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Ingo Maurer: Sinnliche Präzision

Ingo Maurer GmbH: Positionierung in einem globalen Markt
Sinnliche Präzision

Die Ingo Maurer GmbH bleibt sich nach dem Tod des großen Lichtkünstlers treu und setzt mit außergewöhnlichen Leuchten und Inszenierungen auf Kontinuität. Gefertigt wird nach wie vor in Deutschland.

Autor Oliver Herwig

Ein großes Erbe bedeutet manchmal eine noch größere Last. Wie können die Erfolge von gestern ausgebaut werden, wie sollen die Klassiker gepflegt und an den Zeitgeschmack angepasst werden?

Oder gibt es genug Platz und Mut für Neues – ganz im Geiste des Licht-Erfinders Ingo Maurer, den die Süddeutsche Zeitung in einem Nachruf „Meister Lampe“ titulierte? Ingo Maurer war ein außergewöhnlicher Mensch und ein ebensolcher Gestalter. 1966 gründete er nach Jahren in den Vereinigten Staaten die Firma „Design M“, die spätere „Ingo Maurer GmbH“.

Ingo Maurer
Foto: Ingo Maurer GmbH

Ikonen der Lichtgestaltung

2009 eröffnete der Showroom in München-Schwabing, in dem bis heute Ikonen der Lichtgestaltung wie in einem eigenen Universum ausgestellt sind. Sie zeigen die Stärke dieser Marke: augenzwinkernde, federleichte Inszenierungen.

Statt einem systematischen Sortiment aus Wand-, Steh-, und Außenleuchten besticht die Kollektion durch Vielfalt und Einzelstücken, die sich oft zu regelrechten Longsellern entwickelt haben, gerade, weil sie oft weit von der Vorstellung eines rationalen Designs entfernt sind. Darunter ‚Zettel’z‘, ‚Lucellino‘ oder ‚Birdie‘ sowie die Papierkollektion der 1980er-Jahre.

Lichtgestaltung
Foto: Ingo Maurer GmbH

Designer Bernhard Dessecker nannte diese Produktion einmal „Poesie der Technologie“ – eine ganz besondere Art, Licht zu präsentieren. Wer käme sonst auf die Idee, Kitsch zu veredeln, gleich, ob als glühendes Herz (‚One from the heart‘, 1989) oder geflügelte Glühlampe ‚Lucellino‘ (1992).

Vielfalt und Einzelstücke

Die Ingo Maurer GmbH befindet sich also in einer recht komfortablen Lage: Die Marke ist etabliert, die Produkte einzigartig, der Fachhandel eingespielt. Gut 90 bis 95 % des Umsatzes kommt über den Fachhandel, in der Corona-Krise hat der eigene Online-Shop geholfen.

Zum Umsatz mit der Kollektion kommen 15 bis zu 20 % Umsatz mit spezieller Lichtplanung und Sonderobjekten wie im Münchner Residenztheater. Ein solider Mix, für den 40 Mitarbeiter einstehen, dazu kommen acht langjährige Freie und drei Werkstudenten. Entwickelt und gefertigt wird in München. Auch das ein Alleinstellungsmerkmal in einem Markt, der längst global geworden ist.

Der Lohn: Seit längerem steigt der Umsatz in Deutschland. „Generell sind wir in Europa sehr erfolgreich“, sagt Claude Maurer, Tochter des legendären Gründers. Neuer Geschäftsführer ist seit Januar 2021 Torsten Reh. Wohin entwickelt sich der in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Produzent?

Ingo Maurer
Foto: Ingo Maurer GmbH

Nach dem Tod von Ingo Maurer

Obwohl seit dem Tod von Ingo Maurer im Oktober 2019 „einige wichtige Umstrukturierungen auf den Weg gebracht“ wurden, die „Freiheit der Kreativabteilung bleibt ein Kernelement in der neuen Organisationsstruktur.“ Und zwar gemäß der Devise, die Nischenposition auf dem großen Leuchtenmarkt zu behaupten – „unabhängig von gängigen Trends, unangepasst und unverwechselbar.“

Das heißt auch: Die nächsten Schritte erfolgen „möglichst offen und ohne Scheuklappen.“ Der Anspruch freilich bleibt hoch. Jeder neue Entwurf müsse eben passen.

Moodmoon
Foto: Ingo Maurer GmbH

Was aber macht eine Leuchte zu einer echten Maurer-Leuchte? Eine solche Frage ist nicht trivial, sie stellt sich bei allen großen Marken – und alle haben eine Antwort darauf.

Bei manchen ist sie eher formal, andere verweisen mit jedem Produkt auf innere Werte. Die Objekte der Ingo Maurer GmbH zählen definitiv zur zweiten Kategorie, gemäß der Devise des Maestro, Licht bringe eine vierte Dimension, eine unbewusste Geistigkeit.

Scheinbar besteht die Kollektion nur aus Einzelstücken, die aber einer inneren Logik folgen. Diese könnte man als „sinnliche Präzision“ bezeichnen. Was zunächst verspielt erscheint, geht tiefer. Oder, um es mit den Worten von Designer Axel Schmid auszudrücken: „Sie soll überraschen, die Leuchte, und subkutan nachwirken.“

Ingo Maurer
Foto Ingo Maurer GmbH

Freiheit der Kreativen

Die Produktion im eigenen Haus heißt, dass vieles möglich ist, unkonventionelle Wege, die entstehen, wenn Gestalter und Hersteller Tür an Tür arbeiten. „Der Anstoß zu einem Projekt erfolgt durch eine Vorgabe, eine technische Neuigkeit, eine Erkenntnis oder eine Notwendigkeit“, sagt Schmid, die „Ideen entstehen dann durch Denken, sei es Kombinationsgabe, Erkenntnis oder Auswahl.“ Was hier durchscheint, ist ein generelles Prinzip: die langsame Verfertigung von Gedanken im Prozess.

Es geht nicht um formale Dinge oder ein Konstruktionsraster, das auf jeden Fall zu erfüllen wäre, es geht darum, freie Intuition und (limitierende) Materialien und Systeme zusammenzubringen. „Man verfolgt eine Idee oder eine Vorstellung und trifft auf ein Problem.

Dieses zu lösen mit geistiger Anstrengung und auch Intuition und Erfahrung ist die Leistung und Genugtuung meiner Arbeit.“ Diese Genugtuung ist zu spüren in frischen, manchmal auch frechen und augenzwinkernden Objekten, die sich eben nicht in eine vorgefertigte Marketing-Linie pressen lassen. Freiheit ist ein Grundprinzip der Arbeit.

Tag der geschlossenen Tür

Rund neun bis zwölf Monate dauert eine Leuchten-Entwicklung. Hilfreich ist der „Tag der geschlossenen Tür“, an dem sich die Designer in Klausur begeben und gezielt an neuen Entwürfen arbeiten. So entstehen Dutzende Ideen, die dann weiterverfolgt werden können.

Showroom
Foto: Ingo Maurer GmbH

Nur ganz wenige überstehen die nächsten Wochen. Es gilt das Prinzip des Ausschlusses: Lässt sich das überhaupt herstellen? Wie steht es mit den Kosten? Was dann übrig bleibt, eine Handvoll Produkte, ist oft im Konsens entstanden. Vom Einkauf über die Fertigung bis hin zu den Designern haben sich viele Stimmen eingebracht und die zunächst abstrakte Idee zu etwas Greifbarem verdichtet.

Entwerfen ist Zufall, so Ingo Maurer

Einen vorgezeichneten Pfad auf diesem Weg gibt es nicht. Wichtig ist der Prozess. Für Ingo Maurer sei beim Entwerfen immer der Zufall wichtig gewesen, erinnert sich Schmid. „Er schimpfte gerne über die Käseglocke, unter der man in einem komfortablen Büro sitzt.

Was gäbe es also Inspirierenderes als einen Raum voller Chaos und Überraschungen?“ Denn solche bieten die Objekte der Ingo Maurer GmbH bis heute. Gleich, ob es sich um Klassiker handelt oder Leuchten, wie ‚Moodmoon‘, die gerade erst entstanden sind.

„Ingo Maurer – Design or what“ hieß 2020 eine große Ausstellung in der Neuen Sammlung, die den ganzen Kosmos von Leuchten präsentierte, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind.

Es sieht ganz danach aus, dass die Erfolgsgeschichte weitergeht. Wohin genau, steht freilich noch nicht fest. Ein solches Betriebsziel würde aber auch nicht zu einem Unternehmen passen, das sich Freiheit auf die Fahnen schreibt.

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