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Frühzeitig Optik und Akustik zusammendenken

Optisch gut gelöste Akustikmaßnahmen
Akustik und Optik

Akustik und Optik
Lärm- und Sichtschutz in Open Spaces sollten der Grundidee der Offenheit nicht entgegenstehen. Hier könnte es funktionieren. Foto: ©Konradin Medien GmbH / murattellioglu – stock.adobe.com
Vielfach erkennen Unternehmen und Mitarbeiter erst, dass es Lärmprobleme gibt, wenn die Open Spaces bezogen sind. Dann wird nachgebessert, meist zulasten der Innenarchitektur. Besser ist es, die akustische vor der optischen Planung anzugehen. Dann fügen sich die Akustikmaßnahmen in die Innenarchitektur ein.

Autor Ahmet Çakir

Ein kleiner Ausflug in die Bürowelt mit ihren Akustikmaßnahmen. Ganz nah an der Realität.

Ich freue mich aufs Büro! Nach Wochen der Einzelhaft, Pardon: Homeoffice, bin ich gespannt darauf, was mich erwartet. Unser Arbeitgeber und der Betriebsrat hatten vor einiger Zeit angekündigt, dass unser Büro ein zeitgemäßes Design bekommen sollte. Open Space lautete deren Zauberwort. Damit alles schön richtig gemacht wird, kam ein bekanntes Planungsbüro mit ins Boot.

Unser Management hatte die Erfahrung gemacht, dass Design eine (unfreiwillige) Entdeckungsreise ist. Daraus klug geworden, wollte man das Ziel vorher setzen – und erreichen. Unterwegs zur Arbeit lese ich den Flyer, der unser neues Büro vorstellt. Er ist garniert mit Zitaten von bekannten Machern, zum Beispiel „Gestaltung ist Haltung“. Bislang hatte uns lediglich ein Stuhlexperte die gute Haltung nähergebracht mit Slogans wie: „Schrauben müssen festsitzen, Mitarbeiter locker“. Mal sehen!

Tatsächlich ist unser Büro eine Augenweide geworden. Farben, Formen, Anordnungen der Möbel, Licht … Alle Objekte scheinen miteinander zu harmonieren, zu kommunizieren und sich gegenseitig auszubalancieren, wie einst die Innenarchitektin Andrée Putman gefordert hatte.

Anmutige Bürolandschaft

Als Erster im Büro eingetroffen, darf ich heute einen Platz aussuchen, der mir gefällt. Vor mir breitet sich eine anmutige Bürolandschaft aus – wie aus Hochglanzprospekten entsprungen. Was für ein Unterschied zu den kleinen grauen Zellen, in denen wir früher saßen. Nach und nach trudeln die Kollegen ein. Sie gucken sich voller Bewunderung ihre Umgebung an. Gegen Mittag trübt sich die Stimmung etwas. Wir wussten zwar, dass die Kollegin S. vom Vertrieb ihre alternde Mutter betreut. Dass die Dame aber schwerhörig ist, war uns allen neu.

Frau M. vom Marketing und ihre Art und Weise mit Agenturen zu verhandeln, war uns einst unbekannt. Keine Ahnung, warum die in unserer Nähe sitzt. Ihr Telefon scheint sie heute besonders oft zu benutzen. Und so anregend klingt ihre Stimme nicht, als dass man sie gefühlt den halben Tag hören möchte. Herr G. vom Einkauf bringt am zweiten Tag das Fass zum Überlaufen. Er fuchtelt andauernd mit den Armen in der Luft, läuft wie ein gehetzter Stier vor dem Fenster auf und ab und brüllt hin und wieder. Nach drei Tagen geht schließlich der Erste zum Betriebsrat.

Akustikplaner soll Lärmprobleme lösen

Eine Woche später – Auftritt des Akustikexperten B. Er soll im wahrsten Sinne des Wortes dämpfend eingreifen und Akustikmaßnahmen planen. Er misst mit ernster Miene die Akustik an vielen Stellen und sagt, es wäre hier gar nicht so laut. Eigentlich …! Aber man könnte etwas machen. Mit Schallabsorbern oder so. Welche davon mit unserem Büro optisch harmonieren würden? Seine Antwort lautet: Na ja, die gibt es in Weiß, Anthrazit und Hellgrau. Davon müssten wir für unser Büro etwa 18 m² nehmen. Das wird aber eine Augenweide!

Unser Chef lässt den Fachmann auf dem Gebiet der Schalldämpfung abblitzen und sucht selbst im Internet nach einer Lösung für Akustikmaßnahmen. Ein Großanbieter empfiehlt sieben effektive Maßnahmen – von verglasten Raumteilern bis hin zu akustischen Paneelen.

Zergliederung des Open Space unerwünscht

Allerdings: Alle unterteilen unser Open Space in kleinere Einheiten. Die waren aber gerade abgeschafft worden. Deshalb lädt der Chef die Planerin ein, aus deren Werkstatt unser Bürodesign stammt. Die schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als sie die Internet-Angebote zu sehen bekommt. Schließlich hätte sie Farben, Formen und Materialien harmonisch zusammengefügt, sagt sie. Nun sollen Absorber in Unfarben und mit schalltechnisch erforderlichen Oberflächen überall aufgehängt werden, wo Menschen Schall erzeugen. Als Krönung sollten vielleicht noch schallisolierte Telefonboxen oder Meetingkabinen installiert werden? Dann wäre es nicht mehr open, unser Open Space!

Von der Realität unterscheidet sich diese Geschichte eigentlich nur durch ihre Kürze. Man kann Kolumnen nicht in der epischen Breite und Länge schreiben, in der sich Dramen um die Akustik im Büro abspielen. Eines gilt aber nach wie vor: Architektur und Design basieren wesentlich auf dem Visuellen.

Akustikmaßnahmen sollten nicht auffallen

So stark, dass mancher gar betont: „Design ist auch das, was man nicht sieht.“ Das sagte der italienische Automobildesigner Walter de Silva, der unter anderem bei Volkswagen, Audi, Alfa Romeo und Fiat tätig war. Was ist aber, wenn das, was man nicht sieht, alles Visuelle überstimmt? Und auch noch die Raumluft beeinflusst, weswegen es hier und da sachte mieft? Akustikmaßnahmen im Büro zeichnen sich also dadurch aus, dass man ihre wichtigste Eigenschaft nicht sieht. Dafür hindern die hierzu benötigten Teile Licht und Luft an der Ausbreitung. Stellwände, vornehm Schallschirm genannt, sind Sichtbarrieren. Perfekte. Den lästigen Lärm fangen sie aber nicht einmal halb so gut ab.

Deshalb gilt: Wird ein Büro gestaltet, muss man bei der Akustik anfangen und nicht etwa damit aufhören und womöglich halbherzige Akustikmaßnahmen installieren. Wer meint, gute Büroplanung sei kostspielig, sollte sich erkundigen, wie teuer ihn schlechtes Design zu stehen kommt.

Andrée Putman hatte ihre Arbeitsweise als eine Gratwanderung zwischen Disziplin und Verrücktheit beschrieben. Keine schlechte Charakterisierung für die Gestaltung von Büroräumen.


md-Kolumnist Ahmet Çakir ist Inhaber und wissenschaftlicher Leiter des Ergonomic Instituts für Arbeits- und Sozialforschung in Berlin und Gutachter.

Eine weitere Kolumne von Ahmet Çakir zum Thema „Teamräume“

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