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Öfter mal bewegen

Von den Vorteilen alternsgerechter Arbeitsplätze
Öfter mal bewegen

Öfter mal bewegen
Wer sich regt, lebt länger und bleibt fitter. Das gilt erst recht für Menschen, die viel Zeit im Büro verbringen. Foto: Fotolia /Sebastian Gauert
Steh-Sitz-Arbeitsplätze und ergonomische Bürostühle mit einfachen Verstellmöglichkeiten sind heute vielfach Standard. Doch sie müssen genutzt werden, denn das viele Sitzen erweist sich als lebensverkürzend.

Autor Dr. Ahmet E. Çakir

Vor wenigen Jahren machte eine Studie mit dem Titel „Sitzen ist das neue Rauchen“ Furore. Sie kam zu dem Fazit: Langes Sitzen kann lebensgefährlich sein. Denn wer immer wieder viel Zeit im Sitzen verbringt, sei es am Schreibtisch, vor dem Fernseher, über einem Buch oder im Auto, spielt mit seinem Leben. So bitterböse hatten es die früheren Warner, zum Beispiel der Arbeitsmediziner Professor Dr. Theodor Peters, nicht ausgedrückt. Ich will es sogar noch etwas milder beschreiben, so etwa mit Gemütlichkeit.
Rauchen war Kult – kein Film Noir ohne Gauloises, keine Nouvelle Vague ohne Gitanes, keine 68er-Revolution ohne Roth-Händle. Was wären die gemütliche Stube des Kommissars Erik Ode oder die Eckkneipe ohne Rauchschwaden? Wir wissen es. Der Qualm hat sich verzogen, und die verbliebenen Raucher sind nicht mehr die coolen Typen von einst. Sie sind eine Minderheit, die man vor die Tür schickt.
Gibt es Hoffnung, die Sitzenbleiber eines Tages ebenso ansehen zu dürfen wie die Raucher? Vorbei das Sitzen wie einst das Rauchen? „Trau Gott und binde deinen Esel an“, hätte mein frommer Großvater gesagt. Diese Sache beim Hoffen zu belassen, wäre nicht nur ein Sargnagel für manchen Betroffenen, sondern auch für die alternde Gesellschaft.
Wir müssen, so wie wir es mit unserer Umwelt langsam lernen, nachhaltig auch mit der menschlichen Arbeitsfähigkeit umgehen. Was dies bedeutet, kann man den Worten des einstigen Bundesforschungsministers Heinz Riesenhuber entnehmen, den man gefragt hatte, warum er mit 80 Jahren noch im Bundestag sitze. Riesenhuber meinte, es mache Spaß, und Menschen zwangsweise in Rente zu schicken, sei unmenschlich. Warum erfährt dann die Rente mit 63 einen so unerwartet hohen Zuspruch?
Der Widerspruch ist keiner und längst aufgeklärt: Manche Arbeit verbraucht den Menschen, sodass er es nicht einmal bis 63 schafft, sondern früher kaputt aus dem Arbeitsleben ausscheidet. Dagegen muss man andere vom Arbeitsplatz wegtragen, nicht nur Heinz Riesenhuber.
Als Schlüssel zur Lösung zwischen den beiden Polen hat man die „alternsgerechte Arbeit“ sowie den ebenso alternsgerechten Arbeitsplatz formuliert. Alt werden, ohne schnell zu altern – das ist nicht etwa eine Utopie, sondern gelebte Realität in nicht wenigen Betrieben.
Hierzu gehört als Ziel eine Erwerbsbiographie, in deren Verlauf der Mensch produktiver und zufriedener wird, anstatt sich auf das Ausrangieren vorzubereiten. Initiativen und gute Beispiele gibt es zuhauf. Die Bundesregierung verkündete bereits 2010 den „Aufbruch in die alternsgerechte Arbeitswelt“. Die Aufgabe für Betriebe, Sozialpartner und nicht zuletzt für die Politik besteht demnach künftig darin, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass auch eine älter werdende Arbeitsgesellschaft ein Höchstmaß an Produktivität und Innovationsfähigkeit erreichen kann.
Keine ergonomische Tischmaschine
Wie man auch vorgehen mag, am Problem Sitzen kommt niemand vorbei. Zum einen sind viele ehemals körperlich arbeitende Menschen zu Schreibtischhockern geworden. Zum anderen hat der Fortschritt der Technik die erforderlichen Funktionen des menschlichen Körpers weitgehend auf eine Stativfunktion für den Kopf und die Hände reduziert.
Und das Sitzen finden viele Menschen so gemütlich, dass sie sogar ihre Pausen am Arbeitsplatz verbringen. Deshalb verwundert es nicht, dass die oben angeführte Studie den Zusammenhang des Sitzens mit Herzkrankheiten, Darmkrebs und Diabetes nachweisen konnte. Alles in allem also einen vorgezogenen Abschied von Erden konstatierte. Der Fachbegriff dazu lautet „höhere Sterberate“.
Neu sind die Präventionsbemühungen nicht. So propagierte der Arbeitsmediziner Professor Theodor Peters bereits in den 70er-Jahren in seinem Buch einen höhenverstellbaren Tisch. Einer weiten Verbreitung standen jedoch technisch-wirtschaftliche Hindernisse im Weg: Er war schlecht ausgeführt, schlecht bedienbar und teuer. Ein weiteres Hindernis war die Computertechnik. Ergebnis: Ergonomische Tischmaschine!
Glücklicherweise ist das inzwischen Historie. Heute sind Steh-Sitz-Möbel mit hohem Bedienkomfort, Bildschirme, von denen man sogar ohne Tischverstellung im Stehen ablesen kann und Headsets mit großer Reichweite keine exotischen Designprodukte, sondern eher alltägliche Gegenstände. Ergonomie und Design als Ganzheit statt als Alternative… eine alternsgerechte Gestaltung.
im stehen Stresshormone abbauen
Was hat man vom Steh-Sitzen, außer dass der Rücken entlastet wird? Man ist wacher und fühlt sich frischer als im Sitzen, was nicht nur ein scheinbares Gefühl ist. Das Gehirn wird nämlich besser durchblutet, der Körper baut Stresshormone besser ab. Apropos Stress: Im Stehen kann man besser Stress abreagieren als im Sitzen. Und wen die Klimaanlage nervt, empfindet plötzlich keine Zugluft mehr, weil die unteren Extremitäten besser durchblutet sind und nicht ständig in gleicher Position zur Luftbewegung stehen.
Eine Win-win-Situation? Nicht ganz, denn der Mensch ist für dauerhaftes Stehen noch weniger geeignet als fürs Sitzen. Daher kommt dem Bürodrehstuhl eine große Bedeutung zu, auch wenn er seltener besessen wird. Der muss nicht nur das Aufstehen und Hinsetzen besser unterstützen, sondern für ein gesundes Sitzen besser individuell einstellbar sein.
Hier hapert es im Prinzip bei allen Stühlen, weil die Verstellelemente fast alle unsichtbar unterm Sitz versteckt sind. Daher kommt es sehr auf eine gute Einweisung und Dokumentation der Funktionalität an. Von selbst entdecken die meisten allenfalls den Hebel für die Höheneinstellung. Dass der Stuhl an Steh-Sitz-Arbeitsplätzen eine Garage braucht, hat sich auch noch nicht herumgesprochen. Alles in allem: Es kommt auf die Haltung an – nicht nur auf die körperliche. Denn: Sitzfleisch entfaltet sich von selbst – Stehvermögen muss erarbeitet werden.
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