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Matteo Thun im Gespräch

Im Gespräch mit Matteo Thun
70 Jahre, 80 Hotels

Matteo Thun ist niemand, der gern im Vordergrund steht. Er lässt lieber seine Entwürfe sprechen, wozu neben Möbeln und Leuchten auch 80 Hotels gehören. Anlass genug, den in Mailand ansässigen Architekten zu fragen, wohin die Reise geht.

Autorin Claudia Simone Hoff

Kurz vor der Mailänder Möbelmesse hat sich Matteo Thun in sein Haus auf Capri zurückgezogen, wo wir ihn per Video-Call erreichen. Er sieht ziemlich entspannt aus, obwohl er im Sommer 70 Jahre alt wird und beruflich noch immer voll engagiert ist. Er schaue grundsätzlich nur nach vorn und nie zurück, sagt er, als wir ihn auf seinen Geburtstag ansprechen und fragen, auf welche Projekte er besonders stolz sei in seiner rund 40-jährigen Karriere.

„Meine Vorbilder Jean Nouvel, Mies van der Rohe und Le Corbusier sind erst im Alter zwischen 70 und 80 richtig gut geworden – das möchte ich auch“, sagt er schmunzelnd. Dabei ist er längst einer der ganz Großen des Designs, hat für Hersteller wie Driade, Artemide und Venini gearbeitet und als einer der Mitbegründer von Memphis Designgeschichte geschrieben. Doch zuallererst ist Matteo Thun Architekt.

Matteo Thun
Foto: Daniel Chardon

Rund 80 Hotels, vor allem für das Fünf-Sterne-Segment, hat Matteo Thun mit seinem Büro bisher entworfen und gebaut. Für weltweit tätige Brands wie Marriott, aber auch für inhabergeführte Häuser. Sein Gestaltungsansatz bei diesen Projekten ist ganzheitlich, umfasst fast immer Architektur, Interior- und Produktdesign. Eine der spektakulären Landmarken des Büros ist das Vigilius Mountain Resort in Südtirol, das zwischen 2001 und 2003 entstand und in nur sechs Monaten Bauzeit mit vorgefertigten Holzmodulen errichtet wurde – neben dem Side Hotel in Hamburg und der La Pergola Residence in Algund sein erstes Hotelprojekt überhaupt.

Matteo Thun: Ganzheitlicher Ansatz

Das Fünf-Sterne-Hotel liegt auf 1 500 m Höhe über Lana und verschmilzt mit seiner Umgebung, denn es ist dem Umriss eines Berges nachempfunden. Nur zu Fuß oder mit der Seilbahn erreichbar, öffnet sich das gestalterisch zurückhaltende Gebäude zum Tal hin. Beton wurde dort nur im Souterrain verbaut, erzählt Thun, stattdessen kamen Stein, Holz und Lehm zum Einsatz. Auch deshalb hatte das Projekt zusammen mit der Therme Meran, die ebenfalls von ihm stammt, einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung nachhaltiger Architektur in Südtirol und wurde mit der ersten Clima-Hotel-Zertifizierung überhaupt ausgezeichnet. Vielleicht gelang dem Architekten ein solch großer Wurf aber auch deshalb, weil er mit einem privaten Auftraggeber arbeitete.

Matteo Thun
Foto: Linda Blatzek

Nachhaltigkeit im Fokus

An der Zusammenarbeit mit privaten Auftraggebern schätzt Thun vor allem die direkte Kommunikation, wohingegen die vielen bürokratischen Hürden und Corporate-Vorgaben in Hotelkonzernen seine Sache nicht sind. „Es entspricht unserer Idee eines Genius Loci, dass man jedes Projekt bei null beginnt“, sagt Thun.

Was er damit meint: Jeder Ort hat seine eigene Kultur, sein eigenes Klima, seine eigene Kundschaft und auch seine eigenen Mitarbeiter – was sich unmittelbar auf den Entwurf auswirkt. „Plant man Hotelprojekte für den Freizeitbereich, ist es einfacher, auf einen spezifischen Ort einzugehen, als wenn man ein Hotel in der Stadt entwirft“, sagt Thun.

Und: Jedes Projekt ist nur so gut wie das Verhältnis zwischen dem Architekten und dem Investor. „Ich merke schon im Vorfeld, ob eine Partnerschaft klappt oder nicht“, sagt der Südtiroler, der seine Heimat schon mit 18 verlassen hat und nicht mehr zurückgekommen ist. „Wir müssen leider oft Hotelprojekte ablehnen – vor allem aufgrund von Fachkräftemangel.“

Hotelprojekte
Foto: Andrea Garuti

Nachhaltiges Drei-Nullen-Prinzip

Der Fachkräftemangel ist das eine, ständig steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferengpässe sind die anderen Themen, die die Baubranche seit Ausbruch der Pandemie umtreiben. Hier ist das Büro von Matteo Thun im Vorteil, denn es setzt seine Projekte nach dem nachhaltigen Drei-Nullen-Prinzip um, das der Architekt folgendermaßen erklärt: Null Kilometer bedeutet das Bauen mit den Materialien vor Ort und das Bedienen des Gastes mit Angestellten aus der Umgebung.

Null CO2 bedeutet, dass man mit der Sonne, dem Wind und dem lokalen Wasser richtig umgeht und null Abfall bedeutet, dass man mit Holz baut, weil das Lifecycle-Management eines Gebäudes nicht mit Zement funktioniert. „Mich wundert, dass es im Hochbau tatsächlich noch Zement-Gläubige gibt“, sagt der Architekt und ergänzt: „Langlebigkeit ist das Hauptkriterium von Nachhaltigkeit – wir garantieren unseren Investoren, dass sie 15 Jahre lang nichts erneuern müssen.“

Die Industrie ins Boot geholt

Seit Thun vor über zwanzig Jahren in das Hotel-Geschäft eingestiegen ist, hat sich in seiner Arbeit vieles verändert. „Dieser Geschäftsbereich hat es uns als Büro ermöglicht, auf die andere Seite zu wechseln“, sagt er. „Normalerweise wird man als Designer von der Industrie angefragt, bei uns ist es wegen unserer interessanten Projekte seit rund 20 Jahren andersherum: Wir suchen uns unsere Kunden aus, was ein echtes Highlight ist.“ Das hat durchaus viele Vorteile für beide Seiten.

Die Architekten können Produkte wie beispielsweise Badarmaturen speziell für ihre Hotelprojekte entwerfen, während den Herstellern garantierte Abnahmekontingente zugesichert werden. Dabei sind die Produktentwürfe immer an den Bedürfnissen der Hotel- und Pflegeeinrichtungs-Branche ausgerichtet: „Wir starten immer mit B2B, nicht mit B2C“, sagt Thun. Die von ihm entworfenen Produkte kommen vor allem in den Bereichen Beleuchtung, Sanitär sowie Gastronomie zum Einsatz.

Matteo Thun
Foto: Matteo Thun & Partners

Dinge im Wandel

„Der Bereich Food & Beverage ist wichtiger denn je für den Erfolg einer Hotelinvestition“, erläutert der Architekt, der zwischen 2002 und 2019 auch verantwortlich war für das Interior- und Konzeptdesign der Restaurantkette Vapiano. „Dieser Trend hält seit einer Weile an, ist aber noch nicht voll ausgeschöpft.“

Durch die Pandemie seien außerdem Themen wie Sanitär, Hygiene und Wasser-Management in den Fokus gerückt, sagt Thun, der seit über dreißig Jahren als Produktdesigner für Hersteller der Sanitärbranche wie beispielsweise Duravit, Zucchetti oder Falper arbeitet.

Das hat auch Folgen für die Gestaltung, merkt er an und sagt das Ende von klassischen Armaturen und Fliesen voraus, die zu pflegeintensiv seien. Stattdessen seien vollflächige, fugenlose Böden und Wände sowie kontaktlose Armaturen im Kommen. „Ich habe von Anfang an nur Dinge gemacht, die mir Spaß machen“, sagt Matteo Thun. Wir wünschen ihm, dass das so bleibt.

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Webseite des Büros


Matteo Thun

arbeitet auch mit 70 noch immer an mehreren Projekten gleichzeitig. Nachdem er sich 1984 selbstständig gemacht hatte, gründete er 2001 das Architektur- und Designstudio Matteo Thun & Partners. Mit Antonio Rodriguez beschäftigt er in Mailand, München und Shanghai rund 80 Mitarbeiter.

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