Erst in den letzten Jahren tritt die akustische Gestaltung des Arbeitsumfeldes mehr und mehr in den Vordergrund. Zwar mussten einschlägige Normen, zum Beispiel DIN 18041, schon immer beachtet werden, jedoch blieb die schalltechnische Wirkung auf den expliziten Arbeitsplatz bei der Büroplanung meist unberücksichtigt.
Dabei wurde längst als Tatsache erkannt, dass die schalltechnische Umgebung eines Arbeitsplatzes eng mit der Leistungsfähigkeit, dem Wohlbefinden und sogar mit dem Krankenstand der Mitarbeiter in Zusammenhang steht. Mein Thema „gute Akustik im Büro“ beschäftigt sich mit den akustischen Grundlagen. Im Fokus stehen vorwiegend Architekten, Innenarchitekten und Bauherren.
Akustisches Verständnis
Grundlegend sollten die Themen Raumakustik und Schallschutz als separate, jedoch in Abhängigkeit von einander stehende Aufgabenstellungen verstanden werden. In der Raumakustik beschäftigen sich Planer damit, die Oberflächengestaltung eines Raumes derart vorzunehmen, dass raumakustische Verhältnisse entstehen. Diese Verhältnisse sollen der konkreten Nutzung des Raums gerecht werden. Als grob zu unterscheidende Beispiele seien hier Räume zum Musizieren und Räume zur Übertragung von Sprache aufzuführen.
Gute Akustik muss jeweilige Nutzung unterstützen
Ein für die Übertragung von Musik optimierter Raum (wie zum Beispiel Kammermusiksaal) kann nicht gleichzeitig auch für die Übertragung von Sprache (wie zum Beispiel Hörsaal) gut geeignet sein und umgekehrt. Ein Multifunktionsraum ohne veränderbare akustische Eigenschaften kann daher für keine Nutzung optimal sein.
Akustiker beschäftigen sich also bei der nutzungsgerechten Auslegung eines Raumes mit der Gestaltung der Oberflächen. Um Nachhall, Reflexionen und Echos derart zu modifizieren, dass diese nicht störend sind und die sich ergebende Akustik für die jeweils angestrebte Nutzung geeignet ist.
Das Büro stellt bei der Beurteilung der Nutzung eine besondere Herausforderung dar. Der Büroraum kann nicht verallgemeinert werden. Schon aus dem Grund, dass die Raumstruktur als Einzelbüro, Mehrplatzbüro oder Großraumbüro äußerst unterschiedlich ausfallen kann.
Altbekannte Aufgabenstellung: Großraumbüro
Da die akustischen Verhältnisse in einem Raum nicht einzig von der Gestaltung der Raumoberflächen, sondern auch maßgeblich vom Volumen abhängen, kann der Akustiker nur eine gesamtheitliche Betrachtung vornehmen.
Der Trend, wieder Großraumbüros einzurichten, bedingt für den Akustiker eine altbekannte Aufgabenstellung, die jedoch mit modernen Ansätzen des Arbeitsschutzes, der Behaglichkeit und der Mitarbeiterfürsorge gelöst werden muss. Diese Ansätze wurden in den 1970er- Jahren weit weniger beleuchtet, als es heute erforderlich ist.
Schallschutz heißt Schallpegel vermindern
Gerade im Großraumbüro ist der schallschutztechnische Aspekt des akustischen Gewerkes in Verbindung mit der Raumakustik von erheblicher Bedeutung. Grob beschrieben handelt es sich beim Schallschutz im Gegensatz zur Raumakustik um Maßnahmen, die dazu dienen, unerwünschte Schallpegel vermindert wahrnehmen zu müssen.
Diese akustischen Einwirkungen können aus anderen Räumen, von außerhalb des Gebäudes oder von Schallquellen innerhalb des Raumes stammen. Letzteres spielt bei der Beurteilung von Großraumbüros eine tragende Rolle.
Trennwände sind nicht erwünscht
Schallschutzmaßnahmen verringern in der Regel durch die akustischen Eigenschaften von Decken, Wänden, Türen und Fenstern das Durchdringen von Schall. Allerdings stehen diese Elemente kaum wirksam zur Verfügung, wenn die störenden Schallquellen sich wie beim Großraumbüro zumeist innerhalb des Raumes befinden. Nun wird deutlich, dass die typischen Elemente des Schallschutzes, zum Beispiel der Einsatz von Trennwänden, im Großraumbüro optisch und architektonisch in der Regel nicht gewünscht sind.
Die Aufgabenstellung des Akustikers und Architekten besteht demnach darin, mit vermindert oder nicht wirkenden schallschutztechnischen Elementen und mit der raumakustischen Wirksamkeit von Oberflächen im Büro die erforderliche Akustik zu schaffen.
Worin liegt das Störpotenzial?
Bei der Beurteilung, ob akustische Verhältnisse im Büro nutzungsgerecht sind, ist zu erörtern, worin das Störpotenzial liegt. Würden zum Beispiel 70 Personen in einem Großraumbüro absolut still ihrer Arbeit nachgehen können, durch ihre Arbeit keinerlei Nebengeräusche entstehen und keine Unterhaltungen geführt werden, wäre es nicht erforderlich, über Raumakustik nachzudenken.
Verstehbare Sprache immenses Problem
Doch mit dem Existieren von Schallereignissen entsteht ein mitunter immenses Störpotenzial. Dabei hat sich herausgestellt, dass vorwiegend verstehbare Sprache die größte Einflussnahme darstellt. Im Gegensatz zur Auslegung der Akustik in einem Hörsaal, in dem auch die Sprache des Vortragenden noch bis in die letzte Reihe verstanden werden soll, ist es im Büro (Großraumbüro) von äußerstem Nachteil, wenn Sprache noch über eine größere Distanz verstanden werden kann.
Die Sprachverständlichkeit ist eine weitere Variable, die der Akustiker durch die Auslegung der akustischen Maßnahmen verändern kann.
Auswirkung am Arbeitsplatz
Das STI-Verfahren kann unter anderem die Sprachverständlichkeit messen und simulieren. Dieses Verfahren gibt einen Index aus, der zwischen null und eins liegen kann. Bezogen auf die jeweiligen Arbeitsplätze im Büro ist neben der Dimensionierung der Sprachverständlichkeit von sprechenden Personen in der Umgebung auch die Auslegung der umliegenden Raumoberflächen entscheidend. Glatte, schallharte Oberflächen sind in der Lage, Schall gut zu reflektieren und wenig zu bedämpfen. Wodurch am Arbeitsplatz der Eindruck entsteht, ein großes akustisches Störpotenzial hinnehmen zu müssen.
Um Reflexionen zu verringern oder zu vermeiden, können raumakustisch wirksame Materialien eingebracht werden, die einen absorptiven Charakter besitzen bei dem auch von Bedämpfung gesprochen werden kann.
Die Steigerung der Ruhe am Arbeitsplatz und die Verringerung der verständlichen Sprachbeiträge aus der Umgebung sorgen für eine Erhöhung der Produktivität. Ebenso verringern sie die psychische Belastung und haben demnach wirtschaftliche Auswirkungen. Darüber hinaus ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Lärmsituation am Arbeitsplatz und einem damit verbundenen Krankenstand der Mitarbeiter festzustellen.
Zahlreiche Forschungsuntersuchungen verschiedener Universitäten, aber auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung haben diesen deutlichen Zusammenhang bewiesen.
Lösungsansätze für eine gute Akustik
Die Komplexität des Themas verbietet es, eine Standardlösung zu beschreiben und diese als Allheilmittel für die akustische Auslegung von Büros darzustellen. Die Lösungen sind derart individuell, wie sich auch die Büros und die Arbeitsplätze unterscheiden. Natürlich gibt es grundsätzliche Zusammenhänge, die allgemein zu beachten sind, wie die Vermeidung von Echos und Flatterechos, ungeeignet lange Nachhallzeiten, ausschließliche Positionierung von Absorbern an einer Wand oder der Decke (monogeografische Positionierung) oder die Erwartung, mit raumakustischen Maßnahmen Schallschutz ersetzen zu können.
Akustiker können Erfordernisse in der Regel bereits rein optisch durch Betrachtung erkennen. Hier trifft das Zitat „Wirklich hören kann man nur mit den Augen“ von Damaris Wieser sogar wörtlich zu.
Optimierung in offener Bürostruktur möglich
Soll ein Akustiker dahingehend den Bauherrn oder Architekten beraten, diskrete Verhältnisse eines Einzelbüros auch in einem Großraumbüro zu schaffen, so kann dies mit raumakustischen Maßnahmen nicht erreicht werden. Da schlicht schallschutztechnische Elemente wie raumhohe und dicht abschließende Trennwände fehlen. Dies lässt sich nicht vollumfänglich kompensieren. Dennoch kann auch die offene Struktur eines Großraumbüros Optimierung schaffen.
Im produktiven Umfeld ist selbstverständlich die Reduktion der schalltechnischen Auswirkungen des Arbeitsvorgangs als solchem vorzunehmen. Dies kann zum Beispiel Auswirkungen auf die zu verwendenden Bürogeräte und Arbeitsmaterialien haben. Übrig bleiben jedoch die schalltechnischen Einwirkungen, die unumgänglich entstehen. Im Büroalltag werden das Schreiben auf einer Tastatur, das Telefonieren und der übliche Bürolärm nicht zu vermeiden sein. An dieser Stelle setzt die Leistung des akustischen Beraters ein.
Akustiker berät in punkto Nachhallzeit
Diese Beratung hat zur Aufgabe, individuell auf die Situation zu reagieren und entsprechende Maßnahmen aufzustellen. Unter direkter Beachtung der physikalischen Zusammenhänge, die den Grundlagen der Akustik entspringen, kann der Berater akustische Maßnahmen in Form von Abschirmung, absorptiven Materialien und gezielten Reflektoren planen und berechnen. Der Markt bietet zahlreiche Materialien an. Diese können auch explizite optische Wünsche erfüllen.
Der Akustiker berät auch dahingehend, welche Nachhallzeit erreicht werden soll und welche Abnahme der Sprachverständlichkeit über eine bestimmte Distanz erzielt werden muss. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich akustische Berater vorwiegend darauf konzentriert, die Nachhallzeit bestenfalls normativ passend zur Raumnutzung auszulegen.
Diese Betrachtungsweise hat sich jedoch als nicht ausreichend herausgestellt, da dabei der Aspekt der Lärmbelastung am Arbeitsplatz nicht im Vordergrund stand und auch die belastende Auswirkung von verständlicher Sprache, die nicht zur Ausübung der eigentlichen Arbeitsaufgabe gehört, ebenfalls unbeachtet blieb.
Bürofläche in separate Nutzungszonen aufteilen
Auch ist es Aufgabe des akustischen Beraters, nicht den Raum ausschließlich mit seinen Oberflächen zu betrachten, sondern die Möblierung und Ausstattung in die Betrachtung mit einzubeziehen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt allerdings darin, die gesamte zur Verfügung stehende Bürofläche in separate Nutzungszonen zu unterteilen. Ziel ist es, dass beispielsweise Ruhebereiche für Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration erfordern, deutlich von Kommunikationsbereichen getrennt werden. Sogenannte Rückzugszonen und gemischt genutzte Bereiche optimieren die akustische Situation zusätzlich.
Es ist also davon auszugehen, dass nur mit einer Kombination aus einer passenden Büroarchitektur und den erforderlichen akustischen Maßnahmen eine maßgebliche Minimierung der Lärmbelastung am Arbeitsplatz zu erzielen ist.
Kombination Innenarchitektur und akustische Maßnahmen
Auch wenn der Eindruck entsteht, dass derartige Lösungen, bestehend aus einer Kombination akustischer Maßnahmen und einer auf die Nutzung maßgeschneiderten Innenarchitektur, äußerst kostenintensiv sind, so sollten Arbeitgeber und Bauherren die Nachhaltigkeit darin erkennen. Ein angenehmes, gesundes und inspirierendes Arbeitsumfeld verspricht motivierte und zufriedene Mitarbeiter, sodass mit einer geringeren Personalfluktuation zu rechnen ist. Ein wichtiger Effekt in Anbetracht des Fachkräftemangels.
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Autor Andreas Simon von Graner + Partner Ingenieure