Raues Wetter, baumlose Hügel und die Überreste von Minenanlagen kennzeichnen die Insel. Bergbau und Metallgewinnung spielten über Jahrtausende eine wichtige Rolle, die ersten Spuren von Grabungsaktivitäten stammen schon aus der Bronzezeit. In den 1960er-Jahren wurde der Abbau eingestellt, der seit dem 19. Jahrhundert eng mit der wechselhaften Politik und Wirtschaft Europas verbunden war.
Hier entstand ein ungewöhnliches Gebäude, das die Umgebung und die Geschichte der Insel in sich aufnimmt. Mold Architects, das 2011 von Iliana Kerestetzi gegründete Architekturbüro mit Sitz in Athen, schuf an der Ostseite der Insel über einer abgelegenen Felsbucht ein 360 m² großes Ferienhaus, das zum Teil der Landschaft wird.
Die Vorgabe, ein vor den Elementen Sonne und Wind geschütztes Refugium mit zugleich atemberaubender Aussicht zu schaffen, führte zu der Entscheidung, in Anlehnung an die Geschichte der Insel in den Küstenhang hineinzugraben, anstatt eine Reihung von Räumen auf Bodenniveau zu errichten.

Ncaved: Gebäude als Land-Art
Wie ein Land-Art-Kunstwerk wird das Ferienhaus Ncaved von Mold Architects Teil der Umgebung. Dies jedoch nicht nur ästhetisch. Die Anordnung der Räume mit entsprechenden meeres- und hangseitigen Öffnungen führt zu einer natürlichen Ventilation durch die Winde und somit zu einer passiven Kühlung der Räume.
Die angrenzenden Erdmassen dämmen zugleich gegen Überhitzung, die extensive Begrünung der schrägen Dachflächen dient als Klimapuffer und bindet das Gebäude übergangslos in die bestehende Landschaft ein. So können Energieverbrauch und Wartungskosten des Gebäudes im Betrieb niedrig gehalten werden.
Mold Architects nutzen Materialien aus der Region
Ein weiteres Schlüsselkonzept ist die Verwendung lokaler Materialien, wie Natursteine, die auf dem Grundstück ausgegraben wurden, und Metall, das als Referenz an die Bergbaugeschichte der Insel zum Einsatz kommt.
Stein, Sichtbeton, Eichenholz und Stahl sind als natürlich wirkende Oberflächen belassen. Dies verstärkt den Eindruck, in einer mit der Natur verbundenen Umgebung zu wohnen. Mold Architects, die bereits einige naturnahe Wohn- und Ferienhäuser verwirklicht haben, setzten sich zum Ziel, so viele lokale Baustoffe wie möglich zu verwenden. So kommt auch der Granit der Kücheninsel aus der Umgebung. Für den Beton der Innenausbauten in den Bädern wurden vor Ort gewonnener Sand und Steine verwendet.

Licht- und Schattenspiel
Eine besondere Bedeutung hat in dieser Lage das Spiel mit Licht und Schatten im Laufe der wechselnden Tages- und Jahreszeiten. Schluchtenartige Treppenläufe inszenieren Lichtflächen, Texturen und Farbeindrücke wie in einer begehbaren Collage. Die semitransparente Holzlamellenwand des Eingangsbereiches im Mittelgeschoss filtert das Licht und den Blick, bevor man das Haus betritt.

Gerichtete Blicke
Im Inneren prägen gerichtete Blicke auf das Meer oder in die rückwärtigen, steinverkleideten und begrünten Lichthöfe den Raumeindruck und schaffen eine übergangslos wirkende Verbindung von Innen- und Außenraum. Fünf Schlafräume, verteilt auf drei Ebenen, sind schlicht mit je einem Schlafpodest ausgestattet und strahlen zugleich durch die gerahmten Ausblicke und edlen Oberflächen eine große Eleganz und Ruhe aus.
Die Böden sind zementbeschichtet, die Wände mit Naturstein, die Einbauschränke mit Eichenlamellen verkleidet. Das Gebäude selbst ist eine Mischkonstruktion aus Stahlbeton mit Steinverkleidung sowie Mauerwerk und Stahlkonstruktionen für Innenausbau und Sonnenschutz.

Die auffälligen auskragenden Stahlstufen der Innentreppe, die an einem in den Beton eingebetteten Stahlträger befestigt sind, bestehen aus 18 mm massivem Blech. Fenster und Rollläden sind aus beständigem Aluminium gefertigt. Die archaisch wirkende, skulpturale Form des Baukörpers wird komplettiert durch die natürlich anmutenden Strukturen und Farbigkeiten der Oberflächen.
Die Architekten wollten nach eigener Aussage keine formalen Stereotypen reproduzieren, sondern aus Respekt für das Land eine sehr präsente Architektur erschaffen, die sich zugleich als Teil der Umgebung versteht.
Dies dürfte sich ebenso auf die Bewohner übertragen, die hier auf intensive und im Wortsinn berührende Weise in und mit den Elementen Erde, Wasser und Sonne leben dürfen.
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Fakten
Projekt: Ncaved
Ort: Ag. Sostis, Serifos, Griechenland
Fläche Gebäude: 360 m²
Fläche Grundstück: 6 000 m²
Fertigstellung: 2020
Architektur: Mold Architects – Iliana Kerestetzi, Athen, Griechenland
Beratender Architekt: Manos Kerestetzis
Tragwerksplanung: Konstantinos Vlachoulis, Michail Xirokostas, Studio 265
Lichtdesign: Nikos Adrianopoulos
Bauüberwachung: Mold Architects & Thanasis Vittas
Mold Architects
Mold Architects wurde 2011 von Iliana Kerestetzi gegründet. Ihr Büro verbindet Forschung, Architektur, Landschaftsgestaltung, Grafikdesign, Innenarchitektur, Konstruktion und bildende Kunst zu einem großen Ganzen.
Die Autorin Christiane Sauer ist Architektin und Materialspezialistin und lehrt als Professorin für Materialentwurf an der Weißensee Kunsthochschule Berlin.
www.formade.comwww.dxm-berlin.de