Herz des Hauses ist, so sagt der Volksmund, die Küche. Kochen wird als Geste der Gemeinschaft inszeniert – unabhängig davon, dass zuletzt immer weniger Haushalte im Alltag selber kochten. Doch wenn Restaurants schließen, ist der eigene Herd oder zumindest der eigene Esstisch gefragt.
Die Wohnküche
Innenarchitektonisch schlägt sich dies in der Wohnküche nieder. Räume gehen fließend ineinander über, oftmals bildet ein Küchenblock das Zentrum des Geschehens.
Die Technik verbirgt sich: Ins Kochfeld integrierte Muldenlüfter ersetzen Abzugshauben, multifunktionale Wasserhähne machen Wasserkocher und Sprudelkisten obsolet. Sogar das Konzept des Hauswirtschaftsraumes kommt zu neuen Ehren: Mehrere Küchenanbieter stellen dafür geeignete Möbel vor.
Materialseitig spiegelt sich das Bedürfnis nach gemütlicher Gemeinsamkeit in Naturmaterialien und -optiken wider. Holz bleibt beliebt. Auf dem Vormarsch finden sich Keramiken, die mit geringer Materialstärke täuschend echt Stein nachbilden. Mineralwerkstoffe ersetzen Marmor, da sie im Gegensatz zum Original unempfindlich gegenüber Säure sind.
Das Bad
Neben der Küche wird auch das Bad zunehmend als Wohnraum verstanden – allerdings als privates Refugium. Freistehende Wannen inszenieren den Raum. Als ‚Private Spa‘ überbrückt die heimische Nasszelle die Schließung von öffentlichen Wellnessangeboten.
Clevere Bauherren nutzen staatliche Förderungen, indem sie von vornherein barrierefrei planen: Elementen wie ebenerdigen Walk-in-Duschen sieht man ihre inklusive Funktionalität nicht mal an.
Bei der Boden- und Wandgestaltung gab es noch nie so viel Spielraum wie heute. Nach wie vor ist das Bad häufig in monochromen, hellen Weiß-, Sand- und Grautönen gehalten, XXL-Fliesen sind beliebt. So wohnen wir. Doch kein Trend besteht ohne Gegentrend.
So wohnen wir im Hotel
Hotels machen es vor: Hier sind Bäder oft ein Farbklecks im Interieur. Ornamentale Zementfliesen oder wasserabweisende Motivtapeten dekorieren Wand und Boden. Genauso lässt sich in Hotels erproben, wie nah Schlaf- und Badezimmer aneinanderrücken dürfen: Genügt vielleicht eine Glaswand mit Vorhang zur Schaffung von Privatsphäre?
Das Schlafzimmer
Während sich Bad und Küche zum Wohnraum öffnen, behauptet sich das Schlafzimmer als Rückzugsraum. Schlaf ist zum Lifestyle-Thema avanciert, und wieder dringen Inspirationen aus der Hotelwelt in den Privatraum vor – etwa mit einer besonders bewussten Materialwahl und Lichtplanung.
Unsichtbare Faktoren wie die Raumtemperatur, Gerüche und Geräusche beeinflussen die Schlafqualität des Bauherren. Klar ist: Ein unaufgeregtes, aber bewusst gestaltetes Ambiente sowie eine hochwertige Matratze fördern guten Schlaf.
Das Homeoffice
Während Küche, Bad und Schlafzimmer schon immer zu den Grundpfeilern eines Heimes gehörten, ist mit dem Homeoffice ein völlig neuer Nutzungstypus entstanden. Glücklich schätzen sich die, die schon immer ein Arbeitszimmer hatten; für alle anderen ist nun Improvisation gefragt.
Büromöbelhersteller haben allerdings schnell reagiert: Sie werben mit wohnraumtauglichen, ergonomischen Sitzmöbeln, präsentieren elegante und schlanke Sekretäre. Sogar höhenverstellbare Schreibtische in wohnraumtauglicher Optik gibt es.
Vor allem ist aktuell jedoch Flexibilität gefragt. Wie im Shared Office braucht man auch daheim eine Möglichkeit, sämtliche Arbeitsutensilien und -unterlagen zu verstauen und bei Feierabend aus dem Sichtfeld zu verbannen.
Wo kein neuer Schreibtisch angeschafft wird, hilft ein Schreibtisch-Aufsatz, um im Stehen arbeiten zu können. Und obwohl die Optimierung der Akustik bei Weitem nicht so professionell geplant werden kann wie im Büro, bieten Aufsteller aus Filz unkomplizierten optischen und akustischen Schutz des Arbeitsplatzes.
Wohn- und Essbereich
Je nachdem, ob es ein Arbeitszimmer gibt, verschiebt sich also die Nutzung des Wohn- und Essbereichs. Für den Moment herrschen weiterhin offene Grundrisse vor.
Hotellobbys, aber auch moderne Büros zeigen, wie sich verschiedene Funktionen und Möbeltypen im selben Raum vereinen lassen. Sofaecke und Esstisch funkionieren in friedlicher Koexistenz. Gestalterisch ermöglicht das eine optische Zonierung, etwa durch den Bodenbelag und die Beleuchtung.
Die Beleuchtung
Je mehr man sich im Innenraum aufhält, desto wichtiger mutet natürlich auch die gute Beleuchtung des gesamten Wohnraumes an. Durch Smarthome-Applikationen wird Human Centered Lighting – also die Manipulation der Lichtfarbe entsprechend der Tageszeit – nun auch für Laien intuitiv verständlich und steuerbar.
Auch die Gruppierung mehrerer direkter und indirekter Lichtquellen zu Szenarios sind nun niederschwellig möglich.
Der Boden
Auch wenn wir ihn täglich mit den Füßen treten: Der Boden bleibt ein entscheidender Gestaltungsparameter. Während es in der Büroplanung Usus ist, innerhalb eines Raumes mit verschiedenen Bodenbelägen optische Zonen zu schaffen, verspricht im Wohnraum der Einsatz von Teppichen Freiheit für zukünftige Änderungen.
Raumkonzepte mit einer offenen Wohnküche könnten jedoch dafür sorgen, dass auch im Wohnraum häufiger verschiedene Materialien aufeinandertreffen.
Die Türen
Offener Grundriss hin oder her: Unersetzlich bleiben Türen. Obwohl sie ein geläufiger Alltagsgegenstand sind, bieten sie besondere gestalterische und somit raumbildende Raffinesse, etwa indem sie deckenhoch oder in derselben Optik und Haptik wie die Wand ausgearbeitet sind.
Besondere Handschmeichler sind die Klinken. Neben ihrer Form wird auch ihre Haptik immer anspruchsvoller. Fast konträr zum Bewegungsmuster im öffentlichen Raum, wo man Türen mit der Schulter aufdrückt und Klinken mit dem Ellenbogen bedient, schmeicheln sie sich im privaten Wohnraum in die Hand. Spezielle Oberflächenveredelungen machen es möglich.
Die Farben
Einen besonders guten Kompass für Farbwelten bietet alljährlich die Trendschau der Messe Heimtextil. In diesem Jahr stehen etwa monochrome Farbwelten, das Revival von Dachboden-Fundstücken oder jugendlich-frische Szenarios im Fokus.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass nur die wenigsten einen Raum beziehen, den ein Innenarchitekt am Reißbrett entworfen hat: Ein Wohnraum lebt demnach meist von persönlichen Besitztümern.
Die Aufgabe guter Gestaltung ist es, einen Rahmen zu schaffen, in dem Dinge wirken können. Und wie dieser Rahmen aussieht, ist und bleibt eine sehr persönliche Entscheidung.