Architekten müssen zuhören können. Anlässlich eines unternehmensweiten Frühstücks der 600 Mitarbeiter der Goede Doelen Loterijen konnten die Angestellten ihre Vorschläge und Wünsche für den neuen Hauptsitz einreichen: Laut Saartje van der Made, Partnerin von Benthem Crouwel Architects, wurden fast alle Mitarbeiterwünsche erfüllt.
Der als neue Firmenzentrale auserkorene Altbau stand fast ein Jahrzehnt leer, war unansehnlich und nicht mehr nutzbar. Nach der Entkernung ist das vormalige, schlichte Gebäude optisch komplett verschwunden und auch im Innenraum nicht mehr erkennbar. Die neue Baumasse ist um ein Vielfaches größer als der Altbestand, daher darf man durchaus von einem neuen Gebäude sprechen. Zu dessen spezifischer Ausgestaltung haben Bauherr und Mitarbeiter mit ihren Anregungen einiges beigetragen.
Benthem Crouwel führten intensiven Dialog
Für die Toiletten gibt es ein Regenwassersammelsystem; darüber hinaus ist es ein energieeffizientes Gebäude, das Energie durch Solarmodule gewinnt. Ebenfalls zentrales Anliegen war ein Auditorium und ein eigenes Restaurant, das für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Saartje van der Made, Partnerin von Benthem Crouwel Architects, erklärte uns: „Wir glauben, dass, wenn man das Wohlbefinden zukünftiger Nutzer zur absoluten Priorität erklärt, dies fast automatisch zu einem höchst nachhaltigen Gebäude führt. Aber nur ein intensiver Dialog mit den Auftraggebern und Nutzern kann eine klare Vorstellung davon vermitteln, was Wohlbefinden für jeden bedeutet – es ist die Aufgabe des Architekten, dem Auftraggeber zuzuhören und ihm zu helfen, seine Wünsche genau zu definieren.“
Eines der wichtigsten Anliegen der Mitarbeiter war es, das Grün aus einem Park an einem der alten Standorte in das neue Büro in der Beethovenstraat 200, 1077 JZ Amsterdam, „mitzubringen“. Um diesen Anspruch zu erfüllen, wurde ein Dach geschaffen, das in jeder Hinsicht „grün“ ist und Anleihen an einen bewaldeten Park mitbringt. Das Dach überspannt das bestehende Volumen und verwandelt den Innenhof in einen sonnigen mediterranen Platz, der als pulsierendes Herzstück des Gebäudes fungiert.
Die neue Schicht zwischen dem ehemaligen Dachgeschoss des Bestandsgebäudes und dem neuen Dach wird zur Grünzone mit vielen Pflanzen und Bäumen auf den verschiedenen Dachgärten und Balkonen.
Piazza unter dem Blätterdach
Schlanke, baumförmige Säulen – drei große und drei kleinere – tragen das Dach. Hier sind neben 949 Solarpanels auch diverse Oberlichter integriert, daneben findet hier das Sammeln und Ableiten des Regenwassers statt, das später zur Bewässerung der Dachgärten und zur Versorgung der Sprinkler- und Spülanlagen verwendet wird.
Unter der Dachhaut lassen Benthem Crouwel Architects sich 6 800 „Blätter“ aus poliertem Aluminium entfalten, die wie ein natürliches Blätterdach einen Schattenwurf an Wänden und Böden erzeugen. Die Alubleche sind jeweils zum „Nachbarblatt“ gedreht, um eine gewollte Unruhe zu erzeugen und die Bewegung von Blättern im Wind zu imitieren. Farben, Lichtintensität und die Innenraum- Atmosphäre ändern sich, je nachdem, wo und wann man durch das Gebäude geht.
Das Blätterdach von Benthem Crouwel Architects wirkt wie eine große Geste in Richtung Umgebung und ist nicht nur von den Hochhäusern des nahen Geschäftsviertels, sondern auch von den Häusern in der Nachbarschaft sichtbar. Im Eingangsbereich sind sowohl die Dachebene als auch der „Blätterwald“ weit über die Fassade hinausgezogen. Diese Freifläche soll auf Besucher aus den umliegenden Gebäuden einladend wirken. Dass im Haus ein für die Allgemeinheit zugängliches Restaurant besteht, unterstreicht den Willen des Bauherrn, ein offenes Haus zu betreiben.
Die Innenfassade der großen Halle ist von einer italienischen Piazza inspiriert. Man sieht deutlich, dass bei den unterschiedlichen Fensterformaten mit verschiedenen mediterranen Architekturstilen gespielt wird. Auch mit verschiedenen Materialien arbeiteten Benthem Crouwel Architects: Holz und perforierte Bleche sind flächig einsetzt und sorgen für unterschiedliche Fassadenanmutungen im Innenraum.
Für die Gestaltung und Bepflanzung der Innenräume waren die Designer von D/Dock zuständig. D/Dock brachte sogar für die Planung der ursprünglichen Haupttreppe einen eigenen Entwurf ein und arbeitete dabei eng mit der Goede Doelen Loterijens Inhouse-Designerin Yolanda Loudon zusammen.
Dabei wurde noch ein weiteres großes Anliegen der Mitarbeiter berücksichtigt. Es sollte nichts weggeworfen und alle vorhandenen Möbel aus den bestehenden Standorten recycelt werden. Ein Beispiel dafür ist das Restaurant, in dem fast alle früheren Stühle und Tische einen neuen Standort erhalten haben. Was noch an Möbeln fehlte, kaufte Yolanda Loudon auf dem Gebrauchtmöbelmarkt nach.
Vorteile der Nachhaltigkeit
Im Fall der Goede Doelen Loterijen hat der intensive Dialog mit dem Bauherrn und dessen Mitarbeitern sowie die BREEAM-Zertifizierung ein Gebäude entstehen lassen, das die hohen Erwartungen aller Beteiligten nicht nur erfüllt, sondern sogar übertrifft. Ein Bewertungssystem wie BREEAM ist nach Ansicht der Planer ein nützliches Instrument bei der Gestaltung eines Gebäudes mit hohen Nachhaltigkeitsambitionen.
Es stellt sicher, dass alle Parteien und Interessengruppen die gleichen Richtlinien einhalten. Saartje van der Made: „Eine Bewertung wie BREEAM-‘Outstanding’ bringt klare Vorteile in finanzieller und ethischer Hinsicht sowie für die Reputation einer Marke. Als Architekt und Partner in unserem Büro denke ich jedoch an ein Gesamtbild. Ein Gebäude kann das Verhalten der Menschen definieren und beeinflussen – zum Beispiel wird die Frage, wo sich die Eingänge für Autos, Fahrräder und Fußgänger befinden, wie sie gestaltet sind und wie privat oder öffentlich der Raum ist, die Gewohnheiten der Menschen verändern.“
Ein Interview mit Jan Benthem finden Sie hier
Architekt
Jan Benthem gründete im Jahr 1979 gemeinsam mit Mels Crouwel das Büro Benthem Crouwel Architects. 70 Mitarbeiter sind in den Niederlassungen Amsterdam und Düsseldorf aktiv. Das Büro verbindet Effizienz und Pragmatismus mit Innovation und Neugier.
Factsheet
Projekt: Goede Doelen Loterijen
Standort:
Bauherr: Dutch Charity Lotteries
Bauaufgabe: Hauptsitz
Fertigstellung: 2018
Geschosse: 4
Nutzfläche: 7 384 m²
Innenraumgestaltung: D/Dock
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