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Alain Gilles

Über Träume und zwei Frauen
Alain Gilles

Der Designer Alain Gilles lebt seinen Traum. Er entschied sich erst mit Anfang 30 Design zu studieren. Ein Risiko, das sich gelohnt hat. Heute ist der Belgier mit seinem Studio erfolgreich und verfolgt seinen Anspruch, den Nutzer ein Leben lang zufriedenzustellen.

Autorin Katharina Feuer

Es sind zwei Frauen im Leben von Alain Gilles, die bei seiner Entscheidung, mit Anfang 30 alles bisher Erreichte hinzuwerfen und noch einmal zu studieren, ein Wörtchen mitzureden hatten. Seine Frau und seine Mutter. Erstere bestärkte ihn und hielt ihm auch finanziell den Rücken frei. Letztere fand die Idee überhaupt nicht lustig, sondern bangte um die Zukunft ihres Sohnes. Sie schlug vor, er könne doch in seiner Freizeit Design machen. Heute gibt sie ihm regelmäßig kritische Rückmeldung zu seinen Entwürfen – mit 89 Jahren.

Hat der Neuanfang viel Mut gekostet? „Ich würde die Frage umdrehen: Wie viel Mut hätte es gekostet, in diesem ersten Leben zu verharren, das sich anfühlte wie das eines anderen?“ Seine Kommilitonen in Frankreich waren zehn und mehr Jahre jünger. Eine spannende Erfahrung, ein Perspektivwechsel, den Alain Gilles nach knapp
zweieinhalb Jahren Studium auch in sein Berufsleben mitnahm. Ehemalige Lehrer sind Freunde geworden.

Alain wird nicht wieder im Finanzsektor arbeiten – so viel ist sicher. Seit Gründung seines Designstudios 2007 wuchs sein Kundenstamm stetig an. Wie war der Start? Half sein vorheriges Studium des Marketing Managements? „Ich war kein Marketingexperte, aber mir war klar, dass es im Kontakt mit Herstellern nicht allein um Design geht, sondern auch um Lebenserfahrung, Wortgewandtheit und die Kenntnis von Produktionsprozessen. Ich war zwar nicht mehr ganz jung, aber trotzdem voller Energie.“

Sein Portfolio reicht von Accessoires, Möbeln, Leuchten über Installationen bis hin zu raumgreifenden Produkten wie den BuzziBracks für den belgischen Hersteller Buzzispace. Die produktive Zusammenarbeit besteht seit über zehn Jahren – die kleinen Mikroumgebungen für das offene Büro sind eine logische Weiterentwicklung aus dem letzten Produkt für Buzzispace, dem hochwandigen Sofa Buzzispark. Alain erinnert sich, dass der neue Entwurf riskant war. Weder der Hersteller noch er hätten vor diesem Projekt Erfahrungen mit Vorhängen gehabt. Da eine Lösung für das Open Space im Portfolio fehlte, ging man dennoch diesen Schritt. Dann die Frage, ob der modulare Raum weder als zu groß noch als zu beengend wahrgenommen wird? Mit dem Resultat ist er sehr zufrieden.

„Ich halte mich gern lange bei Messen am Stand auf und nutze die Zeit, um Besucher zu beobachten und um meine Produkte vorzustellen. Die direkte Reaktion hilft mir, Dinge zu verstehen und zu verbessern. Sonst ist es schwer, an eine Rückmeldung von Nutzern zu kommen.“

Alain Gilles hat sich bewusst entschieden, als selbstständiger Designer und in seinem eigenen Tempo zu arbeiten. „Man sollte sich selbst treu bleiben. Für mich ist es spannend, als externer Designer Unternehmen – natürlich auf diplomatische und sympathische Art – dazu zu bringen, mehr zu wagen. Ich sehe es als meine Aufgabe an, frischen Wind reinzubringen und Grenzen zu verschieben.“

Der Belgier plant nicht zu expandieren, „ich will keine Aufträge annehmen, um Angestellte zu bezahlen“, noch tritt er die Rechte an seinen Entwürfen ab. Klar, es gab auch schon einen Rückschlag, als ihm ein Unternehmen den Schwarzen Peter für einen Messfehler zuschob. Das war teures Lehrgeld. Aber solche Erlebnisse hakt er ab und schaut nach vorn. Denn die Freude darüber, endlich tun zu können, was ihn wirklich begeistert, überwiegt.

Im Jahr 2019 kommt keiner am Thema Nachhaltigkeit vorbei. Gilles Credo: Es sollte nichts produziert werden, was man nicht braucht. „Das letzte Wort hat sicherlich der Hersteller, besonders in Fragen der Materialität. Aber ich versuche, ein Design für den Menschen zu entwickeln, welches er ein Leben lang liebt, verbunden mit langer Haltbarkeit und Schönheit.“

Und weiter? Alain Gilles kann sich vorstellen, vom kleinen Maßstab einen Schritt weiter zur nächsten Größe zu wechseln: „Architektur hat mich schon immer interessiert.“ Wer weiß? Zuzutrauen ist es ihm.


Portrait: Jean-Marc Wullschleger

Nach dem Studium der Politikwissenschaften und Marketing arbeitete Alain Gilles (Jg. 1970) im Finanzsektor. Erst mit 32 entschied sich der Belgier, in Frankreich Industriedesign zu studieren. Gilles gründete 2007 sein Studio. Zu seinen Kunden gehören Ligne Roset, Buzzispace, Qui est Paul, Vincent Sheppard, Bonaldo und Varaschin.

Webseite des Designers


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