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Birgit Gebhardt: Innenarchitektin und Trendforscherin

Der Berufsweg der Innenarchitektin
Birgit Gebhardt

So vielfältig wie die Menschen sind, die Innenarchitektur studieren, so vielfältig sind auch ihre Berufswege. In dieser Serie stellen wir verschiedene Spezialisierungen vor. Birgit Gebhardt ist Trendforscherin und definiert die Arbeitswelten der Zukunft – auch räumlich.

Autorin Katharina Feuer

Auf der Terrasse die Herbstsonne genießen und dabei das Interview mit der Trendexpertin Birgit Gebhardt in Form bringen. So angenehm kann ein Tag im Homeoffice ablaufen. Oder nicht?

Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass man überall arbeiten könne, gibt Birgit Gebhardt zu bedenken. Denn Raum und Umgebung beeinflussen den Menschen, seine Konzentrationsfähigkeit und somit auch seine Arbeitsweise. Als Trendforscherin weiß sie, wovon sie spricht. Seit über 20 Jahren sind das ihre Schwerpunkte: Lebens- und Arbeitswelten.

Ich wollte Dinge gestalten

Natürlich war das nicht ihr originärer Berufswunsch, als es darum ging, womit sie mal ihr Geld verdienen würde: „Ich wollte eine Führungsposition innehaben und Verantwortung übernehmen. Ich wollte Dinge gestalten“, erinnert sich Birgit Gebhardt. Bei einem Praktikum bei VW in Frankreich realisierte sie, dass die Konzernkultur komplex und kompliziert ist. „Auf Grabenkämpfe hatte ich keine Lust!“

Dinge gestalten? Das können nicht nur Manager. Sie studierte Innenarchitektur in Detmold. Die Hochschule hatte sie mit Bedacht gewählt. Ihr gefiel der Praxisbezug und die konzeptionelle Denkweise. Innenarchitektur studierte sie auch, weil sie sich Architektur damals nicht zutraute. Ihre Bedenken seien völliger Quatsch gewesen: „Man sollte das versuchen, was einen am meisten reizt“, rät sie. Man lasse sich zu schnell von außen beeinflussen und entmutigen.

Erfahrung im Ausland

Durch ihre Praktika im Ausland im Pariser Büro der französischen Designerin und Innenarchitektin Andrée Putmann und bei Arata Isozaki in Tokio lernte sie verschiedene Gestaltungsansätze kennen. Es folgte die Ernüchterung nach dem Studium bei ihrem ersten Projekt in Hamburg. „Ich hatte bewusst als Innenarchitektin in einem Architekturbüro begonnen. Aber die haben mich alle nicht für voll genommen.“ Plötzlich sah sie sich Fliesenspiegel für das WC der Sparkasse in Neustadt am Rübenberge zeichnen. Dabei machte der Fliesenleger sowieso, was er wollte.

„Meine Materialcollagen landeten wortwörtlich auf dem Klo. Es war eine schwierige Zeit und ich dachte desillusioniert: Was machst Du hier eigentlich?“ Weit gereist, offener Geist, frisch gebackene Diplom-Ingenieurin für Innenarchitektur, Berufsanfängerin und schon die erste Sinnkrise?

Wie sieht mein Alltag aus?

„Ich stellte mir Fragen wie: Welche Entwicklungschancen habe ich hier, besonders als Frau? Wie sieht mein Alltag aus? Bekomme ich diese Arbeit auch mit Kindern unter einen Hut? Ich möchte Karriere machen. Geht das hier überhaupt? Habe ich eine Perspektive?“ Und sie erinnerte sich an die Berufsberatung in der Schule.

Schreiben! Ja, das konnte sie schon immer gut. Selbstbewusst bewarb sich Birgit Gebhardt mit drei veröffentlichten Artikeln beim „Design Report“. Sie hatte Erfolg: Über vier Jahre war die Innenarchitektin Teil der Redaktion in Hamburg. „Es war eine fantastische Zeit. Ein tolles Team.“ Ihr Verständnis für Gestaltung, ihre Neugierde, ihr Selbstbewusstsein und der Antrieb, immer das Beste herauszuholen, taten ihr übriges. „Wir wollten für gutes Design begeistern.“

Birgit Gebhardt wurde Trendforscherin

Schon in dieser Zeit spürte sie Trends auf, hatte feine Antennen für diverse Strömungen und Neues. Im Zuge ihrer Arbeit entstand der Kontakt zum Trendbüro. Das Interesse war auf beiden Seiten sofort groß. Als der „Design Report“ verkauft wurde, blieb sie in Hamburg. Es sei ein guter Zeitpunkt für den Wechsel gewesen. Sie war bereit für Neues. 2001 begann ein neuer Abschnitt in ihrem Berufsleben. Birgit Gebhardt wurde Trendforscherin.

In den mehr als zehn Jahren beim Trendbüro verantwortete sie Designstudien und hatte bald alle acht Wochen neue, designübergreifende Fragestellungen auf dem Tisch. 2007 wurde sie Geschäftsführerin und gestaltete auch die Arbeitsweisen mit. „Alle sprechen von Design Thinking. Das haben wir damals schon praktiziert. Je nach Thema zogen wir disziplinübergreifend Experten hinzu. Mich trieb dabei immer um: Wie kommt das Neue in die Welt?“

Wie ändert sich die Kommunikation im Büro

Als sich der Schwerpunkt in Richtung Markenbildung änderte, wechselte sie in die Selbstständigkeit. Gebhardt durfte den Industrieverband Büro und Arbeitswelt, kurz IBA, als Kunden mitnehmen. „Die erste Fragestellung lautete: „Wie ändert sich die Kommunikation im Büro durch die sozialen Medien und neue Technologien? Was bedeutet das für den Raum?“ Bis heute findet sie diese Frage berechtigt und noch nicht fertig beantwortet.

Die Zusammenarbeit mit dem IBA hat Bestand. Wenn man Birgit Gebhardt zuhört, glaubt man sofort, dass ihr die Arbeit nie ausgehen wird. Jedes ihrer Projekte brachte sie weiter, gewonnene Erkenntnisse flossen in andere Arbeiten wieder ein. Die Expertin ist seit zehn Jahren selbstständig und darf spinnen. Weiterspinnen: Gedanken, Visionen, Lebens- und Arbeitswelten.

Trends und Bücher

2011 verfasste sie ihr erstes Buch: „Unser Alltag in der Zukunft“. Halb faktenbasiert, halb Fiktion. „Ich dachte mir damals: Wer, wenn nicht die Trendforscher müssten sich mal ein Stück weit aus dem Fenster hängen und so etwas versuchen?“

In vielen Bereichen denkt sie weiter als der Markt, aber das sei auch die Aufgabe von Trendforschern. Wie arbeiten diese denn überhaupt? „Wir erfinden nicht, sondern übertragen Entwicklungen, die es bereits gibt und denken sie vernetzt weiter. Wir versuchen Dinge nicht gleich zu bewerten, sondern zunächst die Chancen und Potenziale zu sehen. Wenn man in unterschiedliche Branchen schaut und deren Arbeitsweisen miteinander verknüpft, dann sieht man, was möglich ist!“ In diesem Zusammenhang zitiert sie den Science-Fiction-Autor William Gibson: „The future is already here – it’s just not evenly distributed.“

Büros als kreative Lernwelten

Auf die Frage der Kommunikation in der Arbeitswelt folgt die nach der Organisation. Wenn sich Strukturen verändern, muss sich nicht auch das Selbstverständnis von Büros ändern? Welchen Mehrwert bietet das Büro seinen Nutzern? Laut der Trendexpertin geht es nicht um Flächeneffizienz und Desk Sharing, sondern um räumlichen Support und Büros als kreative Lernwelten.

Für Birgit Gebhardt schließt sich hier der Kreis zur Innenarchitektur. Sie sieht die Innenarchitekten in der Pflicht. Sie seien gefragter denn je, nur in einem erweiterten Verständnis. Sie müssten das Thema vorwärts treiben in Richtung Anthropologie, Architektur- und Wahrnehmungspsychologie. „Diese Punkte werden wichtig. Besonders, weil durch die Technik und Tools, die Cloud und KI immer mehr Menschen zum Irrglauben tendieren, es sei egal, wo sie arbeiteten.“ Das sei ein Fehler, sagt sie: „Der Ort, an dem ich arbeite, beeinflusst, wie ich mich fühle, wie ich mich verhalte und welche Gedanken ich habe.“ Gebhardt zeigt sich überzeugt, dass diese Arbeit nur von Innenarchitekten geleistet werden kann, da Architekten zu großmaßstäblich agieren würden und es eben um Berührungspunkte mit den Menschen gehe.

Die Arbeit geht also nicht aus. Nicht für die Zukunftsforscherin und nicht für Innenarchitekten. „Wir brauchen positive Zukunftsbilder“, endet sie.


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Foto: Rebecca Hoppé

Nach dem Studium der Innenarchitektur in Detmold (1990 bis 1994) arbeitete Birgit Gebhardt nur kurz in diesem Beruf. 1996 wechselte sie als Redakteurin zum „Design Report“. 2001 bis 2012 hatte sie verschiedene Funktionen beim Trendbüro inne. 2013 machte sie sich selbstständig. Die Trendforscherin ist Autorin, Beraterin und Referentin.

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