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Konsistenz, Suffizienz und Effizienzsteigerung beim nachhaltigen Bauen

Konsistenz, Suffizienz und Effizienzsteigerung beim nachhaltigen Bauen
Mut zum Erfinden

Mut zum Erfinden
Nachhaltiges Bauen existiert in der Theorie und in einigen Pionierprojekten. Es muss aber selbstverständlich werden. Foto: Jenny Sturm – stock.adobe.com
Beim nachhaltigen Bauen bietet sich das Vorgehen nach drei Prinzipien an: Konsistenz, Suffizienz und Effizienzsteigerung. Doch für das Planen umweltgerechterer Gebäude reicht das nicht aus. Deshalb kann man nicht von „alles im grünen Bereich“ sprechen.

Autor: Amandus Samsøe Sattler

Ein beeindruckend einfacher Ansatz für eine nachhaltige Entwicklung beim Bauen lautet: „Wir bauen uns mit Holz aus der Klimakrise.“ Aber es gibt auch andere Ansätze, die wir werten und verfolgen können. Dadurch verlieren wir die Angst, eingeübte Routinen zu verlassen.

Bislang war das Bauen geprägt von eindeutigen Regeln, die – meist von Industrieinteressen getrieben – als Normen die Planung und Ausführung beherrschbar machten. Eine ökologische Ausrichtung stellt viele dieser Regeln infrage, da sie zu einem Mehr an Materialverbrauch, Treibhausgas und Abfall führen. Andere Umsetzungsmöglichkeiten müssen wiederentdeckt und ausprobiert werden. Das macht jedoch mehr Arbeit und beinhaltet ein gewisses Risiko.

Betrachten wir unterschiedliche Ansätze der Nachhaltigkeit, stellen wir fest, dass wir mit manchen einfacher klarkommen. Damit gemeint ist, dass wir in bestehenden Systemen agieren – nur mit anderen Mitteln. Sie versprechen uns, dass alles andere so bleibt wie immer. Fraglich dabei ist nur, ob wir damit unsere gesteckten Ziele erreichen können.

Material und Handwerkstechniken vor Ort

Alle Ansätze umweltgerechter Entwicklung sind immer mit Örtlichkeit und Zeitlichkeit verbunden. Das bedeutet, dass eine zukunftsgerechte Architektur per se kontextuell ist. Man muss sich mit dem Material und Handwerkstechniken vor Ort auseinandersetzen, sich fragen, in welcher Art und Weise man mit dem Vorgefundenen in einer bestimmten Region bauen kann. So erscheint es beispielsweise als fragwürdig, Holz aus Österreich in Kiel zu verwenden.

Die Zeitlichkeit drückt das Prozesshafte aus. Die an Umweltkriterien ausgerichtete Entwicklung stellt einen permanenten gesellschaftlichen Wandlungsprozess auf der Handlungsebene dar. Das gilt ebenso für die Verhaltensebene. Kurzum: Ein anderes Gehäuse braucht eine andere Bewohnerin oder einen anderen Bewohner.

Soziale und kulturelle Aspekte

In verschiedenen Zeiten stehen unterschiedliche Herangehensweisen im Fokus, die zur Entwicklung beitragen. Das führt dazu, dass immer wieder „neue Produkt-Helden“, die die Welt retten sollen, gefeiert und sogar staatlich gefördert werden. Hat man sich in den letzten Jahren auf Energieeffizienz und Wärmedämmung konzentriert, dreht es sich nun eher um CO2-Emissionen und Ressourcen. Allerdings ist es viel wichtiger, künftig Lebenszyklusbetrachtungen und soziale beziehungsweise kulturelle Aspekte in den Vordergrund zu rücken.

Um die Ansätze besser einordnen und werten zu können, schauen wir uns die von Uta von Winterfeld 2007 am Wuppertal Institut entwickelten drei Wege der Nachhaltigkeit an: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz.

Strategie der Effizienz

Die Steigerung von Effizienz führt zu möglichen ökologischen, vor allem aber zu wirtschaftlichen Vorteilen. Wer effektiver wirtschaftet, schont das Klima und spart Geld. Eine Ausnahme gibt es: wenn für die Reduktion zu viel investiert und vielleicht sogar mehr Treibhausgas emittiert wird, als sich später einsparen lässt.

Das Forschungsteam um Uta von Winterfeld befürchtet sogar einen Rebound-Effekt. Ein Beispiel: Man tauscht eine Glühbirne gegen LEDs aus, weil sie sparsamer sind. Setzt man deshalb aber gleich zehn Stück ein, verringert das klar den Effizienzeffekt.

Strategie der Konsistenz

Die zweite Strategie ist die Konsistenz. Damit geht aber keine Verringerung von Energie- und Materialeinsatz einher. Der Stoff ist nun lediglich ein umweltverträglicherer. So versuchen viele Planer, mehr mit Holz als mit Beton zu bauen, mehr regenerative Energien zu nutzen und Material im Kreislauf zu halten. Das trägt deutlich zu einer zukunftsorientierten Entwicklung bei.

Grundlegend gilt aber, dass der Ersatz durch umweltfreundlicheres Material bei gleicher Menge wie zuvor zu keiner wirklichen Veränderung führen wird. Denn regenerative Energien stehen nicht in dem Maße zur Verfügung, dass sie alle fossilen Energien substituieren können. Überdies eignen sich nicht alle Typologien für das Bauen mit Holz, Lehm oder Stroh.

Strategie der Suffizienz

Suffizienz als dritte Strategie baut auf dem maßvollen Umgang des Menschen mit den verfügbaren Ressourcen auf. In einer Gesellschaft des Überflusses und der Verschwendung sieht sie im Weniger die Lösung für eine nachhaltige Entwicklung. Dieser Ansatz steht sowohl gegen unser Wirtschaftssystem des immerwährenden Wachstums als auch gegen die vermeintliche Entscheidungsfreiheit des Individuums. Hier wird der Begriff schnell in die Nische des Verzichts gedrängt und abgelehnt.

Wenn wir uns ehrlich anschauen, wo wir beim Planen und Bauen stehen, bewegt sich noch nichts im grünen Bereich. Nachhaltiges Bauen ist immer noch ein Oxymoron – es existiert in der Theorie und in einigen Pionierprojekten, aber noch nicht in großem Maßstab.

Der beste Baustoff ist der Bestand

Nur wenn wir den Suffizienz-Gedanken ernst nehmen, kann die grüne Transformation gelingen. Vor allem, wenn man Bestandsbauten ertüchtigt anstatt Ersatzneubauten zu errichten, kann ein bewussterer Umgang mit Material und Energie zu einem Weniger und einer anderen umweltgerechteren Produktivität beitragen. Mit anderen Worten: „Der beste Baustoff ist der Bestand.“

Jede der aufgezeigten Ansätze führt für sich allein genommen nicht zum Ziel. Wir brauchen alle drei, um weiter zu kommen. Wobei wir gerade der Konsistenz und der Suffizienz mehr Aufmerksamkeit widmen sollten, da sie anders als die Effizienz nicht tief in unserer Gesellschaft verankert sind. Es braucht Mut und Lust am Ausprobieren und Erfinden, um morgen in unserem eigenen Aufgabengebiet unseren eigenen Weg der Nachhaltigkeit zu beschreiten.


Amandus Samsøe Sattler

Der Kolumnist ist Gründungspartner des Architekturbüros Allmann Sattler Wappner, München. Präsident DGNB, Mitglied des Gestaltungsbeirats der Städte Wiesbaden und Oldenburg; Leitung internationaler Workshops, eigenes künstlerisches Werk in Fotografie.

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