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Michael Kläsener von Sedus im Interview

30 Jahre Erfahrung und immer noch neugierig
Michael Kläsener

Der Industriedesigner blickt bereits auf über 30 Jahre Erfahrung in der Büromöbelbranche zurück. Er ist offen für Innovationen und neue Denkansätze. Dennoch sieht Michael Kläsener manche Entwicklungen kritisch.

Interview Katharina Feuer

Wie war für Sie die Orgatec?

Michael Kläsener: Die Resonanz war großartig. Die Plattform gab uns die wunderbare Möglichkeit, nach vier Jahren als Komplettanbieter neue Konzepte und Einrichtungslösungen für die Gestaltung der Arbeitswelt von heute und morgen vorzustellen. Bis zum letzten Tag, fast während des Abbaus, kamen wichtige Kundenkontakte zustande.

Dieses positive Fazit kann man noch besser einordnen, wenn man weiß, dass Sie schon seit vielen Jahren in der Branche tätig sind.

Michael Kläsener: Das stimmt. Ich habe 1985 bei der Sedus Stoll AG als Industriedesigner begonnen zu arbeiten.

Heutzutage ist das eher ungewöhnlich, ein Leben lang bei einem Arbeitgeber zu bleiben. Wie haben Sie angefangen? Wie darf man sich die Arbeitswelt von damals vorstellen?

Michael Kläsener: Nun, die laborhaften Zeiten, in denen mit weißen Kitteln rumgelaufen wurde, waren bereits vorbei (lacht). Aber ich habe ganz klassisch am Zeichenbrett begonnen. Wir haben mit der Hand Produkte gezeichnet. Nach diesen Entwürfen entstanden im Musterbau entsprechende Modelle. Ein ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen war schon damals unerlässlich.

Wann kamen die ersten Zeichenprogramme hinzu?

Michael Kläsener: Ich glaube, Mitte der 1990er-Jahre begann das Unternehmen, erste CAD-Programme zu kaufen. Die waren damals fürchterlich umständlich und unvorstellbar teuer. Wir haben deswegen im Schichtsystem gearbeitet, weil man nicht alle Entwickler mit dem Equipment ausstatten konnte.

Welche Vorteile haben sich mit diesen CAD-Programmen ergeben?

Michael Kläsener: Wir sind unglaublich produktiv gewesen. Plötzlich konnte man mit derselben Mannschaft dreimal so viele Produkte und Varianten konstruieren. Das hat sich bei aller anfänglichen Umständlichkeit sofort bewährt. Heute sind wir voll digitalisiert.

Gibt es im Unternehmen überhaupt noch ein Zeichenbrett?

Michael Kläsener: Nein. Wir verwenden keine Zeichnungen mehr. Nur noch hausintern: Explosionszeichnungen eignen sich gut für den korrekten Bau eines Systems und unterstützen in der Abstimmung mit Lieferanten.

Sie bieten Tische an, auf deren Oberfläche man direkt schreiben kann.

Michael Kläsener: Korrekt. Das ist unser ‚Tableboard‘, ein platzsparender Sitz-Steh-Tisch mit optionaler Whiteboard-Funktion. Dabei ist er höhenverstellbar. Das ist nur eines von vielen Produkten der ‚Se:lab‘-Familie, die eine konzeptionelle Ausrichtung hat. Das Sortiment ist nicht systemisch gedacht.

Was meinen Sie damit?

Michael Kläsener: Damit meine ich, dass eine intuitive Handhabung möglich ist. Das war uns wichtig. Wenn ich in einem Workshop kurzerhand einen Raum umstrukturieren möchte, will ich mich nicht mit dem Aufbau der Möbel beschäftigen, sondern bestenfalls nebenbei die Tische, Boards und Sitzgelegenheiten neu anordnen. Wir haben diese Produktfamilie bereits vor vier Jahren entwickelt, vor zwei Jahren kam sie auf den Markt. Sie traf den Nerv der Zeit. Die Pandemie hat als Katalysator für Veränderungen funktioniert, die auch vorher schon begonnen hatten.

Nicht alle sind für dieses flexible Setting geeignet.

Michael Kläsener: Da sagen Sie etwas. Natürlich muss man sich immer den tatsächlichen Bedarf in einem Unternehmen anschauen. Manchmal sind ein Open Space und Desk Sharing nicht erforderlich, weil es einfach nicht der Aufgabe entspricht. Erfolgreiche Bürokonzepte zeichnen sich dadurch aus, dass man vom Nutzer ausgeht. Was macht dieser? Was braucht dieser, um arbeiten zu können? Aber genau das ist wiederum das Spannende. Wie kann ich einen Raum an unterschiedliche Bedürfnisse anpassen? Menschen sind hoch individuell.

Das betrifft auch ihren Körperbau. Sie sind seit über sieben Jahren ausgewiesener Experte für Ergonomie bei Sedus. Wenn Sie so manchen Hocker sehen, verzweifeln Sie da nicht?

Michael Kläsener: Ich sehe große, kleine, dünne, dicke Menschen. Sie alle sollen auf denselben Stühlen sitzen. Da graust es mir tatsächlich. Wir sind nicht zum Sitzen gemacht. Produkte, im speziellen Stühle, wurden daher immer komplexer. Jetzt erleben wir eine gegenteilige Entwicklung: Möbel werden wieder simpler. Meine Lieblingsthese hierzu lautet: „Betrachten Sie das Ganze mal aus der Perspektive ihrer Bandscheiben.“ Dann würden die Menschen sich mehr bewegen, mehr aufstehen. Und die Haltung häufig im Arbeitsalltag wechseln.

Und wie verträgt sich das mit Se:lab?

Michael Kläsener: Die Angebote, die Se:lab macht, sind stark vom Nutzer her gedacht. Deswegen sind auch kleine Sofas dabei. Wenn eine Besprechung länger dauert und man auf den Pizzaboten wartet, kann man es sich kurz bequem machen. Es geht um eine dynamische, interaktive und ständig wechselnde gemeinsame Arbeitsweise, die wir unterstützen wollen. Wir wollen Bewegung fördern.

Macht sich das Homeoffice bei Sedus bemerkbar?

Michael Kläsener: Das ist ein sehr wichtiges Thema; sowohl im Beratungsbedarf als auch in Bezug auf das Umsatzpotenzial. Bedenken Sie: Der Arbeitgeber ist laut Richtlinien der Arbeitsstättenverordnung dazu verpflichtet, eine komplette Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Dies gilt, wenn er regelmäßiges Arbeiten von zu Hause aus anordnet. Daher rührt die sprachliche Umgehung „Mobiles Arbeiten“. Dann entfällt die Verpflichtung, bei nur gelegentlicher Arbeit von zu Hause aus. Viele Arbeitnehmer haben sich aber schon eigenes Equipment organisiert. Und wenn man bedenkt, dass die Kosten für zwei Krankheitstage eines Mitarbeiters den Kosten für einen Arbeitsplatz im Homeoffice entsprechen, sollte die Überlegung über die Investition eigentlich überflüssig sein. Weiterer Vorteil ist: Zuhause kann sich der Mitarbeiter nach seinem Geschmack einrichten. Das geht im Büro natürlich nicht.

Letzte, nostalgische Frage: Glauben Sie, es wird noch einmal ein Comeback für das Zeichenbrett geben?

Michael Kläsener: Für die ersten konzeptionellen Ideen ist die Handskizze nicht zu ersetzen. Als Comeback des Zeichenbretts? Gefragt sind Innovationen. Diese können wir auch als Ergänzung und nicht nur als Ersatz sehen.


Michael Kläsener

Der Designer (Jg. 1958) arbeitet seit Abschluss seines Diplomstudiums in Folkwang (1985) bei der Sedus Stoll AG. Zunächst als Industriedesigner, später als Leiter Design/Vorentwicklung. 2012 folgte der Wechsel ins Marketing. Seit 2015 ist sein Expertenwissen im Fachbereich Ergonomie gefragt. Zudem baut er die Submarke ‚Sedus ergo+‘ als Projektleiter auf.

Webseite des Unternehmens

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