente Flächennutzung leisten, zweitens geht es ja stets auch um Kollaboration. Das Büro ist und bleibt nicht nur ein Tisch, sondern ein Ort der Kultur, Identifikation und Begegnung. Unter Corona wird die informelle Kommunikation noch wichtiger, dafür sind Begegnungsorte unabdingbar, physisch und nun eben auch digital. Selbst wenn ein Teil des Teams nur digital dabei ist, wird sich das gewünschte Gemeinschaftsgefühl einstellen.

Ist das Homeoffice aber nicht auch eine Art Einzelbüro?

Ja, es ist durchaus vergleichbar. Daher ist es auch so wichtig, es in ein Gesamtkonzept zu integrieren und den digitalen Austausch zu institutionalisieren. Verstehen Sie das Homeoffice als eine Art externe Ausdehnung des Unternehmens, das insbesondere für konzentriertes Arbeiten geeignet ist.

Vorausgesetzt, Ihre Wohnung ist geräumig genug.

Ein gesondertes Arbeitszimmer wird ein Luxus bleiben, da sollten wir uns keine Illusionen machen. Abgesehen davon hätten wir dann wieder das Prinzip Einzelbüro. Ich halte Wohnungen mit fließenden Grundrissen für ideal, denn dann können Sie Ihre Perspektive ändern, mobil bleiben. Und selbst der legendäre Küchentisch kann zum Homeoffice werden, wichtig ist nur, dass es nach Feierabend keine Spuren hinterlässt.

Was wird aus den bis dato boomenden Coworking Spaces?

Die könnten Alternativen zum Homeoffice sein. Andererseits wird sich das normale Büro durch die wechselnde Besatzung einem Coworking Space annähern, allerdings mit starker Identifikationsfunktion. Die Arbeit im Unternehmensbüro wird bewusster geplant, der Automatismus, jeden Morgen dorthin zu gehen, löst sich auf. Das Büro wird mehr zu einem Kulturort.

Karim El-Ishmawi: Geschäftsführer Kinzo Architekten GmbH in Berlin

Karim El-Ishmawi

Geschäftsführer Kinzo Architekten GmbH in Berlin

www.kinzo-berlin.de

Zusammenfassung: Das Büro der Zukunft

Multispaces für Teamarbeiten, Konferenzbereiche für physisch-digitale Meetings und das Arbeiten an Orten außerhalb der 9-to-5-Struktur. Remote Work wird zum Standard werden und die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, was die Einbindung der neuen Prozesse betrifft – und sie müssen neue Identifikationspunkte für ihre Miterbeitenden schaffen.

Weitere Fachbeiträge zum Thema Office finden Sie hier

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