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Sarah Maier im Interview

Über rechte Winkel, Nachwuchsprobleme und Küchen
Sarah Maier

Wie lang lassen sich Menschen noch in 60er-Raster stecken? Unternehmerin und Architektin Sarah Maier wundert sich über manches. In ihren Entwürfen für den Wohnraum und die Küche meidet sie oft rechte Winkel.

Autorin Katharina Feuer

Eine Kücheninsel mit fünf Ecken? Keine rechten Winkel? Auf den ersten Blick löst die Form Irritation aus. Sie ist ungewohnt. Wer hat sich denn so etwas ausgedacht?

Sarah Maier, lautet die Antwort. Es ist ihre Entgegnung auf die Frankfurter Küche, die in den 1920er-Jahren für eine Hausfrau und effiziente Arbeitsabläufe auf kleinem Raum konzipiert wurde. Heute ist der Bedarf ein anderer. Die Architektin nennt sie die ‚Stuttgarter Küche‘. Ein Ort, an dem die Familie zusammenkommen kann, ohne sich im Weg zu stehen.

Familienbetrieb in 4. Generation

Sarah Maier erklärt den Entwurf im Showroom, der gegenüber der Tischlerei in Stuttgart-Feuerbach liegt. Den Standort hatte sie bewusst gewählt, als sie realisierte, dass die potenzielle Kundschaft den Weg nicht mehr nach Markgröningen auf sich nimmt. Hier hatte noch der Großvater die damals modernste Schreinerei Deutschlands auf der grünen Wiese errichtet.

Ihre Mutter Ursula Maier, Tischlerin und Innenarchitektin, übernahm die Firma 1980 und ergänzte einen Showroom mit hochwertigen, meist italienischen Objekten. „Artemide kannte damals kaum jemand“, sagt Sarah Maier. Sie führt das Unternehmen in der 4. Generation seit 2007. Eine wirkliche Wahl hatte sie nicht. Aber es entsteht auch nicht der Eindruck, als ob sie unter der Entscheidung leide, in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten zu sein. Diese bat sie um Hilfe, als sie direkt nach dem Architekturstudium, mit Ende zwanzig, gerade frisch selbst Mama geworden war.

Sie stand vor einer Herkulesaufgabe, denn kurz nach ihrem Eintritt ins Unternehmen brachen bedingt durch die Bankenkrise 2008 die Aufträge ein. „Aber ich habe auch schon immer gewusst, dass ich Verantwortung übernehmen will“, erinnert sich die Mutter von drei Söhnen. Diese Überzeugung, diese Zuversicht und Energie strahlt sie auch aus.

Für ihre wachsende Familie baute sie 2010 in einem Stuttgarter Altbau eine Küche ein, deren Kücheninsel – man ahnt es schon – fünf asymmetrische Winkel hat. „Ich wollte nicht mit dem Rücken zum Geschehen stehen, wenn ich in der Küche arbeite, und ich wollte nicht isoliert sein.“ Viele Entwürfe später hatte sie eine Funktionen trennende Abfolge erarbeitet. Das spiegelt sich in der Form wider.

Alles hat seinen Platz

Die Idee dahinter: Jeder hat eine andere Aufgabe in der Küche, sobald mehrere Personen versammelt sind. Der Erste schnippelt, der Zweite kocht, der Dritte deckt den Tisch, der Vierte steht vielleicht kommentierend bei einem Glas Wein dabei. Alle sollen ihren Platz finden, ohne sich gegenseitig zu behindern. Um die Insel herum spielen die Kinder Fangen.

Sarah Maier deutet an, wie sie die Schnippelreste in einen Behälter direkt neben der Arbeitsfläche wischen kann, zieht Schubläden auf, lässt Wasser über die Fläche fließen, das zur Spüle hin abläuft. Sie öffnet Schränke, zeigt Details, gestikuliert mit den Händen. Frappierend dabei ist, dass man denkt: Ja, stimmt, wir stehen uns in der Küche im Weg. Aber hier hat alles seinen Platz.

Bis ins kleinste Detail

Mit ihrer Schreinerei und dem Planungsbüro, mit 16 Mitarbeitern – Meistern, Gesellen und Auszubildenden – setzt sie diese individuellen Küchenlösungen um. Das sei ein Vorteil ihres Unternehmens: „Bei uns erhält man alles aus einer Hand: Entwurf, Planung, Produktion, Ausbau, Möblierung, Licht, Elektrik. Wir denken bis ins Detail, bis hin zur Pflanze.“

Ihre fokussierte Art, Entscheidungen schnell und klar zu treffen, sieht sie als einen weiteren Vorteil: „Ich bin es gewohnt, auf Abruf Leistung zu bringen.“ Die Jahre als Leistungssportlerin im Synchronschwimmen in der deutschen Nationalmannschaft haben sie nachhaltig geprägt und zu einer Teamplayerin gemacht. Am liebsten sind ihr die Aufträge, bei denen sie ein ganzes Haus oder eine ganze Wohnung gestalten kann. Zu Beginn stünden Gespräche und der Kunde mit seinen Vorstellungen, vorhandenen Möbeln und Kunstgegenständen im Mittelpunkt. Dann mache sie Vorschläge. „Ich bin eine sehr überzeugende Verkäuferin“, zeigt sich die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin selbstbewusst.

„Ich habe schnell eine Lösung im Kopf und kann diese mit plausiblen Argumenten untermauern.“ Der Erfolg gibt ihr Recht. „Es geht nicht darum, etwas zu bauen, was nur schön ist und keinem nutzt. Meine Räume müssen funktionieren nach dem Motto : PPS – perfekt, praktisch und schön.“

Nachwuchsprobleme

Ihre Schwierigkeiten hat sie mit dem Nachwuchs. Es sei teilweise eine Katastrophe, mit welchem Wissen die Absolventen eines Masters in Interiordesign oder der Innenarchitektur ankämen. Oder sollte man besser Nichtwissen sagen?

„Ich bin regelmäßig irritiert, wie wenig Praxisbezug die jungen Menschen haben und wie abgehoben und realitätsfern die Entwürfe sind. Zudem fehlt oft das Pflichtpraktikum im Handwerk.“ Das Problem habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Studierenden wurden beim Online-Lernen allein gelassen. Es fehlte der Austausch, die konstruktive Kritik, die Reibung, die Suche nach der besten Lösung, die gemeinsam durchgearbeiteten Nächte im Atelier.

Treffpunkt für den Austausch

Auch an anderer Stelle mache sich das bemerkbar: Die jüngsten Entwürfe einiger Hersteller seien schlichtweg schlecht. „Der Dialog fehlte. Die Rückmeldung der kritischen Kunden, die auf einer Messe Produkte ins Auge nehmen, anfassen, testen, erleben und bewerten. Anders kann ich mir manche Designs nicht erklären.“

Die Wichtigkeit von Messen, ob nun in dieser Form oder in einer zukünftig anderen, bleibe bedeutend. Disruptive Gedanken sind ihr nicht fremd. Doch: „Menschen brauchen einen Marktplatz, wo sie sich treffen und austauschen können, das wird immer bleiben.“

Solch ein Treffpunkt für den Austausch ist auch ihre Küche. Der Entwurf soll Menschen Freude bereiten, sie zusammenbringen und ihnen Orientierung geben. Auch deswegen ist die Kochstelle der Kücheninsel so ausgerichtet, dass beim Kochen der Wohnraum im Blick liegt.


Foto: Wilhelm Betz

Synchronschwimmerin, Betriebswirtschaftlerin, Architektin: Sarah Maier (Jg. 1977) vereint viele Leidenschaften. Die Unternehmerin übernahm 2006 direkt nach dem Studium der Architektur in Berlin die Tischlerei und den Showroom von ihrer Mutter Ursula Maier in Markgröningen. Seither hat sie manche Krise und einen Umzug nach Stuttgart-Feuerbach gemeistert. Der Komplettanbieter Sarah Maier innen:aussergewöhnlich realisiert Innenraumgestaltungen in hoher Qualität, darunter auch Küchen.

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