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Messbar positiv

Human Centric Lighting-Konzepte für Arbeitsumgebungen
Messbar positiv

Human Centric Lighting wirkt – und zwar auf vielen Ebenen. Entsprechend groß ist das Interesse an einer Arbeitsplatzbeleuchtung, die sich an den aktuellen Erkenntnissen orientiert.

Autor Martin Krautter

So manches Buzzword in der Welt des Office-Designs kam und ging. Doch Human Centric Lighting, griffig abgekürzt HCL, bleibt uns wie es scheint, auf Dauer erhalten. Ein kurzer Rückblick: Erst Anfang des neuen Jahrtausends entdeckten Forscher zusätzliche Rezeptoren im Auge, die nicht mit der visuellen Wahrnehmung, sondern vielmehr mit dem Hormonsystem der „inneren Uhr“ in Verbindung zu stehen scheinen. Diese melanopischen Rezeptoren sind aufgrund ihrer Pigmente und Anordnung im Auge besonders empfindlich für blaues Licht, das schräg von oben einfällt – so wie natürliches Tageslicht.

In Versuchen konnten Chronobiologen nachvollziehen, wie blaue Spektralanteile im Licht die Melatoninausschüttung hemmen und so den Wach-Schlaf-Rhythmus beeinflussen können. Hier horchte die Beleuchtungsbranche auf: Biologische Lichtwirkungen eröffneten in Bereichen wie Arbeit, Bildung und Gesundheit interessante Anwendungsfelder – die effiziente Technologie zur Erzeugung variabler Spektren stand mit den aufkommenden LEDs zur Verfügung.

Schon 2013 formulierten Experten aus der Industrie mit dem Fachbericht DIN SPEC 67600 zwar keine Norm, aber Planungsempfehlungen für biologisch wirksame Beleuchtung. International etablierte sich der Begriff Human Centric Lighting für Lichtkonzepte, die biologische Lichtwirkungen berücksichtigen. Marktforschungsinstitute attestierten dem Thema das Potenzial zum Wachstumstreiber; So wählte die Messe Light + Building in Frankfurt 2016 Human Centric Lighting zum Schwerpunktthema. Inzwischen bieten fast alle Hersteller aus den genannten Marktsegmenten Human Centric Lighting-Produkte an.

Zugleich wächst bei Bauherren und Planern das Bewusstsein um die neuen Möglichkeiten und damit die Nachfrage.

Human Centric Lighting
Bis zu 2 900 Kelvin auf den Arbeitsflächen und kühle Indirektbeleuchtung: Ein mögliches Szenario bei Fluxunit in München. Foto: Osram

Human Centric Lighting: Das Bewusstsein wächst

Jeder Trend ruft Skeptiker auf den Plan, so auch hier – die Einwände bei Human Centric Lighting reichen vom polemischen Vorwurf des „Licht-Dopings“ bis zu berechtigten Bedenken von Medizinern und Arbeitsschutzexperten, dass bei biologisch wirksamem Licht auch mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen sei. Mehr Forschung tut Not, so der Konsens. Doch der Aufwand ist groß – das zeigt die ILIGHTS-Studie, die das Fraunhofer Institut Umsicht im vergangenen Frühjahr präsentierte. Im Münchner Montagewerk von BMW untersuchten die Forscher die Wirkung unterschiedlicher Beleuchtungsarten auf Arbeiter in Wechselschicht.

Neben speziellen LED-Leuchten mit variablen Spektren konstruierten die Fraunhofer-Techniker dafür auch Sensormodule im Streichholzschachtelformat, die die Probanden an Mützen trugen. Schlafmediziner des Krankenhauses Porz am Rhein statteten die Studienteilnehmer zudem mit Fitnesstrackern aus, um das Schlafverhalten aufzuzeichnen und befragten sie nach standardisierten Fragebögen. Über sechs Monate wurden so 83 Schichtarbeiter untersucht – mit signifikanten Ergebnissen, aus denen sich einige Handreichungen für Anwender ableiten lassen.

„Das richtige Licht zur richtigen Zeit, nämlich kaltweißes Licht für die Frühschicht und abends wärmer werdendes Licht, wirkt sich messbar positiv auf die Schichtarbeiter aus“, resümiert ILIGHTS-Studienleiter Rasit Özgüc: „Nach einer Frühschicht mit dynamischem Licht hatten die Teilnehmer einen signifikant längeren Gesamtschlaf, höhere Wachheit und dadurch auch höhere Konzentration als unter einem statischen Licht mit warmweißer Farbtemperatur.“

In der Spätschicht beobachteten die Forscher ebenfalls einen längeren Gesamtschlaf im Vergleich zu einem statischen neutralweißen Licht. Damit gab die Studie wichtige Hinweise für eine weitere Optimierung der Steuerkurven für biodynamisches Arbeitslicht. Wer heute über Investitionen in Arbeitsplatzbeleuchtung entscheidet, kann nicht immer warten, bis die Forscher ein solches Optimum erreicht haben. Doch gerade dieses Dilemma lässt sich auch als Argument pro HCL begreifen. Denn nur eine Beleuchtungsanlage, bei der die spektrale Zusammensetzung steuer- und programmierbar ist, bleibt flexibel und lässt sich in Zukunft an neue Forschungserkenntnisse anpassen. Doch inzwischen beschreiten Anwender wie zum Beispiel das Unternehmen Beckhoff Automation im westfälischen Verl pragmatische Wege.

Zufriedene Mitarbeiter als Ziel

In einem Fertigungsneubau sind dort Lichtbänder von Siteco mit via DALI gesteuerter, variabler Lichtfarbe installiert. Ausgehend von einer zirkadianen, also dem Tageslichtverlauf folgenden Dynamik optimierten die Anwender die Steuerkurve so lange, bis alle Mitarbeiter in dem Fertigungsbereich einverstanden waren. Nicht nur in der Produktion, auch in der Verwaltung finden sich immer öfter interessante Human Centric Lighting-Anwendungen.

Human Centric Lighting
Biodynamisch beleuchteter Büroarbeitsplatz bei Bayer, Basel. Foto: Waldmann

So stattete Bayer am Basler Firmenstandort Büros mit biodynamischem Licht von Waldmann aus – nicht nur an den Arbeitsplätzen mit sensorisch gesteuerten Stehleuchten, sondern auch in Besprechungsräumen und Kommunikationsbereichen, den sogenannten Hubs. Dort sind Pendelleuchten mit direktem und indirektem Lichtaustritt installiert. Und das ‚Net‘-Modul von Waldmann dient als externe „Plug & Light“-Steuerung.

In München betreibt Osram den konzerneigenen Business Accelerator namens Fluxunit – und stattete die Büros natürlich mit einer zeitgemäßen Human Centric Lighting-Beleuchtung aus dem eigenen Hause aus.

Das Design der eingesetzten ‚Scriptus‘-Pendelleuchten kommt von Werner Aisslinger, sie bieten eine individuelle Steuerung der Blaulichtverteilung im Direkt- und Indirektanteil. Auch in den Büros des Sartorius Campus in Göttingen setzen die Planer auf Human Centric Lighting zur Schaffung eines attraktiven Arbeitsumfelds.

Der ganzheitliche Blick

In den Neubauten der Hannoveraner Architekten Bünemann & Collegen realisierte das Lichtplanungsbüro Studio DL aus Hildesheim ein biodynamisches Beleuchtungskonzept: mit projektspezifischen, direkt/indirekt strahlenden LED-Pendelleuchten, die sich nicht an den Arbeitsplatzkonfigurationen orientieren, sondern den Längsachsen der Großraumbüros folgen.

Diese Beispiele zeigen: Bei repräsentativen Projekten im Bereich der Arbeitsplatzbeleuchtung gehört HCL zunehmend zum guten Ton. Darüber sollte nicht vergessen werden, wie viele Arbeitsplätze nach wie vor mit veraltetem, unzureichendem oder blendendem Licht ausgestattet sind – ein Produktivitätspotenzial, das es zu heben gilt.

Schließlich beschränkt sich die offizielle Definition von Human Centric Lighting nicht auf die melanopischen Effekte: Nur eine ganzheitliche Sicht auf biologische, visuelle und emotionale Lichtwirkungen stellt wirklich den Menschen in den Mittelpunkt.

Fazit:

Das Thema Human Centric Lighting (HCL) bleibt im Fokus von Lichtforschern und -Anwendern, auch wenn sich die Industrie sicherlich eindeutigere Aussagen wünschen würde, als die Wissenschaft sie liefern kann. Immerhin: Das Fraunhofer Institut „UMSICHT“ in Oberhausen präsentierte jetzt eine Studie, die Schichtarbeiter in der Montage bei BMW beobachtete und signifikante Vorteile einer spektral abgestimmten Beleuchtung bestätigt.

Einen eigenen Weg beschritten Planer und Nutzer in einem Produktionsneubau des Elektronikherstellers Beckhoff in Verl: Hier wurde eine HCL-Beleuchtung installiert und anschließend so lange an der dynamischen Steuerungskurve gefeilt, bis die Belegschaft zufrieden war. Hier wird die Flexibilität zum zentralen Argument für dynamisches Licht. Aber nicht nur für Werkhallen, sondern auch in Büros wird Human Centric Lighting zunehmend zum Mittel, Arbeitsplätze attraktiver und gesünder zu gestalten – wie aktuelle Anwendungen bestätigen.

Eine interaktive Grafik zum Thema finden Sie hier


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